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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Aufarbeitung der Kolonialzeit Nettelbeckplatz im Wedding: Umbenennung verzögert sich

Im Wedding kämpfen Initiativen um die sogenannte Dekolonialisierung. Dazu gehört auch die Umbenennung von Plätzen, die nach Kolonialherren benannt sind. Aber es gibt Probleme bei der Umsetzung.
"Gustav Nachtigal", "Adolf Lüderitz" und "Carl Peters": Diese Namen sind in den vergangenen Jahren aus dem Berliner Stadtbild verschwunden. Der Grund: Die Straßen waren nach Männern benannt, die in der Zeit des Kolonialismus zum Teil schwere Verbrechen verübt haben.
Bereits seit Jahrzehnten versuchen Initiativen, Plätze und Straßen in der Hauptstadt zu dekolonialisieren, also sich von bis heute bestehenden Strukturen aus der Kolonialzeit zu lösen. Im Berliner Ortsteil Wedding findet sich ein aktuelles Beispiel. Im Januar wurde die Umbenennung des Nettelbeckplatzes nahe dem S-Bahnhof Wedding von der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beschlossen.
Hürden: Umbenennung erst im September geplant
Namensgeber Joachim Nettelbeck soll im 18. und 19. Jahrhundert Obersteuermann von Versklavungsschiffen und Befürworter von der Errichtung von Kolonien gewesen sein. Bürger konnten Vorschläge für den neuen Namen einreichen. Die Entscheidung: Künftig soll er Martha-Ndumbe-Platz heißen. Ndumbe war eine schwarze Frau im frühen 20. Jahrhundert in Berlin-Mitte, die unter Diskriminierung und Ausgrenzung litt. Im Februar 1945 starb sie im Konzentrationslager Ravensbrück. In dem Beschluss zur Umbenennung stand, die offizielle Einweihung soll noch im Frühjahr 2025 erfolgen.
Noch ist aber nichts passiert: "Eine Umbenennung des Nettelbeckplatzes bereits im Frühjahr 2025 konnte nicht realisiert werden", teilte eine Sprecherin des Bezirksamtes Mitte t-online mit. Demnach seien den Mitgliedern des Bezirksparlaments die konkreten amtlichen Abläufe nicht bis ins Detail bekannt gewesen. Daher komme es in diesem Fall zu "recht ambitionierten Terminstellungen".
Trotz der Verzögerung steht der Umbenennung des Nettelbeckplatzes offenbar nichts mehr im Weg. Die offizielle Einweihung des Platzes könne voraussichtlich "nach der parlamentarischen Sommerpause im September erfolgen". Einzig ein Widerspruch von Anwohnern könne das noch verhindern. Da es aber keine Postadresse "Nettelbeckplatz" gibt, sei das eher unwahrscheinlich.
Streit und Klagen gegen Umbenennung der Mohrenstraße
Bei Versuchen, Straßen und Plätze umzubenennen, kommt es wiederholt zu Verzögerungen. Die Umbenennung der Berliner Mohrenstraße in die Anton-Wilhelm-Amo-Straße ist schon seit Jahren Anlass für Diskussionen. Die Maßnahme verzögert sich hauptsächlich wegen zahlreicher Widersprüche und laufender Gerichtsverfahren.
Nach dem offiziellen Beschluss gingen über 1.100 Widersprüche beim Bezirksamt Mitte ein, von denen jedoch nur etwa 30 tatsächlich von Anwohnern stammten. Dennoch mussten alle Einsprüche geprüft werden, was zu erheblichem Verwaltungsaufwand führte.
Zusätzlich reichten einige Anwohner Klage ein. Nachdem das Verwaltungsgericht Berlin diese im Juli 2023 abgewiesen und die Umbenennung für rechtmäßig erklärt hatte, legten die Anwohner Berufung am Oberverwaltungsgericht ein. Solange das Verfahren nicht abgeschlossen ist, kann die Straße nicht umbenannt werden.
Diese Straßen tragen bereits andere Namen
Im Afrikanischen Viertel wurden gleich mehrere Straßen umbenannt. So wurde die Lüderitzstraße 2022 in Cornelius-Fredericks-Straße umbenannt – nach einem namibischen Widerstandskämpfer gegen die deutsche Kolonialherrschaft.
Auch der Nachtigalplatz wurde umbenannt und heißt nun Manga-Bell-Platz, zu Ehren von Emily und Rudolf Duala Manga Bell, die sich gegen die deutsche Besatzung in Kamerun auflehnten. Ebenso wurde die Petersallee, ursprünglich zu Ehren des Kolonialpolitikers Carl Peters benannt, in zwei Abschnitte geteilt. Einer davon trägt jetzt den Namen Anna-Mungunda-Allee, benannt nach einer namibischen Freiheitskämpferin.
- Antwort vom Bezirksamt Mitte (per Mail eingegangen)
- tagesspiegel.de: "Nach Klagen von Anwohnern: Umbenennung der Mohrenstraße in Berlin-Mitte zieht sich hin"