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Leipzig: Landtagsabgeordnete Nagel erhebt nach Demo Vorwürfe gegen Polizei


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Linken-Politikerin spricht nach Festnahme in Leipzig
"Der Polizei war egal, dass ich Abgeordnete bin"

InterviewVon Marvin Graewert

02.06.2023Lesedauer: 4 Min.
Die saechsische Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel ist bei einer Demonstration in Leipzig von Polizisten festgenommen worden. Die 44-Jaehrige wurde gegen 20:30 Uhr abgefuehrt. Anschliessend wurden ihr, das berichtet Sachsen Fernsehen in einem Artikel, Handschellen angelegt. Zur Personalienaufnahme wurde sie in ein Polizeifahrzeug verbracht. Weiter wird berichtet, Juliane Nagel sei in ein Polizeifahrzeug verbracht worden sein.Vergrößern des Bildes
Die sächsische Landtagsabgeordnete Juliane Nagel wurde auf einer Demonstration zum "Jugendkampftag" in Leipzig abgeführt. Am nächsten Tag reagierte der Innenminister. (Quelle: xcitepress)

In stärker aufgeheizte Zeiten hätte die Festnahme der Linken-Landtagsabgeordneten Juliane Nagel kaum fallen können. Wie es so weit kommen konnte und was beim Gespräch mit dem Innenminister herauskam.

Eigentlich stand die Demonstration zum "Jugendkampftag" am Donnerstag in Leipzig gar nicht im Zeichen der Proteste gegen das Urteil für Lina E. Bis die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) auf ihrer eigenen Demo abgeführt wurde und die linke Szene in Aufruhr versetzte. Am Freitag versuchten Innenminister Armin Schuster (CDU) und Leipzigs Polizeipräsident René Demmler den Schaden zu begrenzen und boten Nagel ein Gespräch und eine Entschuldigung an. Wird sie diese annehmen?

t-online: Frau Nagel, Sie haben nicht nur unzählige Versammlungen angemeldet, sondern waren auf vielen Demonstrationen als parlamentarische Beobachterin unterwegs. Haben Sie so ein Vorgehen wie am Donnerstag schon einmal erlebt?

Juliane Nagel: Schon der Polizeieinsatz während der Demo war massiv überzogen. Der eigentliche Vorfall ereignete sich allerdings erst kurz nach der Versammlung. So was habe ich wirklich noch nicht erlebt: Noch nie bin ich so rabiat abgeführt worden.

Wie konnte die Situation so eskalieren?

Nach der Demonstration hat die Polizei damit begonnen, einzelne Teilnehmer festzusetzen, um Identitäten festzustellen. Es ging um Straftatvorwürfe wie Vermummung oder Beleidigung von Polizeibeamten. Ich wurde zu einer Situation hinzugerufen, wo ein schwarzer junger Mann und eine sehr junge Frau in einer Polizeimaßnahme feststeckten. Ich habe mich daneben gestellt und die Beamten gefragt, was dort passiert – das, was ich üblicherweise mache.

Bis sich mir ein Beamter sehr rabiat in den Weg stellte, die Sicht versperrte und mit sehr harten Worten zu verstehen gab, dass ich hier nichts zu suchen habe: Der hat mich richtig aus dem Weg geschubst. Danach bin ich abgeführt, ans Polizeiauto gedrückt und in Handschellen gelegt worden.

Es steht allerdings der Vorwurf im Raum, dass Sie den Polizisten geschlagen haben sollen.

Ich habe ihn nicht tätlich angegriffen – das ist ausgeschlossen. Aber wahrscheinlich müssen das jetzt die Ermittlungsbehörden klären.

Sind Sie sich sicher, dass es dem Polizisten bewusst war, dass er keine Teilnehmerin, sondern die Anmelderin und noch dazu eine Landtagsabgeordnete abführte?

Ob sie wussten, dass ich die Anmelderin war, weiß ich nicht. Aber der Beamte, der mich abführte, hat im Auto zu mir gesagt, ihm sei es egal, ob ich Landtagsabgeordnete bin oder nicht. Das hat er mir ganz deutlich gesagt. Darüber habe ich mich auch noch mal bei Journalisten vergewissert, die dabei waren.

Mussten Sie Ihre Anwältin einschalten, um wieder freigelassen zu werden?

Ich habe aus dem Auto herausgerufen, dass jemand meine Anwältin anrufen soll. Ich dachte erst, dass ich in Polizeigewahrsam komme, ich wurde aber nur gemeinsam mit sechs anderen jungen Leuten um die Ecke gefahren, um Identitäten festzustellen. Bei mir ging das ganz schnell – ich vermute, dass das mit den Telefonaten meiner Anwältin im Hintergrund zusammenhing.

Schon vor diesem Vorfall spielten sich einschneidende Szenen ab: Es gibt ein Video, auf dem zu sehen ist, wie Sie daran gehindert werden, deeskalierend auf die Demonstrierenden einzuwirken.

Bei der Demo standen mindestens 300 Polizeibeamte 150 Teilnehmern gegenüber. Es wirkte martialisch und gefährlich. So war die Demo aber gar nicht.

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Irgendwann wurde in der Menge eine Pappschachtel ausgepackt, aus der es geraucht hat – vielleicht war das Pyrotechnik, ich weiß es nicht. Die Polizei hat daraufhin sehr rabiat auf die Demo eingewirkt. Ich wollte in diesem Moment für ein bisschen Ruhe sorgen – bin dann aber aus der Situation herausgezogen worden. Ab diesem Zeitpunkt ist die Stimmung auf der Demo gekippt. Dann gab es leider auch polizeifeindliche Rufe.

War das schon ein Vorbote für das Vorgehen der Polizei am Samstag?

Ich befürchte, dass das nur ein Vorgeschmack auf das Wochenende war. Für mich war am Donnerstag ganz stark bemerkbar, dass es Berliner Einsatzkräfte waren. Von sächsischen Einsatzkräften kenne ich so ein rabiates Vorgehen nicht. Aber Innenminister Armin Schuster und Leipzigs Polizeipräsident René Demmler haben im Gespräch mit mir klargestellt, dass es ihr Polizeieinsatz war.

Der Polizeipräsident hat Sie um Entschuldigung gebeten: Ist der Vorfall für Sie damit abgeschlossen?

Ich habe mit meiner Anwältin besprochen, dass wir uns auf jeden Fall bei der Berliner und Sächsischen Polizei-Beschwerdestelle beschweren werden. Sollte es zu einem Ermittlungsverfahren wegen des vermeintlichen Angriffs kommen, werden wir auf jeden Fall dagegen vorgehen. Im Gespräch mit dem Polizeipräsidenten wurde dieser Vorwurf zumindest noch nicht ausgeräumt.

Wie wird sich ihre kurzzeitige Festnahme auf den Antifa-Ost-Protest auswirken?

Das hat die Gemüter unheimlich erhitzt: Über meine Social-Media-Kanäle erreichen mich ganz viele empörte Nachrichten, alle fragen sich, wie so etwas passieren konnte. Damit hat sich die Polizei keinen Gefallen getan. Auch deshalb hat es wahrscheinlich das Gespräch mit dem Polizeipräsidenten und Armin Schuster gegeben. Keiner von uns hat ein Interesse daran, dass es am Wochenende eskaliert.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Juliane Nagel
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