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Verliebt in den freundlichen und starken Paketboten – lohnt sich ein Flirt?


Kolumne "Lust, Laster und Liebe"
Wenn der Paketbote dreimal klingelt

  • Jennifer Buchholz
MeinungEine Kolumne von Jennifer Buchholz

Aktualisiert am 03.03.2021Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Zusteller: Die meisten Paketboten ahnen, was sich in den Sendungen befindet.Vergrößern des Bildes
Zusteller: Die meisten Paketboten ahnen, was sich in den Sendungen befindet. (Quelle: Drazen Zigic/getty-images-bilder)

Er ist freundlich, stark, trägt eine Uniform und kommt fast jeden Tag zur gleichen Zeit: der Paketbote. Und meiner ist zudem noch unglaublich attraktiv. Oder etwa doch nicht?

In meinem Bezirk arbeitet ein sehr attraktiver Paketbote. Dass er gut aussieht, empfinde nicht nur ich so. Auch viele Frauen in meiner Nachbarschaft interessieren sich ganz offensichtlich für ihn, selbst wenn er ihnen keine Pakete ausliefert. Da der Zusteller jeden Tag fast zur gleichen Zeit kommt, haben einige Anwohnerinnen ihren Alltag sogar angepasst, um ihn bloß nicht zu verpassen.

Das Spektakel beginnt meist eine halbe Stunde, bevor der gelbe Lieferwagen in die Straße einbiegt: Einige Nachbarinnen öffnen ihre Fenster, strecken ihre Köpfe heraus und wandern mit ihren Augen die Straße entlang. Eine Hundebesitzerin stellt sich mit ihrem Dackel vor ihre Haustür und bleibt dort mit emporgestreckter Brust stehen. Fährt der Lieferwagen um die Ecke, fängt sie an, in ihrer Tasche zu kramen, bis das gelbe Mobil vor ihrem Haus hält. Erst jetzt holt sie ihren Schlüssel heraus. Nach einem kleinen Flirt mit dem Paketboten geht sie zurück in ihr Haus – mit einem enttäuschten Hund, der eigentlich Gassi gehen und nicht bloß draußen herumstehen wollte. Eine andere Frau steht immer – auch im Winter – nur mit einem Bademantel bekleidet an ihrem sperrangelweit geöffneten Fenster im Erdgeschoss und bemüht sich, mit dem Mann in der rot-gelben Uniform ins Gespräch zu kommen.

Ja, und auch ich habe mich dabei erwischt, wie ich noch einmal meine Frisur und Kleidung prüfe und den Spiegel befrage, sobald der Lieferwagen vor meiner Haustür hält. Der uniformierte Mann ist eben der kleine Flirt zwischendurch am Home-Office-Arbeitsplatz.

Unerwartet klingelte er bei mir

Aber: Einen ganzen Monat lang habe ich nun schon keine Pakete mehr empfangen und somit von meinem Lieblingsboten nur den uninteressanten Teil gesehen: den Lieferwagen. Manchmal war ich etwas enttäuscht und hoffte, er würde zumindest einmal Pakete für meine Nachbarn bei mir abgeben. Doch nichts passierte.

Dann endlich: Es klingelt an meiner Wohnungstür. Eine Lieferung für mich. Bei der Übergabe lächelt mich der große Mann an und wir halten kurz Smalltalk. Er ist charmant, wie immer. Doch mehr ist da eigentlich nicht. Ich unterziehe ihn noch einmal einem genauen Check: Im Grunde ist er ein durchschnittlich aussehender Mann, der seinen Job scheinbar gewissenhaft und mit Freude ausübt. Mehr aber auch nicht.

Warum wirkt er so anziehend?

Was also macht ihn so interessant? Klar ist, es sind nicht (nur) sein Körperbau und seine charmante Ausstrahlung.

Teilweise ist es auch die Erwartung, die man als Empfänger hat: "Kommt heute mein Paket an?". Dieser Mann in Uniform bringt dann, was man begehrt – wie eine Art Weihnachtsmann, nur eben deutlich attraktiver. Im Gegensatz zum ergrauten Mann mit gemütlichem Bauch und weißem Rauschebart überreicht er allerdings Dinge, die man wirklich wollte – und das mit einem kleinen, charmanten Lächeln. Aus Höflichkeit? Vielleicht schenkt er mir dieses Lächeln aber auch, weil er sehr wohl weiß: In dem Paket verbergen sich erotische Gegenstände. Schließlich kennt der Mann durch seine Berufserfahrung die Tricks gängiger Dessous- oder einschlägiger Sexshops, um Diskretion zu wahren.

Was den Empfänger und den Zusteller näherbringt, ist auch dieses Gefühl, ein eingeschworenes Team zu sein. Er geht diskret mit der Intimsphäre der Empfänger um. Peinliche oder unangenehme Momente bei der Übergabe habe ich mit ihm nicht erlebt. Dieses Gefühl der Sicherheit macht ihn einfach sexy.

Ein weiterer, natürlich etwas kitschiger Aspekt hat wohl auch mit der Corona-Pandemie zu tun. Ausgehen, Veranstaltungen, Flirten in Bars – vieles, wodurch man jemanden kennenlernen konnte, ist gerade unmöglich. Aber hier kommt ein Mann zu mir nach Hause, klingelt und lächelt mich an. Egal, wie ich aussehe, was ich gerade tue oder mit welcher Laune ich die Tür öffne: Er steht vor mir, ist freundlich, geduldig und lässt mich die Sorgen für einen kurzen Moment vergessen.

Das Klingeln einer charmanten, männlichen Person, die zudem noch recht gut aussieht, ist ein kleines Tageshighlight. Es ist schlicht der zwischenmenschliche Kontakt und das Herausreißen aus dem durch die Pandemie eintönigen Alltag, der andere Menschen jetzt besonders interessant macht. Und wahrscheinlich ist es dabei dann auch egal, ob es ein Paketbote, der Lieferservice oder der Nachbar ist.

Jennifer Buchholz, Redakteurin bei t-online.de, schreibt in ihrer Kolumne "Lust, Laster, Liebe" über Liebe, Partnerschaft und Sex.

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