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Berlin: Eklat bei Prozess – Mutter von toter Anissa "Mörderin" genannt


Eklat vor Gericht
"Mörderin": Mutter von getöteter Anissa attackiert

Von Yannick von Eisenhart Rothe

28.09.2023Lesedauer: 3 Min.
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Polizeifahrzeuge vor dem Gerichtsgebäude in Moabit:Vergrößern des Bildes
Polizeifahrzeuge vor dem Gerichtsgebäude in Moabit: Der Einlass wurde vorübergehend gesperrt. (Quelle: Yannick von Eisenhart Rothe)

Gökdeniz A. soll die kleine Anissa in Pankow getötet haben. Vor Gericht wurde jetzt die Mutter des Opfers attackiert und beschimpft.

Ein Verhandlungstag im Prozess um die Tötung der fünfjährigen Anissa ist in einem Eklat geendet. In einer Pause gingen zwei Gruppen aufeinander los. Sie hatten zuvor im Publikum gesessen.

Laute Schreie hallten durch das Treppenhaus des altehrwürdigen Gerichtsgebäudes in Berlin-Moabit. Mehrere Frauen gingen auf die Mutter des Opfers los, die im Prozess als Nebenklägerin auftritt. Sie schubsten die Frau zu Boden, rissen ihr teilweise das Kopftuch herunter und bezeichneten sie als "Mörderin" und als "Hure". Unterstützerinnen der Mutter verteidigten diese gegen die Vorwürfe.

Justizbeamte eilten herbei, um die Situation zu beruhigen. Die beteiligten Personen wurden aus dem Gerichtsgebäude gebracht, wo sie weiter stritten. Mehrere Polizeiwagen rückten an. Der Eingang zum Gericht wurde vorübergehend gesperrt. Der Prozess wurde unterbrochen und wird an einem anderen Tag fortgesetzt.

Vorwürfe gegen die Mutter der Getöteten

Die fünfjährige Anissa wurde im Februar im Bürgerpark Pankow durch Messerstiche so schwer verletzt, dass sie kurz darauf im Krankenhaus starb. Der zwanzigjährige Gökdeniz A. soll der Täter sein. Seit August steht er wegen Totschlags vor Gericht. Er ist ein Bekannter der Familie, der gelegentlich auch auf Anissa und ihre drei jüngeren Geschwister aufgepasst haben soll – wie auch am Tattag. Mehr zum mutmaßlichen Tathergang lesen Sie hier.

Bei der Verhandlung am Donnerstag zeigte sich, dass es offenbar zwei Gruppen gibt, die den Prozess beobachten. Eine Gruppe gehört zum Umfeld der Opfermutter und hält zu ihr. Eine andere Gruppe, zu der offenbar auch Verwandte des Angeklagten gehören, gibt der Mutter mindestens eine Mitschuld am Tod ihrer Tochter. Sie werfen ihr vor, ihre Kinder vernachlässigt zu haben.

Von Vernachlässigung sprach auch ein Zeuge, der am Donnerstag aussagte. Er war zum Tatzeitpunkt der Partner der Tante von Anissa und verbrachte einige Zeit im Haushalt der Familie. Er warf der Mutter vor, ihre Kinder geschlagen und angeschrien zu haben. Außerdem habe sie die Verantwortung für diese häufig auf andere übertragen, um auszugehen. Etwa auf ihre Schwester, oder auf Gökdeniz A. An einem früheren Prozesstermin hatten Sozialarbeiter, die mit der Familie gearbeitet hatten, bereits berichtet, dass die alleinerziehende Mutter mit ihren vier Kindern überfordert gewesen sei.

"Es ist eine unglaublich tragische Geschichte"

Zuvor war die Jugend des Angeklagten Gökdeniz A Thema der Verhandlung. Von der 5. bis zur 10. Klasse besuchte er eine sonderpädagogische Förderschule. Die Schulleiterin und zwei ehemalige Klassenlehrerinnen sagten als Zeuginnen aus. Sie berichteten von einem Kind mit massiver Entwicklungsverzögerung und verminderter Intelligenz. Er sei schlecht in der Schule gewesen, Mitschüler hätten ihn kaum akzeptiert und häufig ausgenutzt. Besonders aggressiv sei er aber nie gewesen, sagten die Pädagoginnen. "Es ist eine unglaublich tragische Geschichte", sagte die Schulleiterin.


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"Wir haben unser Bestes gegeben. Aber er ist uns entglitten."


Schulleiterin der ehemaligen Schule des Angeklagten


Laut den Aussagen der Lehrerinnen wurde Gökdeniz A. von seinen Eltern zwar mit Nahrung versorgt, aber emotional vernachlässigt. Die Zusammenarbeit mit ihnen sei schwierig gewesen. Die Schulleiterin berichtete, sie hätten den Eltern immer wieder nahegelegt, dass ihr Sohn eine psychologische Therapie brauche. Diese hätten das aber abgelehnt. In der Pubertät sei A. immer schwerer zugänglich gewesen. Immer seltener sei er überhaupt zur Schule gekommen. "Wir haben unser Bestes gegeben. Aber er ist uns entglitten."

Teil des Prozesses gegen A. ist auch eine psychologische Gutachterin. Das Gericht muss die Frage beantworten, ob A. angesichts seiner kognitiven Einschränkungen überhaupt schuldfähig ist. Das Motiv des mutmaßlichen Täters ist bisher völlig unklar. Ein Sexualverbrechen wird ihm nicht vorgeworfen.

Der Prozess gegen A. wird am 4. Oktober fortgesetzt. Insgesamt sind bis zum 10. November noch vier Verhandlungstage angesetzt.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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