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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Essens Ex-Kapitän Stefan Lorenz zum Pokalduell "Der BVB ist nicht unantastbar"

Stefan Lorenz erzielte als letzter RWE-Spieler ein Tor gegen Borussia Dortmund. Vor dem Duell in der ersten Runde des DFB-Pokals glaubt er, dass der BVB schlagbar ist.
Stefan Lorenz weiß, wie man Tore gegen den BVB schießt. Der Ex-Kapitän ist der letzte Profi von Rot-Weiss Essen, der gegen die Dortmunder in einem Pflichtspiel einen Treffer erzielt hat. Im August 2008 traf er im DFB-Pokal mit einem fulminanten Schuss gegen die schwarz-gelbe Startruppe, das Spiel ging trotzdem 1:3 verloren.
Bevor RWE jetzt Mitte August wieder den BVB in der ersten Pokalrunde an der Hafenstraße erwartet, erinnert sich Lorenz an das damalige Aufeinandertreffen der Ruhrpott-Klubs. Im Interview mit t-online spricht der 43-Jährige über ein ausverkauftes Georg-Melches-Stadion, einen viel zu schnellen Gegenspieler und den emotionalen Jürgen Klopp. Außerdem erklärt er, warum der BVB nicht unantastbar ist – und was er den Essener Spielern für das Pokalduell wünscht.
t-online: Herr Lorenz, können Sie sich noch an Ihren Pokaltreffer gegen den BVB erinnern?
Stefan Lorenz: Ich bin nicht bekannt dafür gewesen, dass ich viele Tore geschossen habe. Deswegen ist nicht nur dieses Tor, sondern auch dieses Spiel immer noch sehr präsent. Ich staune, dass es tatsächlich schon 17 Jahre her ist. Es war damals mein erstes Pflichtspiel nach meinem Kreuzbandriss – und daher in jeder Hinsicht ein Spiel, das man nicht vergisst.
Dann erzählen Sie doch mal, wie Sie BVB-Keeper Roman Weidenfeller überwinden konnten.
Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich nach meiner Verletzung noch so weit schießen kann. (lacht) Rukavina will von hinten raus klären, der Ball fällt mir vor die Füße. Viele Optionen gab es in dieser Situation nicht, also habe ich einfach mal draufgehalten. Der Schuss war noch ein bisschen abgefälscht. So ein Tor glückt dir einmal im Leben, und dann ausgerechnet gegen den BVB.
War die Partie damals nicht nur für die Fans, sondern auch für Sie als RWE-Spieler etwas Besonderes?
Volles Georg-Melches-Stadion, ausverkauftes Haus – das war ein ganz besonderes Flair. Dann die Dortmunder mit Hummels, Subotic, Rukavina rechts, Dede links, Kringe, Hajnal. Gerade Hajnal fand ich sehr auffällig, daran erinnere ich mich noch gut. Er war immer irgendwo, wo er schwer zu packen war. Und natürlich Valdez – sein Trikot hängt heute noch bei mir im Schrank.
Wie kam es zum Trikottausch – und wie war Nelson Valdez als Gegenspieler?
Er hat immer gelauert und die tiefen Läufe waren mit seinem Tempo für unsere Abwehr echt unangenehm. Aufgrund seiner hohen Geschwindigkeit ist er mir leider ein paar Mal ausgebüxt. (lacht) Er hat mir nach dem Abpfiff trotzdem gesagt, dass er einen schweren Stand gegen mich hatte. Ich habe ihm zum Weiterkommen und zu seinem Tor gratuliert. Dann hat er mir den Trikottausch angeboten und ich habe natürlich nicht Nein gesagt. Er hatte allerdings Größe M, da passe ich leider nicht hinein. (lacht)
Es war damals in Essen auch das erste Pflichtspiel für Jürgen Klopp als BVB-Trainer.
Man hat damals schon gesehen, dass er sehr geilen Fußball spielen lassen will und der Gegner hoch angelaufen wird. Alles das, was ihn und den BVB später zur Meisterschaft gebracht hat, konnte man ein bisschen vorausahnen. Klopp hatte übrigens noch einen kleinen Disput mit meinem Bruder Michael.
Was ist passiert?
