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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Super Recognizer" bei der Polizei Berlin "Ein Gesicht, das ich sehe, bleibt mir im Kopf"

Seit einigen Jahren werden sogenannte "Super Recognizer" durch die Polizei in Deutschland eingesetzt. In Berlin wurde dafür eine Dienststelle geschaffen – in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft.
"Super Recognizer" sind Einsatzkräfte, die sich überdurchschnittlich gut Menschen einprägen und sie auch nach längerer Zeit wiedererkennen können. Claudia ist Leiterin der neuen "Super Recognizer"-Dienststelle beim Landeskriminalamt Berlin. Sie hat diese besondere Fähigkeit. "Ein Gesicht, das ich sehe, bleibt bei mir im Kopf." Sie muss anonym bleiben, um bei Einsätzen nicht identifiziert werden zu können.
Ihre Begabung – die man nicht erlernen kann – zu erklären, falle ihr schwer. "Es ist sofort der erste Blick in ein Gesicht – in dem Moment ist eigentlich schon alles passiert", sagt sie. Schon als Kind habe sie festgestellt, dass sie sich Gesichter gut merken könne. "Für mich war das aber normal", so die Polizistin. "Dennoch werden wir ein wenig als Alien betrachtet."
"Super Recognizer": Hilfe bei Überfall auf Geldboten
Als eine von insgesamt fünf "Super Recognizern" beim Berliner Landeskriminalamt (LKA) hilft Claudia mit ihrer besonderen Fähigkeit bei der Aufklärung von Straftaten. Die Einsatzkräfte werden bei Ermittlungen – von Ordnungswidrigkeiten bis zu Kapitalverbrechen – polizeiintern um Unterstützung gebeten, um gezielt auf die Spur von möglichen Verdächtigen zu gelangen. "Super Recognizer" arbeiten mit Material aus Überwachungskameras, Posts in den sozialen Medien oder im operativen Einsatz.
Geholfen hat Claudias Gabe etwa bei der Aufklärung eines Überfalls auf Geldboten im Januar 2020 in den Neukölln Arcaden. Damals hatte der 22-jährige Giuseppe T. mit zwei weiteren Personen unter Einsatz von Pfefferspray Geldkassetten im Wert von 166.000 Euro geraubt. Mehrere Überwachungskameras nahmen die Tat auf.
Mithilfe von verwackelten und verschwommenen Bildern konnte die "Super Recognizerin" T. identifizieren – und so die Ermittlungen in die entscheidende Richtung lenken. Ein Blick auf die Kinngrübchen und die leicht vorgewölbte, kleine Mundpartie wurden dem 22-Jährigen zum Verhängnis. T. wurde später zu acht Jahren Haft verurteilt.
Projekt der Polizei Berlin wurde wissenschaftlich begleitet
Damit das "Super Recognizer"-Team entstehen konnte, führte die Polizei ab Mai 2023 intern eine rund zweijährige Testphase durch. Man schaute, wer als "Super Recognizer" infrage kommt. Etwa 1.500 von insgesamt rund 18.500 Beamten in der Hauptstadt machten schließlich mit. In den Tests sollten die Teilnehmer unter anderem Gesichter am Computer in verschiedenen Situationen und Schwierigkeitsgraden erkennen.
Begleitet wurde das Projekt von der Neurowissenschaftlerin Meike Ramon von der Bern University of Applied Science. Nach ihren Angaben handelt es sich um den weltweit einzigen Test mit authentischem Polizeimaterial. Das Testverfahren sei wissenschaftlich valide und transparent. Die Zusammenarbeit von Polizei und Ramon helfe, die Fähigkeiten der "Super Recognizer" besser zu verstehen.
Bei dem Test stellte man laut dem stellvertretenden LKA-Chef Stefan Redlich fest, dass 22 Polizisten die Fähigkeiten eines "Super Recognizers" besitzen. Fünf von ihnen werden nun hauptamtlich im LKA eingesetzt, der Rest könnte nach Bedarf hinzugezogen werden.
Durchschnittlich 82 Aufträge im Monat
Auch andere Bundesländer sind laut Redlich an dem Testverfahren interessiert. Da es im Rahmen eines Forschungsprojektes entstand, sei die Weitergabe aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Berlin plane darum eine Neuauflage.
Im laufenden Jahr gab es durchschnittlich 82 Aufträge monatlich an die neue Dienststelle der "Super Recognizer", im vergangenen Jahr waren es 94 Aufträge im Monat. Die Abteilung sei gut ausgelastet, so die Behörde.
Das weiß auch Claudia. Sie habe in ihren 30 Jahren bei der Polizei viele Menschen gesehen und kennengelernt. Die Möglichkeit, eine Person einer Situation oder einer Straftat zuordnen, werde dadurch immer größer. "Da fängt es dann an, im Kopf zu rattern", so die Polizistin.
- Teilnahme der Pressekonzerenz der Polizei Berlin zu "Super Recognizern" am 18. Juni 2025
- Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
- Frühere Artikel über "Super Recognizer" auf t-online.de