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Hitzewelle in Deutschland: Während die Politik schläft, kocht das Land über


Hitzesommer
Die Lage ist todernst

  • Theresa Crysmann
MeinungEin Kommentar von Theresa Crysmann

Aktualisiert am 18.07.2022Lesedauer: 3 Min.
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Rote Karte: Weiten Teilen des Landes steht ein Hitzehoch bevor. (Quelle: t-online)

Die extrem hohen Temperaturen in Deutschland sind schon jetzt tödlich. Doch die Bevölkerung steht mit der Gefahr allein da.

Lebensgefahr für Ältere, Kranke und Kleinkinder: Dass Hitzewellen in der Klimakrise zunehmen, ist eine tödliche Entwicklung. Das gilt besonders für Deutschland, denn hier treffen die glühenden Temperaturen auf 83 Millionen Unvorbereitete.

Der Bevölkerung fehlen Informationen und Schutzmöglichkeiten. Während die Politik schläft, kocht das Land in diesen Tagen über. Schon wieder.

Zur Einordnung: Ab 30 Grad gilt ein Tag offiziell als "heiß", ab 35 Grad spricht man von einem "Wüstentag". Herrschen auch nachts noch mehr als 20 Grad, handelt es sich um eine "Tropennacht". Das Vokabular für Hitzesommer ist also vorhanden – und die erschreckenden Zahlen, die damit zusammenhängen, sind es auch.

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Zehntausende Hitzetote, doch nichts geschieht

Rund 7.000 Hitzetote gab es allein im Sommer 2003. Was lange als absolutes Ausnahmejahr galt, wirkt in der Rückschau wie der bittere Vorgeschmack auf das, was jetzt zur Regel werden dürfte. 2018 war der zweitwärmste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, in Deutschland starben knapp 9.000 Menschen an den Folgen der Hitze. Gerade Herz und Kreislauf drohen bei hohen Temperaturen aufzugeben.

Auch die Folgejahre 2019 und 2020 waren besonders heiß, und die hitzebedingte Übersterblichkeit war hoch. Drei Jahre mit tödlichen Hitzesommern in Folge also – das hatte es bis dahin noch nie gegeben, seit die Zahlen in den frühen 90er Jahren erstmals ausgewertet wurden.

Auch die Wirtschaft leidet

Doch auch wer nicht gleich an den Hitzefolgen stirbt, leidet, wenn das Thermometer mehr als 30 Grad zeigt: Von Konzentrationsschwierigkeiten über Schwindel und Bewusstlosigkeit bis Hitzschlag, nehmen die gesundheitlichen Risiken für die gesamte Bevölkerung zu. Und selbst die Wirtschaft knickt ein.

Seit der Jahrtausendwende sind Industrie und Gewerbe volle neun Milliarden Euro allein durch von der Hitze überlastete Arbeitnehmer verloren gegangen. Die Zahl stammt aus einer aktuellen Studie der Bundesregierung, die diesen Einbruch der Produktivität als Folge des Klimawandels verbucht. Und sich trotzdem nicht um die akute Hitzebelastung im Hier und Jetzt zu scheren scheint.

Verschleppte Hilfe

Es gibt keinen nationalen Hitzeplan, obwohl Ärzteverbände seit Jahren darauf dringen. Die Stellen, auf die man den Bevölkerungsschutz bisher abgeschoben hat, haben ähnlich wenig vorzuweisen. In NRW hat nur die Stadt Köln eine entsprechende Strategie; die Hauptstadt beschäftigt sich mit dem Thema überhaupt erst seit wenigen Wochen in einem frisch berufenen "Aktionsbündnis Hitzeschutz Berlin" – und ist damit den restlichen Bundesländern sogar noch voraus.

Gleichzeitig muss die Gewerkschaft Verdi die Arbeitgeber um längere Pausen und weniger Stunden an extrem heißen Tagen anbetteln. Eine rechtliche Grundlage dafür gibt es nicht, weder für schweißgetränkte Büroangestellte noch für Bauarbeiter und andere, die Sonne und Hitze ungeschützt ausgesetzt sind.

Öffentliche Hitzeschutzräume, wie es sie beispielsweise in Frankreich schon seit der Erfahrung mit dem tödlichen Jahrhundertsommer 2003 gibt? Fehlanzeige. Die Lage ist todernst, doch der Politik merkt man das nicht an. Nicht einmal den einfachsten Schritt schafft die Regierung.

Bevölkerung sich selbst überlassen

Deutschlandweit fragen Plakate der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) die Nation: "Brennt’s im Schritt?" Dass es in jedem Fall auf Haut und Hirn brennt: Nebensache. Wo ist die Aufklärungskampagne für den Hitzesommer, wo sind die TV-Spots? Wer Tipps und Infos braucht, muss sich diese aktiv auf einer separaten Webseite der BZgA suchen. Und kommt anscheinend nie an.

Seit mehr als einem Jahr gibt es dort ein Video mit Ratschlägen für alle Altersgruppen, das gerade einmal 764 Mal angesehen wurde. Die speziellen Tipps für Senioren haben bisher keine 500 Klicks erreicht, das Hitzeschutz-Video für Eltern kleiner Kinder bringt es nicht einmal auf 200 Klicks.

Bei der viel beschworenen Anpassung an die Klimakrise geht der Blick noch immer zu weit in die Ferne. Erst langsam kommt ins Rollen, was längst geplant, finanziert und umgesetzt sein müsste. Bleibt zu hoffen, dass in diesem Hitzesommer nicht wieder Tausende mit ihrem Leben für dieses Versäumnis bezahlen müssen.

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