Die Manic Street Preachers predigen im ABBA-Sound

Berlin (dpa) - FΓΌr viele altgediente Verehrer der sozialistischen Rock-Epiker Manic Street Preachers kΓΆnnte das neue Album "The Ultra Vivid Lament" zur Herausforderung werden - fΓΌr manche gar ein Grund, geschockt Abschied zu nehmen.
Denn nach dem gewohnt hymnischen Einstieg mit "Still Snowing In Sapporo" klingen zwei Songs plΓΆtzlich verdΓ€chtig nach - ABBA. Das war so nun wirklich nicht zu erwarten.
"Orwellian" und "The Secret He Had Missed" sind mit supereingΓ€ngigen Melodien und Klimper-Keyboards so nah dran an den Hits der vier schwedischen Glampop-Legenden, dass man den Manics entweder Mut zur VerΓ€nderung, Chuzpe oder Irrwitz zuschreiben kann. "Das Album soll ein typisches 70er-Jahre-GefΓΌhl transportieren", sagte SΓ€nger James Dean Bradfield dem "Rolling Stone". "Ein Top-of-the-World-Feeling, manchmal etwas schΓ€big, wie auch Glam es war."
Nun ist es keine Schande, sich bei einigen der weltumarmendsten OhrwΓΌrmer der Popgeschichte wie "Waterloo", "Fernando" oder "Dancing Queen" zu bedienen. Auch der englische Progressive-Rock-Meister Steven Wilson oder die kanadische Indie-Bigband Arcade Fire hatten schlieΓlich ihre ABBA-Begeisterung zuletzt klar durchblicken lassen.
Die Manic Street Preachers geben die Vorliebe fΓΌr den polierten Seventies-Pop immerhin mit viel Energie und Γberzeugung zum Besten, so dass man ihnen diesen Exkurs durchaus gΓΆnnt. Und ja, zur Beruhigung: "Diapause", "Complicated Ilusions", "Blank Diary Entry" - das sind ohne Zweifel wieder tolle, meinungsstarke Manics-Songs.
Bei einer Band, die vom Punk kam ("Generation Terrorists") und dann mit linken StraΓenprediger-Hymnen ("Everything Must Go", "This Is My Truth Tell Me Yours") groΓen Erfolg hatte, klingt der Stilwechsel dennoch ernΓΌchternd. Erst recht angesichts der prachtvollen Solo-GroΓtat "Even In Exile" von Frontmann Bradfield aus dem vorigen Jahr. Die Chance, nach dem Manics-Zwischenhoch dank "Rewind The Film" (2013) und "Futurology" (2014) auch im vierten Band-Jahrzehnt mit einem groΓen Album zu begeistern, hat das walisische Trio verschenkt.