Einfach erklärt Solarstrom im Aufwind: Das sind die Chancen und Risiken
Solarenergie wird in Europa und Deutschland immer wichtiger. Doch der ständige Ausbau ist eine große Herausforderung für die Netzstabilität. Was sind die Lösungen?
Inzwischen stammen über 20 Prozent des europäischen Stroms aus Sonnenenergie, wie eine aktuelle Analyse der britischen Denkfabrik Ember zeigt. Und auch in Deutschland gewinnt die Solarenergie stetig an Bedeutung. Hierzulande wurden laut dem Fraunhofer ISE und dem Statistischen Bundesamt zwischen 15 und 17 Prozent der gesamten Stromproduktion mithilfe der Sonne erzeugt (40 Terawattstunden).
Doch der Boom wirft neue Fragen auf: Was bedeutet es für die Versorgungssicherheit, wenn immer mehr Strom aus einer Quelle stammt, die nicht rund um die Uhr verfügbar ist? Und steigt mit dem Ausbau das Risiko für Überspannungen oder gar Blackouts, wie zuletzt in Spanien?
Schwankende Sonnenkraft – eine Herausforderung für das Stromnetz
Die Vorteile der Solarenergie liegen auf der Hand: Sie ist klimafreundlich, emissionsfrei und nahezu überall nutzbar. Doch auch wenn Solaranlagen sauberen Strom erzeugen – sie liefern ihn nicht immer dann, wenn er gebraucht wird. Und manchmal produzieren sie sogar mehr, als das Netz verträgt.
Gerade im Sommer und bei viel Sonnenschein speisen viele Anlagen gleichzeitig große Mengen Energie in das Stromnetz ein. Wird dieser Strom dann nicht sofort verbraucht oder gespeichert, steigt die Netzspannung – das Netz kann instabil werden. In solchen Fällen greifen Schutzmechanismen: Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) – sowohl kommerzielle als auch private – werden automatisch abgeregelt, um Schäden zu vermeiden. Das führt zwar zu Energieverlusten, schützt aber das Gesamtsystem. Doch was passiert, wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen oder zu viele Anlagen gleichzeitig abgeschaltet werden müssen?
In solchen Situationen kann das Stromnetz aus dem Gleichgewicht geraten: Fehlt es schlagartig am Solarstrom im Netz, fehlt plötzlich eine erhebliche Menge an Energie. Das Netz ist darauf angewiesen, dass Einspeisung und Verbrauch jederzeit im Gleichgewicht sind. Kommt es zu einem plötzlichen Ungleichgewicht, kann die Netzfrequenz stark abfallen. Greifen dann weitere automatische Schutzmechanismen, werden immer mehr Netzbereiche abgeschaltet, um einen Zusammenbruch zu verhindern. Durch diese gezielten Abschaltungen – auch Lastabwurf genannt – soll das restliche Netz stabilisiert werden. Ein Hinzuschalten weiterer Netzbereiche ist in einer solchen Situation nicht möglich, da dies die Instabilität noch verstärken würde. So kann es im schlimmsten Fall zu einem großflächigen, lang anhaltenden Stromausfall kommen – einem sogenannten Blackout – wie zuletzt in Spanien.
Gleichzeitig gibt es aber auch Zeiten – etwa im Winter oder in den Abendstunden – in denen Photovoltaik-Anlagen kaum oder gar keinen Strom liefern. Der Verbrauch bleibt allerdings weiterhin hoch – E-Batterien werden geladen, Haushaltsgeräte oder Wärmepumpen werden eingeschaltet. Das Netz steht dann vor dem entgegengesetzten Problem: zu wenig Strom. Diese Schwankungen sind ein zentrales Risiko für die Versorgungssicherheit – insbesondere dann, wenn der Anteil der Solarenergie weiter steigt.
Sonnenstrom: Risiko oder Chance?
Führt mehr Sonnenstrom also automatisch zu einer instabilen Stromversorgung und ist er somit ein Risiko?
Nicht unbedingt. Denn die Sonnenenergie ist nicht primär die Ursache von Stromausfällen. Auch nicht in Spanien. Vielmehr waren dort das Netz und die Technik dahinter nicht auf einen solchen Fall vorbereitet. Die fehlende Netzträgheit – das heißt, dass viele erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft keine stabilisierende Wirkung auf die Netzfrequenz haben – sowie die begrenzte Fähigkeit der Erzeuger, kurzfristig auf Schwankungen zu reagieren, machten das Stromsystem in diesem Moment besonders anfällig, heißt es. Statt stabilisierend zu wirken, brachte der Sonnenstrom das Gleichgewicht also ins Wanken.
Doch nicht nur die südlichen Länder mit vielen Sonnenstunden betrifft dieses Problem. Auch Deutschland steht vor derselben Herausforderung. Allerdings ist hierzulande die technische Problemlösung schon weiter vorangeschritten. Ein Beispiel dafür ist die Stadt Waltrop. Dort entstehen riesige Batteriespeicher-Anlagen, die den überschüssigen Solarstrom zwischenspeichern und zu einem späteren Zeitpunkt abgeben. Aber auch intelligente Stromnetze, die Angebot und Nachfrage in Echtzeit ausgleichen, sowie Backup-Kraftwerke – in Form von Gas- oder Biogasanlagen, die einspringen, wenn die Solaranlagen nicht genug Strom produzieren – können das Problem lösen. Doch ohne diese Ergänzungen funktioniert ein solarbasiertes Energiesystem langfristig nicht sicher.
Lösungen möglich
Die Risiken sind auch in der Forschung bekannt. Die Experten dort erklären, dass die Probleme technisch lösbar sind.
Eine aktuelle Studie des Verbands der Elektrotechnik (VDE) zeigt, dass sich die Versorgungssicherheit auch bei einem sehr hohen Anteil erneuerbarer Energien aufrechterhalten lässt – wenn Netze, Speicher und Steuerung entsprechend mitwachsen.
Und auch das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Entscheidend sei die Flexibilität des Systems: Nur wenn Strom intelligent verteilt, gespeichert und bei Bedarf ergänzt wird, kann das Netz stabil bleiben. Die notwendige Technik ist vorhanden – doch sie muss flächendeckend eingesetzt und laufend weiterentwickelt werden.
- Fraunhofer ISE: Nettostromerzeugung im 1. Halbjahr 2025: Solarstrom europaweit auf dem Vormarsch
- Solarserver.de: Strom-Mix EU: Solarstrom überholt Kohle
- Zeit.de: Solarstrom im Juni wichtigste Energiequelle der EU
- DW.com: Wie Europa seinen Solarboom finanziert
- Agora Energiewende: Agorameter Review: Der deutsche Strommix im März 2025
- ECA.europa.eu: Analyse 01/2025: Das Stromnetz der EU fit machen für Netto Null
- McKinsey: Zukunftspfad Stromnachfrage
- Photovoltaik-Angebotsvergleich.de: Neue Studie: Renewables Power Market Update 2025
- Fraunhofer ISE: Presseinformationen 2025
- Maysun Solar: Was gibt es Neues in der Solarenergie? (März 2025)