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Walter Trummer im Interview: der erfolgreiche Schulversager


Walter Trummer
"Ich war richtig kaputt!" Portrait eines erfolgreichen Schulversagers

t-online, Simone Blaß

28.10.2013Lesedauer: 5 Min.
Walter Trummer verließ nach der neunten Klasse ohne Abschluss die Realschule - heute ist er trotzdem erfolgreicher Leiter mehrerer Privatakademien.Vergrößern des BildesWalter Trummer verließ nach der neunten Klasse ohne Abschluss die Realschule - heute ist er trotzdem erfolgreicher Leiter mehrerer Privatakademien. (Quelle: Walter Trummer; "carriere & more")
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Rund 50.000 Schüler haben 2011 die Schule ohne Abschluss verlassen. Wobei mangelnde Perspektiven nur einen Grund für die Abkehr darstellen. In den meisten Fällen handelt es sich um ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren wie Leistungsprobleme, schwierige familiäre Bedingungen und Konflikte mit Mitschülern. Viele dieser Schüler sind bereits seit der Grundschule "schulmüde", fühlen sich nicht richtig wahrgenommen. Auch Walter Trummer war ein solcher Fall.

Erfolg ohne Abschluss

Auch wenn die Politiker das Thema im Blick haben, die Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Eltern und Ämtern ist trotz aller Bemühungen immer noch nicht gut koordiniert. Eventuelle Maßnahmen gehen an der Persönlichkeit des Kindes beziehungsweise des Jugendlichen vorbei oder greifen erst zu spät.

Die Schule ohne Abschluss zu verlassen und die Kurve dann doch noch zu bekommen, ist nicht einfach, aber möglich. Das beweist so manche prominente Persönlichkeit wie zum Beispiel Joschka Fischer - oder auch der Nürnberger Unternehmer Walter Trummer. Er galt als renitenter Schulversager und trotzdem hat das Thema Schule sein Leben nachhaltig geprägt. Heute ist der 51-Jährige erfolgreicher Leiter mehrerer Privatakademien und arbeitet mit Lernmethoden, die mit denen seiner eigenen Schulzeit nichts gemeinsam haben, aber deutlich erfolgreicher zu sein scheinen. Das Elternportal von t-online.de hat ihn zu einem Gespräch getroffen.

Nur mit Druck funktioniert es nicht

t-online.de: Herr Trummer, Sie haben in der neunten Klasse die Realschule verlassen. Ohne Abschluss. Wie kam es dazu?

Trummer: Mein Zeugnis war dermaßen schlecht und ich war, in den Augen der Lehrer, "verhaltensauffällig", der Klassenkasper. Renitent und nicht lernwillig. Also habe ich die neunte Klasse nicht geschafft, bekam mit einem gestempelten Zeugnis attestiert, dass ich nichts kann. Ich hätte eine Nachprüfung machen können, aber weder die Schule noch ich wollten das. Ich war damals richtig kaputt.

t-online.de: Wie haben Ihre Eltern darauf reagiert?

Trummer: In meinem Elternhaus hat man versucht, mich mit Druck zu motivieren, und das funktioniert nicht bei einem Jugendlichen, der sich schulisch verbrannt fühlt. Letztendlich war Resignation das vorherrschende Gefühl. "Aus dir wird nie etwas werden!" war die gängige Meinung. Heute sind meine Eltern stolz auf das, was ich geschafft habe. Letztendlich wollten sie auch immer nur mein Bestes, aber der Weg war der falsche.

Vom Lehrer gemobbt

t-online.de: Aus Ihrer heutigen Sicht, auch als Vater von drei Kindern, was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, wenn man mehr Schüler vor dem Scheitern bewahren möchte?

Trummer: Ich sehe hier zwei Dinge. Erstens müssten wir die Auswahl unserer Lehrer anders gestalten. Wir brauchen Menschen, die ein pädagogisches Geschick haben und nicht solche, die bewiesen haben, dass sie ein Hauptfach brav studieren können. Und wir müssten in der Lage sein, mit den 20 bis 30 Prozent der Verhaltensauffälligen umzugehen. Zum Beispiel, indem man Sozialpädagogen hinzuholt, die die Klassenlehrer unterstützen. Und ganz wichtig: Es muss uns gelingen, andere Fähigkeiten, die vielleicht im sozialen oder kommunikativen Bereich liegen, zu erkennen. Denn genau das sind die Fähigkeiten, die heute in der Arbeitswelt von Bedeutung sind. Es darf nicht passieren, dass wir junge Menschen unterwegs verlieren, weil wir nicht genau hinsehen.

t-online.de: Heute sind Sie Unternehmer, haben 1996 die Weiterbildungsakademie "Carriere & More" gegründet, betreiben inzwischen bundesweit mehrere Standorte. Hat denn keiner Ihrer damaligen Lehrer die zweifelsohne in Ihnen schlummernden Qualitäten erkannt?