In der zweiten Halbzeit gab es für ein junges Talent vom BVB eine Rote Karte, unmittelbar vor den Trainerbänken. Da ist mein Bruder mit Klopp etwas aneinandergeraten, sie standen sich mal kurz Kopf an Kopf gegenüber. Nach dem Spiel kam Klopp dann noch einmal raus, als wir beim Auslaufen waren. Er ist auf meinen Bruder zugegangen und sie haben sich die Hand gegeben. Klopp war damals schon einer, der kommunikativ alles geklärt hat. Das hat sicher auch dazu beigetragen, dass er einer der weltbesten Trainer geworden ist.
Das Spiel endete damals 3:1 für die Dortmunder, obwohl RWE zunächst gut mithalten konnte.
In der ersten Halbzeit haben wir gut mitgehalten. Nach meinem Tor zum 1:1 haben wir mal kurz an der Sensation geschnuppert. Danach hatten wir noch eine gute Chance durch Sascha Mölders. Nachdem Kringe dann in der 60. Minute nach einem Standard zum 2:1 getroffen hatte, schwand bei uns nicht nur die Kraft, sondern langsam auch der Glaube. Mit dem dritten Tor in der 70. Minute war das Spiel dann durch.
Wenn Sie jetzt an die Neuauflage im August denken, was trauen Sie RWE zu? Hilft ein selbstbewusster Auftritt?
Die 3. Liga beginnt schon Anfang August. Dortmund spielt gerade erst noch die Klub-WM, hat keine normale Vorbereitung und wird Mitte August hoffentlich noch nicht in Top-Form sein. Zudem ist das Grundgerüst bei RWE im Sommer zusammengeblieben und die vergangene erfolgreiche Rückrunde könnte Sicherheit geben. Ich freue mich auf dieses Duell.
Trotzdem bleibt der BVB der Top-Favorit?
Ganz unantastbar ist der BVB nicht. Trotzdem muss ein Sahnetag her. Da reicht nicht eine gute Halbzeit, da musst du über 90 Minuten mitspielen und mithalten. Der BVB hat schon eine richtig gute Truppe, die in der Rückrunde in der Liga noch einmal ordentlich Gas gegeben hat. Der BVB ist schon ein Brett. Aber mit solchen Mannschaften und diesen Top-Spielern willst du dich als Fußballer auch messen. Aus Sportlersicht nehme ich immer lieber ein geiles Los wie Dortmund oder die Blauen (Schalke 04 Anm. d. Red.). Davon habe ich als Spieler mehr, da behalte ich auch meine Erinnerungen. Ich wünsche jedem Essener, dass er in dieser Partie seine eigenen Erinnerungen schreiben kann. Und eine Chance hast du immer.
War das Pokalspiel gegen den BVB eigentlich das Highlight Ihrer Karriere?
Mein größtes Highlight war sicher der direkte Wiederaufstieg mit Rot-Weiss Essen in die 2. Liga. 20.000 Fans, alle auf dem Platz, du wirst umarmt von wildfremden Menschen, alle zerren an deinem Trikot und deiner Hose – das war emotional das Größte. In der Aufstiegssaison habe ich am ersten Spieltag in Emden doppelt getroffen, das war auch ein Highlight. Und dann natürlich das Spiel und das Tor gegen den BVB. Diese Dinge bleiben haften, aber auf der anderen Seite gehören auch Kreuzbandriss und Knorpelschaden zur Wahrheit dazu.
Heute sind Sie auch wieder Bestandteil von Rot-Weiss Essen und haben dem Klub die Treue gehalten.
Der Verein liegt mir am Herzen. Ich kann jetzt als Trainer der zweiten Mannschaft ein Stück weit etwas zurückgeben. Ich habe bei RWE auch meine Umschulung gemacht zum Veranstaltungskaufmann. Der Verein ist mir nicht nur als Spieler nah gewesen, sondern ist es jetzt gewissermaßen auch als Fan. Und dabei bin ich gar kein Ruhrpottler, sondern komme aus Berlin. Meine Heimat war der BFC Dynamo, aber heute leben wir absolut gerne in Essen und sind hier glücklich.
- Gespräch mit Stefan Lorenz