Wenn Inkassounternehmen Geld von Kindern wollen
Bekommt der Nachwuchs Post von einem InkassobΓΌro, weil er sein Konto beim Shoppen mit der Bankcard ΓΌberzogen hat, fallen Eltern oft aus allen Wolken. Was nun: Die Forderung ganz bezahlen, nur einen Teil oder sie einfach ignorieren? Eine pauschale Antwort gibt es nicht. Eine Expertin der Verbraucherzentrale hat t-online.de aber verraten, wie sich der Schlamassel lΓΆsen lΓ€sst.
Es kostet keine oder kaum GebΓΌhren, ist praktisch und bringt in der Regel sogar moderate Zinsen: Mit der Zustimmung der Eltern kΓΆnnen schon Kinder ab sieben Jahren ein eigenes Bankkonto erΓΆffnen, auf dem sie etwa ihr Taschengeld oder die Finanzspritze von Oma und Opa deponieren.
Jugendkonto ohne Risiko?
Alles ganz sicher, werben die Banken. Auf den ersten Blick ist auch kein Risiko zu erkennen: Die Konten werden auf Guthabenbasis gefΓΌhrt, und regulΓ€re Kreditkarten fΓΌr die jungen Kunden gibt es nicht.
Dabei haben die so genannten Jugendkonten bereits einen Γ€hnlichen Leistungs- und Funktionsumfang wie ein normales Girokonto - inklusive der dazugehΓΆrigen Bankcard. Mit dieser kΓΆnnen die minderjΓ€hrigen Kontoinhaber Geld am Automaten holen, KontoauszΓΌge bekommen - und oft auch im GeschΓ€ft bezahlen.
Bargeldlos eingekauft - Konto ΓΌberzogen
Doch gerade beim Einkaufsbummel handeln sich Jugendliche manchmal erheblichen Γrger ein. Ein fiktives Beispiel: Die 16-jΓ€hrige Susanne hat in einem BekleidungsgeschΓ€ft mit ihrer Bankcard bezahlt und dabei - unbeabsichtigt - ihr Konto ΓΌberzogen.
Ein an sie adressiertes Bankschreiben mit dem Hinweis auf die offene Rechnung und eine Mahnung des GeschΓ€fts ignoriert die SchΓΌlerin. Ihre Eltern zieht sie zunΓ€chst nicht ins Vertrauen, schlieΓlich geht es nur um einen geringen Betrag. Bis der Brief eines InkassobΓΌros im Briefkasten landet - mit einer Forderung, die den Preis des neuen Outfits deutlich ΓΌbersteigt.
Jetzt weiht Susanne ihre Mutter ein - und die ist empΓΆrt: Ein Inkassounternehmen will Geld von ihrer minderjΓ€hrigen Tochter? Ist Susanne ΓΌberhaupt geschΓ€ftsfΓ€hig, und wie kommt es, dass sie im GeschΓ€ft anstandslos die Ware erhalten hat, obwohl nicht genug Geld dafΓΌr auf dem Konto war?
MinderjΓ€hrige sind beschrΓ€nkt geschΓ€ftsfΓ€hig
TatsΓ€chlich sind VertrΓ€ge mit MinderjΓ€hrigen nicht so ohne Weiteres wirksam. GrundsΓ€tzlich aber gilt nach den Angaben der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: Kinder zwischen sieben und 17 Jahren sind bereits beschrΓ€nkt geschΓ€ftsfΓ€hig und kΓΆnnen VertrΓ€ge schlieΓen, wenn β¦
- Eltern und gegebenenfalls das Vormundschaftsgericht dem Vertrag zustimmen,
- der Vertrag unter den "Taschengeldparagrafen" 110 BGB fΓ€llt,
- der Vertrag nur rechtliche Vorteile fΓΌr den MinderjΓ€hrigen bringt,
- der Jugendliche mit Einwilligung seiner Eltern in einem ArbeitsverhΓ€ltnis steht und der Vertrag sich darauf bezieht.
Kinder kΓΆnnen ΓΌber Taschengeld frei verfΓΌgen
Der "Taschengeldparagraf" besagt, dass MinderjΓ€hrige ΓΌber sieben Jahre ΓΌber ihr Taschengeld oder Geld, das sie fΓΌr einen bestimmten Zweck bekommen haben, frei verfΓΌgen kΓΆnnen - also damit einkaufen dΓΌrfen, ohne die Eltern fragen zu mΓΌssen. Ob das Geld im Sparschwein steckt oder auf einem Bankkonto liegt, spielt keine Rolle.
Wichtig hingegen ist, dass der MinderjΓ€hrige die Leistung, zu der er sich per Vertrag verpflichtet hat, direkt erbringen muss. Die Wirksamkeit von VertrΓ€gen, die darΓΌber hinaus gehen, hΓ€nge von der Zustimmung beider Eltern ab, so die VerbraucherschΓΌtzer. Liege die Einwilligung nicht vor, sei der Vertrag "schwebend unwirksam".
Fest steht: Susannes Eltern hatten ihren budgetsprengenden Einkauf per Bankcard nicht abgesegnet. Aus dem Schneider ist die 16-JΓ€hrige damit trotzdem nicht. FΓ€lle wie dieser umfassten immerhin drei Ebenen, analysiert eine Juristin der Verbraucherzentrale Hessen Susannes Finanzdilemma fΓΌr t-online.de. Darin involviert seien neben der Jugendlichen deren Bank, das GeschΓ€ft sowie das Inkassounternehmen.
