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Warum Fehler machen in der Schule wichtig ist


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Heute schon geirrt? Darum ist das Fehlermachen so wichtig

t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli

01.10.2012Lesedauer: 5 Min.
Viele Erziehungsexperten sind sich einig: Nur durch Fehler lernt man etwas fΓΌrs Leben.
Viele Erziehungsexperten sind sich einig: Nur durch Fehler lernt man etwas fΓΌrs Leben. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Fehler. Mit diesem Wort verbinden viele zunΓ€chst "Scheitern" und "Niederlage". Denn sich zu irren und etwas falsch zu machen - so haben es hierzulande vor allem SchΓΌler verinnerlicht - ist in erster Linie ein beschΓ€mender Makel, fΓΌhrt nicht selten zu schlechten Noten und sollte deshalb um jeden Preis vermieden werden. Gegen diese verbreitete Lernkultur laufen jedoch viele Erziehungswissenschaftler mittlerweile Sturm. Sie plΓ€dieren fΓΌr eine neue WertschΓ€tzung des Fehlermachens in deutschen Klassenzimmern, denn dadurch lerne man fΓΌrs Leben. Nur aus Fehlern wird man bekanntlich klug.

Max geht in die sechste Klasse eines Frankfurter Gymnasiums und hat gerade eine Deutscharbeit zurΓΌckbekommen - leider nur eine vier. Er ist frustriert, denn sein ganzer Aufsatz ist voller Anmerkungen und unzΓ€hlige rote Striche sΓ€umen den Rand. Es wimmelt offenbar von Fehlern und unten hat die Lehrerin notiert: "Dein Ansatz, die Geschichte zu schreiben, ist nicht schlecht, aber du hast zu viele Fehler gemacht. Das muss besser werden."

Bloß nichts falsch machen!

Solche SÀtze in Signalrot sehen Schüler tÀglich in ihren Heften und sie müssen sich auch hÀufig Kritik vom Lehrer anhâren, wenn sie im Unterricht eine Antwort geben, die dieser nicht hâren wollte. Fehler haben offenbar hierzulande in unzÀhligen Schulen keine Daseinsberechtigung. Sie scheinen ein Problem und der Feind des Erfolges zu sein. Denn nach Anzahl der gemachten Fehler wird Leistung bewertet. Das Credo für viele Schüler lautet deshalb: Bloß keinen Fehler machen! Bloß keine dummen Fragen stellen und mâglichst keine falschen Antworten geben!

"Der Fehler ist das Salz des Lernens"

Dass diese Einstellung genau der falsche Weg sei und alles ignoriere, was menschliches Lernen eigentlich ausmache, kritisiert seit Jahren der renommierte Erziehungswissenschaftler, Journalist und Autor Reinhard Kahl. In seiner Publikation "Der Fehler ist das Salz des Lebens", die im Buch "Nur wer Fehler macht, kommt weiter" von Ralf Caspary (Herausgeber) erschien, beschreibt er Fehler nicht nur als notwendige Bedingung des Lernens und der KreativitΓ€t, sondern auch der PersΓΆnlichkeitsbildung. Gerade der Mangel sei doch der Antrieb des Lernens.

Nur durch Fehler lernt der Mensch laufen

Anschaulich macht Kahl dies am Beispiel von Kleinkindern, die laufen lernen: "Ihr Laufen ist zunΓ€chst immer wieder aufgefangenes Fallen. Nur das Spiel mit Sicherheit und Unsicherheit ermΓΆglicht den aufrechten Gang. KΓΆnnte man das Fallen, diesen 'Fehler', vermeiden, niemand kΓΆnnte laufen." Ebenso sei es mit Sprache lernen, so der Erziehungswissenschaftler. Sie sei gleichfalls eine "Expedition durch einen Dschungel voller Unfertigkeiten." Wenn kleine Kinder so die Muttersprache lernten wie in der Schule, nΓ€mlich hauptsΓ€chlich durch die Belehrung von anderen in theoretischen, grammatikalischen Regeln, mit dem Ziel keine Fehler zu machen - kein Mensch kΓΆnnte sprechen.

An deutschen Schulen sind Fehler oft negativ

Obwohl diese Erkenntnis eigentlich einem evolutionΓ€ren Prinzip folgt, dass nΓ€mlich nur ΓΌber Fehler Neues geschaffen wird, verfolgt unser Schulsystem bevorzugt das unflexible "Falsch-Richtig-", beziehungsweise das "Entweder-Oder-Schema", bei dem Fehler auf der negativen Seite verbucht werden. Verschiedene LΓΆsungswege und DenkansΓ€tze, bei denen es vielleicht mehr als eine richtige Antwort gibt, werden dabei nicht angestrebt.

Ein typischer Unterricht sieht deshalb nicht selten so aus: Ein Lehrer steht als Belehrender vor der Klasse, fragt die Kinder nach der LΓΆsung einer Aufgabe. Einige Ideen kommen, aber keine ist "richtig". Deshalb werden sie nicht berΓΌcksichtigt, bis jemand die erwartete Antwort sagt. Der Vorteil dieser Didaktik ist eine gewisse Planbarkeit. Gerade in der verkΓΌrzten achtjΓ€hrigen Gymnasialzeit, wo nicht selten 30 SchΓΌler in der Klasse sitzen, der Frontalunterricht an der Tagesordnung ist, der Lehrplan eng gesteckt ist und Stoff zΓΌgiger als frΓΌher abgehandelt werden muss, kommt es vielen Lehrern zupass, wenn keine zusΓ€tzlichen Fragen gestellt, keine Umwege gegangen und nur lΓΆsungsrelevante Antworten honoriert werden. Hauptsache, das Pensum kann bewΓ€ltigt werden.

