Landgericht Bielefeld Prozess um Blutrache: Angeklagte schweigen zum Prozessstart
Ihr Bruder wurde in der Innenstadt von Bielefeld mit 16 Schüssen getötet. Monate später sollen sie selbst zu Waffen gegriffen haben, um Rache an der Familie des Täters zu üben.
Zum Prozessstart am Landgericht Bielefeld um eine mutmaßliche Blutrache äußerten sich die beiden Angeklagten bislang nicht. Die Anklage wirft einem Geschwisterpaar versuchten Mord vor. Bruder und Schwester sollen im Februar 2025 nach einem Verhandlungstag im Prozess um den Mord an ihrem Bruder, dem ehemaligen Profiboxer Besar Nimani, auf Angehörige des damals Angeklagten außerhalb des Gerichtsgebäudes geschossen haben.
Dabei wurden vier Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt. Darunter waren drei Angehörige eines im April wegen heimtückischen Mordes verurteilten 34-Jährigen. In einem Brief aus der Untersuchungshaft an seine Familie hatte der jetzt Angeklagte 41 Jahre alte Bruder von Nimani angegeben, dass er durch seine Schüsse nicht töten, sondern nur verletzten wollte.
Nach seiner Auffassung hatten Polizei und Staatsanwaltschaft nicht ausreichend gegen die Familie des Schützen ermittelt. Vater und Bruder des Angeklagten in dem Prozess um den Tod von Besar Nimani sollen zumindest Anstifter oder Gehilfen gewesen sein. Der Brief wurde am ersten Verhandlungstag vorgelesen. Darin schrieb er auch, dass er wohl für ein paar Jahre weg sei.
Briefe aus dem Gefängnis an die Familie
In einem weiteren Brief beklagte er sich, dass der Mörder seines Bruders zwar lebenslang ins Gefängnis komme, aber "Knast in Deutschland ist ja wie Hotel". Weiter schrieb er an seine Familie: "Wir müssen dafür sorgen, dass auch der Anstifter in den Knast kommt". Die Polizei habe ja nichts gemacht, hieß es.
Das Motiv für den Tod des Profiboxers konnte im ersten Verfahren nicht geklärt werden. Er war im März 2024 in der Bielefelder Innenstadt durch 16 Schüsse getötet worden. Nach einem zweiten Tatverdächtigen, der 15 Schüsse vor Zeugen abgegeben hatte, wird bis heute international gefahndet. Nimanis Bruder und seine 34 Jahre alte Schwester sind Deutsche und wurden im Kosovo geboren.
Fahrt über den Bürgersteig
In der Anklageverlesung schilderte Staatsanwalt Christoph Mackel die Szenen außerhalb des Landgerichts. Dabei hatten demnach die angeklagten Geschwister aus halbautomatischen Waffen auf vier Menschen geschossen, um Blutrache zu verüben. Der Vater des damals noch nicht verurteilten Mörders ihres Bruders wurde am schlimmsten getroffen. Ihn konnte nach Treffern in Hals, Oberschenkel, Schulter und Oberkörper nur eine Notoperation das Leben retten.
Die angeklagte Schwester habe als Beifahrerin in einem Auto zuerst vor einer Ampel im Stau gestanden. Der Fahrer sei bis heute nicht bekannt. Dann sei es über einen Bürgersteig weitergegangen. Aus dem geöffneten Beifahrerfenster hinaus habe sie fünfmal geschossen. Einer der Männer flüchtete und wurde ins Knie getroffen, andere versteckten sich hinter geparkten Autos. Bei einem weiteren Schussversuch der Geschwister hatte demnach eine der Waffen nicht ausgelöst, obwohl noch Munition im Magazin war.
Zu diesem Zeitpunkt liefen bereits die ersten Polizisten vom Landgericht über eine große Kreuzung in Richtung Tatort. Über Stunden war der Bereich anschließend in der südlichen Altstadt von Bielefeld abgesperrt. Lange war unklar, wo die Schützen geblieben waren. Die Spurensicherung suchte den Bereich lange ab. Die Geschwister stellten sich Tage später bei der Polizei.
Großes Polizeiaufgebot
Am ersten Prozesstag um die Schüsse trat der Bruder getöteten Profiboxers selbstsicher auf. Als es um den Tod seines Bruders im Februar ging, saß er noch als Nebenkläger auf der anderen Seite der Richterbank. Als er nun von den Justizwachtmeistern in den Saal geführt wurde, zeigte er den Daumen nach oben in Richtung seiner Familie. Wie bereits im ersten Verfahren sicherte ein großes Polizeiaufgebot die mündliche Verhandlung ab. Die Zuschauer mussten durch zwei Sicherheitsschleusen.
Das Landgericht Bielefeld hat bis Oktober Verhandlungstermine angesetzt.
- Nachrichtenagentur dpa