Bezahlen mit Bankcard und Unterschrift birgt Gefahr
Das steckt hinter dem Kontodesaster: Beim Kauf per Lastschriftverfahren mit Unterschrift ohne Eingabe der Geheimzahl/PIN wird nicht kontrolliert, ob das belastete Konto ausreichend gefΓΌllt ist. Rutscht es in die roten Zahlen, gibt die Bank die Lastschrift in der Regel zurΓΌck, weist den KontoΓΌberzieher auf den Zahlungsausfall hin und fordert ihn auf, den ausstehenden Betrag im GeschΓ€ft oder per Γberweisung zu bezahlen.
Die Rechnung wird grΓΆΓer
Passiert das nicht, wird das GeschΓ€ft entweder einen zweiten Lastschriftversuch starten oder gleich eine Mahnung versenden. Bekommt es sein Geld daraufhin immer noch nicht, wird der Laden ein InkassobΓΌro einschalten. Das fordert dann eine saftig erhΓΆhte Summe ein: Am Ende werden laut der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen die Kosten fΓΌr die Anforderung der Kundenadresse von der Bank, die Zustellung der Mahnung, MahngebΓΌhren und die Auslagen fΓΌr die Beauftragung eines InkassobΓΌros auf die ursprΓΌngliche Rechnung aufgeschlagen.
Inkassobrief nicht ignorieren
Ignorieren sollten Eltern die Inkassopost deshalb auf keinen Fall. Am besten wird jedoch individuell festgestellt, wer wie viel zahlen muss oder nicht. Die Fachfrau rΓ€t, so schnell wie mΓΆglich mit allen Beteiligten zu kommunizieren. Dazu gehΓΆrten unbedingt offene GesprΓ€che mit dem Kind. In einer Antwort auf die Inkassoforderung kΓΆnnten Eltern diese zunΓ€chst ablehnen und zugleich darauf hinweisen, dass das Kind minderjΓ€hrig sei und ohne ihre Einwilligung eingekauft habe.
AuΓerdem sollten sie sich vergewissern, dass das Unternehmen wirklich mit dem Eintreiben des Geldes beauftragt wurde - und von wem, betont die VerbraucherschΓΌtzerin. UnseriΓΆse "schwarze Schafe" der Branche lieΓen sich so schnell herausfiltern.
Genaue Informationen einholen, Bankvertrag checken
DarΓΌber hinaus empfiehlt die Rechtsspezialistin, weitere Detailinformationen vom InkassobΓΌro zu verlangen: Wer hat wann was gekauft, und wer hat den Kauf wie bewilligt? Es gehe dabei darum, den Rechtsgrund und die genaue HΓΆhe der Forderung in Erfahrung zu bringen, so die Fachfrau.
Das Kleingedruckte lesen
ZusΓ€tzlich sollten Betroffene mit dem GeschΓ€ft und der Bank Kontakt aufnehmen und gemeinsam klΓ€ren, ob ein Kaufvertrag zwischen Laden und Kind rechtswirksam zustande kam. Eltern kommen nicht darum herum, den Vertrag zum Jugendkonto des Kindes und die darin enthaltenen Nutzungsbedingungen der Bankcard grΓΌndlich zu checken.
Pauschal zu beurteilen, wer zahlen beziehungsweise haften mΓΌsse, sei wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der VertrΓ€ge Γ€uΓerst schwierig, fasst die Expertin zusammen.
Verbraucherzentrale kann helfen
Die Banken selbst rΓ€umen ein, dass manche VertrΓ€ge beispielsweise Klauseln enthalten, die eine geringfΓΌgige Γberziehung des Kontos im Ausnahmefall zulassen. In anderen VertrΓ€gen wiederum seien die Einwilligungsklauseln sehr generell formuliert und kΓΆnnen damit unwirksam sein, warnen die Verbraucherzentralen. Um sich nicht allein durch den Vertragsdschungel kΓ€mpfen zu mΓΌssen, kΓΆnnen Betroffene natΓΌrlich auf eine professionelle Rechtsberatung zurΓΌckgreifen. Fachkundige UnterstΓΌtzung bieten auch die Verbraucherzentralen vor Ort. Jedem ist aber sicher klar: An der RΓΌckgabe der Ware fΓΌhrt meist kein Weg vorbei.
Angebote der Bank sorgfΓ€ltig prΓΌfen
Von Anfang an auf der sicheren Seite sind Eltern, die sich bereits bei der ErΓΆffnung des Kinderkontos mit den Details der Vertragsbedingungen umfassend beschΓ€ftigen und die Sicherheitsversprechen der Finanzinstitute kritisch hinterfragen. Die Jugendlichen selbst kΓΆnnen ebenfalls vorbeugen - indem sie den Stand ihres Kontos prΓΌfen, bevor sie an der Kasse die Bankcard zΓΌcken, und auch das mΓΆglichst nur in GeschΓ€ften, die beim Bezahlvorgang die PIN abfragen.
Wer dennoch in die Miesen geraten ist, spricht am besten schon beim ersten Brief der Bank mit Mama oder Papa - um das Problem mΓΆglichst rasch und ohne zusΓ€tzliche Kosten aus der Welt zu schaffen.