"Um-die-Ecke-Denker" sind nicht gefragt

Eine der Folgen dieser fehlervermeidenden PÀdagogik sei das "Bullimielernen" merkt Reinhard Kahl auf seiner Webseite kritisch an. Die Schüler in Deutschland ernÀhrten sich nicht von Fehlern, sondern würden langweilige Standardgerichte mit Aufesszwang serviert bekommen, die sie vertilgten, dann bei Bedarf ausspuckten und schließlich schnell wieder vergessen würden.

Der motivierende "Selber-drauf-kommen-Effekt", das herantastende "Um-die-Ecke-Denken" bleibt so im Schulalltag zu oft auf der Strecke. Auf diese Weise gingen, da sind sich viele Erziehungsexperten einig, Urteils- und Entdeckerkraft verloren. Es seien ja gerade diese Kompetenzen - eigene Wege zu finden, auszuprobieren und vielleicht im Team Lâsungen zu "ertüffteln" -, die spÀter im Berufsleben unter dem Motto "Trial and Error" ohnehin als Motor einer modernen leistungsfÀhigen Gesellschaft relevant sind und vorausgesetzt werden, so die Überzeugung vieler Bildungsforscher. Reinhard Kahl fasst dies so zusammen: "Über Fehler werden unbekannte RÀume erkundet. So werden auch eigene FÀhigkeiten herausgefunden und weiterentwickelt. Fehlerverbote sind demgegenüber Entwicklungsverbote!"

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Fehler fΓΆrdern nachhaltiges Lernen

Dabei gehe es jedoch nie darum alte "dumme" Fehler zu wiederholen, sondern neue intelligente Fehler zu wagen, die zugleich die KreativitÀt und die Lust am Lernen beflügelten. Das ahnte offenbar bereits vor über hundert Jahren der Vater des berühmten Verhaltensforschers und NobelpreistrÀgers Konrad Lorenz, als sein kleiner Sohn ihm bei der Gartenarbeit half und nach dem Namen eines KÀfers fragte. Der Vater hielt sich jedoch mit der Antwort zurück und verkniff sich ein belehrendes Besserwissen. Er ließ stattdessen seinen Sprâssling sein Lernen selbst in die Hand nehmen und in einem Bestimmungsbuch nach dem KÀfer suchen. Dabei stolperte der kleine Entdecker zwar sicherlich über viele "fasche" KÀfer bis er den richtigen schließlich fand. Aber gerade der "fehlerhafte" Weg zur richtigen Lâsung mit "Aha-Effekt" bewirkte das nachhaltige Lernen. Den Name des KÀfers hat Konrad Lorenz wahrscheinlich nie wieder vergessen.

"PISA-LΓ€nder" sind fehlerfreundlich

Eine positive Fehlerkultur wird vor allem in Schulsystemen jener LÀnder gepflegt, die im PISA-Test überdurchschnittlich gut abgeschnitten hatten. Allen voran Finnland, Schweden oder Kanada, wo gerade die Fehlbarkeit als Mâglichkeit gesehen wird, individuell und selbstreguliert zu lernen, ohne den Kindern dabei das Gefühl zu geben etwas falsch zu machen und sie damit unter UmstÀnden auch zu beschÀmen. "Problems are your friends" heißt deshalb das schulische Credo in Kanada, trifft aber ebenso auf die Philosophie der skandinavischen PÀdagogik zu.

Auch in Deutschland gibt es Schulen ohne Fehlerphobie

Aber auch in Deutschland wΓ€chst die Zahl der Schulen, in denen sich "Fehlerfreundlichkeit" durchgesetzt hat, wo Kinder mehr selbst ausprobieren kΓΆnnen und wo "IrrtΓΌmer" als Bereicherung ausdrΓΌcklich erwΓΌnscht sind, weil dahinter vielleicht eine neue Idee steckt. Das ist beispielsweise bei der preisgekrΓΆnten Wiesbadener Helene-Lange-Schule oder bei reformpΓ€dagogischen Einrichtungen wie etwa den Montessori-Schulen der Fall, wo der Lehrer keine Belehrender ist, sondern unterstΓΌtzender PΓ€dagoge, der das Kind bei seiner "Suche" begleitet. Hier versucht nicht mehr der SchΓΌler den Lehrer zu verstehen, sondern umgekehrt. Der Montessori-Leitsatz "Hilf mir, es selbst zu tun", fasst diesen Grundsatz treffend zusammen.

Um die Orientierung der PÀdagogik in Deutschland jedoch diesbezüglich flÀchendeckend umzupolen, ist nicht nur ein Umdenken großer Teile der Lehrerschaft nâtig, sondern es müssten auch kleinere Lerngruppen, mehr LehrkrÀfte, fÀcherübergreifende Projektarbeit, flexible Unterrichtseinheiten und vor allem die dazu nâtigen finanziellen Mittel geschaffen werden - eine Zukunftsperspektive, die sich eines Tages vielleicht im Zuge des Ausbaus der Ganztagsschulen realisieren lÀsst.

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SechstklΓ€ssler Max, der ein "normales" Gymnasium besucht, wΓΌrde sich schon mit kleinen VerΓ€nderungen zufrieden geben: "Ich wΓΌnsche mir", meint er, "dass die Lehrer uns viel ΓΆfter sagen, was wir kΓΆnnen und nicht, was wir nicht kΓΆnnen. Ich fΓ€nde es deshalb cool, wenn in einer Klassenarbeit mal nur die guten und richtigen Sachen mit dem Rotstift markiert werden und die Fehler gar nicht angekreidet werden. Da wΓΌrde ich mich besser fΓΌhlen."

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