Trummer: Definitiv nein. Leider nicht. Es gab schon Lehrer, mit denen ich gut klargekommen bin. In der Regel waren das die geraden Typen, die mit der natürlichen Autorität. Das waren auch die, die mein komödiantisches Talent mit Humor nehmen konnten. Aber ich hatte Pech, bin an einen Klassenlehrer geraten, der zwei Hauptfächer unterrichtete und es auf mich abgesehen hatte. Er kam mit meinem pubertierenden Selbstbewusstsein nicht klar, arbeitete mit sehr subtilen Mitteln, die man heute als Psychoterror bezeichnen würde. Die Lehrer sind nicht immer schuld. In meinem Fall aber hat gerade diese Lehrkraft enorm viel zum schulischen Scheitern beigetragen. Mich sehr stark unter Druck gesetzt und man kann schon sagen, gemobbt.

Die Kurve bekommen

t-online.de: Das komödiantische Talent, von dem Sie gerade sprachen, hat Sie das letztendlich weitergebracht?

Trummer: Auf alle Fälle. In meinem Beruf ist eine gesunde Mischung zwischen komödiantischem Talent und Rampensau genau richtig. Man muss es mögen, vorne zu stehen und angesehen zu werden, um gut unterrichten zu können.

t-online.de: Aber trotz allen Talents war der Weg zu dem, was Sie heute sind, nicht ganz einfach, oder?

Trummer: Letztendlich hatte ich noch Glück, dass ich eine Ausbildung im Lebensmitteleinzelhandel machen konnte. Auch ohne Zeugnis. Wobei ich auch hier in der Berufsschule zunächst meine gesamte Energie in die Unterhaltung der Klasse gesteckt habe. Doch nach der ersten Beschwerde im Betrieb hat es funktioniert. Da wurde der Ehrgeiz, den vorher keiner in mir erkannt hat, geweckt. Spaß am Umgang mit den Kunden hatte ich schon, jetzt kam noch ein Ziel dazu: Ich wollte Filialleiter werden. Und das habe ich - im wahrsten Sinne des Wortes - fleißig verfolgt.

"Man kann eine Kindheit nicht wiederholen"

t-online.de: Sie sind dann tatsächlich ganz schnell aufgestiegen, waren bereits während der Lehre stellvertretender Filialleiter und später viele Jahre Ausbildungsleiter in Handelsunternehmen.

Trummer: Ja und genau da hatte ich ein einschneidendes Erlebnis. Ich durfte eine Weiterbildung machen in Suggestopädie. Das ist eine ernstzunehmende Wissenschaft, die aus Bulgarien kommt und die besagt, dass auch erwachsene Menschen so lernen sollten wie Kinder: Ganzheitlich. Mit Geschichten, Liedern, Kreativität und Bildern. So speichern sich Lerninhalte ganz anders ab. Als ich das erstmals umgesetzt habe, war das für beide Seiten - die Azubis und mich - eine völlig neue Erfahrung. Wenn Sie einmal erlebt haben, wie lernen gehen kann, wie viel Spaß es machen kann, dann will man nichts anderes mehr.

t-online.de: Weil trotzdem von Ihnen verlangt wurde, die "normalen" Lehrmethoden anzuwenden, haben Sie sich selbstständig gemacht. Heute sagen Sie von sich, dass Menschen zu unterrichten Ihre wahre Leidenschaft sei. Wobei die Menschen, die zu Ihnen kommen, auch nicht immer auf dem geraden Weg die Schul- und Karriereleiter hochgeklettert sind. Glauben Sie, dass es ein Vorteil ist, sich auch in ehemalige "Schulversager" hineinversetzen zu können?

Trummer: Auf jeden Fall, denn ich weiß, was es bedeuten kann, Ziele nicht zu erreichen. Ich weiß, wie das Umfeld darauf reagiert und kann aufgrund meiner eigenen Biografie auch glaubwürdig vermitteln, dass immer alles noch möglich ist. Und gerade bei Kindern und Jugendlichen darf man nie vergessen: Man kann einen Schulabschluss wiederholen, aber niemals eine Kindheit.

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