Düsseldorf Neues Lagebild: Ausmaß der Clan-Kriminalität gestiegen

Das von der Polizei registrierte Ausmaß der Clan-Kriminalität ist in Nordrhein-Westfalen deutlich angestiegen. Das geht aus einem neuen Lagebild hervor, das NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Montag in Düsseldorf vorgestellt hat.
Gegenüber dem bundesweit ersten Clan-Lagebild aus dem Vorjahr stieg die Zahl der Straftaten um 12,7 Prozent und die der Verdächtigen mit Clan-Hintergrund um 13,4 Prozent. Auch die Zahl der kriminellen Familienclans ist größer geworden: Inzwischen gehen die Ermittler in NRW von 111 kriminellen Clans aus. Im Vorjahr waren es 104.
Da die Polizei im Gegensatz zum Vorjahr inzwischen auch Verkehrsdelikte von Clan-Angehörigen mitzählen, ergeben sich dadurch sogar Steigerungen der Straftaten- und Verdächtigenzahlen von je rund einem Drittel. Für 2019 führen die Ermittler nun 3800 Verdächtige und 6100 Straftaten mit Clan-Hintergrund auf.
Obwohl es sich um Clans mit türkisch-arabischem Hintergrund handelt, stieg der Anteil der Verdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit von 36 auf 51 Prozent, gefolgt von Libanesen mit 17 Prozent und Türken mit 12 Prozent. Etliche Verdächtige hätten auch zwei Staatsbürgerschaften.
Hochburg der kriminellen Clan-Aktivitäten wie Raub, Erpressung und Straftaten gegen das Leben sei die Ruhrgebietsstadt Essen. 70 Prozent der Taten spielten sich in einem Radius von fünf Kilometern um den Wohnort der Verdächtigen ab.
Das Spektrum reiche von Zwangsprostitution, Drogenhandel, illegalen Glücksspielautomaten bis zu betrügerischen Schlüsseldiensten.
Inzwischen habe jedes fünfte Verfahren gegen die Organisierte Kriminalität in NRW einen Clan-Bezug. Der mutmaßliche Tatertrag liege in diesen Fällen bei 6,4 Millionen Euro. 1,4 Millionen Euro seien abgeschöpft worden.
Bei Verfahren wegen Drogenhandels gegen Clan-Mitglieder seien unter anderem drei Kilogramm Heroin sichergestellt worden. Im vergangenen Jahr kam es bei Ermittlungen gegen Clans zu 570 Festnahmen.
Am vergangenen Wochenende waren bei einer Razzia gegen Clan-Kriminalität in sechs NRW-Städten 1500 Polizisten im Einsatz. Reul warnte vor Vorverurteilung: "Viele Menschen, die einen der Clan-Namen als Familiennamen tragen, leben ohne Fehl und Tadel", sagte er. Der NRW-Innenminister verteidigte die aufwendigen Polizeimaßnahmen zugleich als "Strategie der 10 000 Nadelstiche". "Clan-Kriminalität ist keine Kleinkriminalität", sagte Reul erneut.
"Das Lagebild ist enttäuschend. Bisher ist kein einziger Boss verhaftet worden", kritisierte der SPD-Fraktionsvizechef im Landtag, Sven Wolf. "Innenminister Reul darf sich nicht nur auf die Laufburschen konzentrieren. Er muss endlich auch bei den Bossen an der Tür klingeln und ihnen den Geldhahn zudrehen."
Die Deutsche Polizeigewerkschaft begrüßte das Vorgehen gegen die Familienclans. "Die Ergebnisse der Razzien sprechen für sich und hinterlassen einen nachhaltigen Eindruck", so Landeschef Erich Rettinghaus.
Es sollte aber auch in Deutschland eine Obergrenze für Bargeldgeschäfte eingeführt werden, wie es sie schon lange in anderen EU-Ländern gebe. Auch die Vorratsdatenspeicherung und und eine genauere Funkzellenauswertung wären hilfreich.
"Um die Macht der Clans über ganze Stadtteile zu brechen, brauchen wir einen sehr langen Atem" der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens. Der Großteil der in NRW lebenden Clan-Mitglieder sei bereits vor über 30 Jahren nach NRW gekommen, ohne sich jemals zu integrieren.