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Klima-Kleberin der "Letzten Generation" droht lange Haftstrafe – sie will nicht zahlen


40-mal Straßen blockiert
Klimaaktivistin droht lange Gefängnisstrafe

Von Yannick von Eisenhart Rothe

10.11.2022Lesedauer: 3 Min.
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Sonja M. (links) bei einer Straßenblockade (Archivbild): Sie weigert sich, Geldstrafen zu bezahlen.Vergrößern des Bildes
Sonja M. (links) bei einer Straßenblockade (Archivbild): Sie weigert sich, Geldstrafen zu bezahlen. (Quelle: "Letzte Generation")

Eine Klimaaktivistin der "Letzten Generation" wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Doch zahlen will sie nicht – und muss daher wohl ins Gefängnis.

Eine Klimaaktivistin der "Letzten Generation" ist wegen der Beteiligung an einer Straßenblockade in Berlin vom Amtsgericht Tiergarten zu einer Geldstrafe von 1.000 Euro verurteilt worden. Da sie aber angekündigt hat, Geldstrafen nicht bezahlen zu wollen und weil noch etliche weitere Verfahren gegen sie laufen, droht Sonja M. eine lange Haftstrafe. Sie werde kein Geld an den Staat bezahlen und so "das fossile Weiter-so mitfinanzieren", sagte die Frau. Lieber gehe sie ins Gefängnis.

Bei dem Prozess am Donnerstag wurde M.s Beteiligung an einer Autobahnblockade im Februar 2022 verhandelt. Dabei hatte sie, wie sie vor Gericht zugab, ihren nackten Fuß an eine Autobahnabfahrt der A100 am Spandauer Damm geklebt. Gegen einen Strafbefehl hatte sie Einspruch eingelegt, deshalb kam es zur Gerichtsverhandlung.

Bereits zu Beginn des Prozesses sagte M. aus, dass sie bisher sechs Strafbefehle über insgesamt etwa 10.000 Euro erhalten habe. Das entspreche etwa 250 Tagessätzen von verschiedener Höhe. Wenn M. die Strafen nicht bezahlt, müsste sie also 250 Tage ins Gefängnis. Diese Zahl dürfte aber noch deutlich steigen: Nach eigenen Angaben war sie bislang an etwa 40 Straßenblockaden beteiligt.

Rechtfertigt der Klimanotstand die Straßenblockaden?

Während der Verhandlung versuchten M. und ihr Anwalt Mathis Bönte in langen Ausführungen, die Straßenblockaden der "Letzten Generation" als notwendige Maßnahme im Kampf gegen die Klimakrise zu rechtfertigen. M., Mitte 40, hauptberuflich Kirchenmusikerin und Mutter einer 15-jährigen Tochter, benutzte immer wieder die Analogie des Feuermelders. Sie zählte auf, mit welchen legalen Mitteln des Protests sie jahrzehntelang versucht habe, etwas zu erreichen. Jetzt schlage sie lauter Alarm, weil sie angesichts der Klimakatastrophe keine andere Möglichkeit sehe.

Bönte versuchte, mit Verweis auf Paragraf 40 des Strafgesetzbuchs einen Freispruch für seine Mandantin zu erreichen. Dieser bezieht sich auf den sogenannten "rechtfertigenden Notstand". Wer eine Tat in einer "nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib und Leben" begeht, um diese Gefahr abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig. Das sei bei den Straßenblockaden angesichts der Klimakrise der Fall, so Bönte.

In Prozessen zu Klimaaktivismus ist das keine neue Argumentation. Und sie ist nicht komplett abwegig, wie etwa ein Urteil zeigt, das kürzlich in Flensburg gefällt wurde. Das dortige Amtsgericht sprach einen Baumbesetzer vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs frei, obwohl es diesen als erwiesen ansah. Begründung: Der Klimaschutz als höheres Rechtsgut habe die Baumbesetzung gerechtfertigt.

Richterin überrascht mit Ratschlag zu Wasserbüffeln

Die Richterin am Amtsgericht Tiergarten folgte dieser Argumentation nicht und verurteilte M. zur Zahlung von 40 Tagessätzen von je 25 Euro. Damit übertraf sie sogar die vom Staatsanwalt geforderten 30 Tagessätze. Die Aktionen seien nicht durch den Notstand rechtfertigt, weil sie nicht eindeutig zu seiner Beseitigung beitragen würden, so die Richterin. "Um in ihrer Analogie zu bleiben: Ein Feuermelder hilft gegen einen Brand gar nichts. Es muss gelöscht werden", sagte sie an die Angeklagte gerichtet.

Die Richterin ging noch weiter: "Was Sie erreichen, ist eine Spaltung der Gesellschaft, ist blinder Hass." Die "Letzte Generation" nehme mit ihren Blockaden "Hunderte Autofahrer in Geiselhaft." Dann überraschte sie mit einem Tipp: Sie habe vor Kurzem einen Beitrag über die Wichtigkeit von Moorgebieten für den Klimaschutz gesehen, und wie diese mit Wasserbüffeln bewirtschaftet würden. "Meine Empfehlung: Machen Sie in Wasserbüffel. Da können Sie wirklich was erreichen", sagte die Richterin. Die Angeklagte und ihre Unterstützer im Zuschauerraum reagierten mit Kopfschütteln.

Im Gespräch mit t-online bezeichnete M. das Urteil im Anschluss als "Quatsch". Das Gericht sei nicht auf die notwendige Bekämpfung der Klimakrise eingegangen. Ihr Entschluss, lieber ins Gefängnis zu gehen als Strafe zu zahlen, stehe fest. Das habe sie auch ihrer 15-jährigen Tochter gesagt. "Sie findet das nicht gut, ich auch nicht. Aber ich sehe gerade keine andere Möglichkeit", sagte M.

Verwendete Quellen
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