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Tödlicher Parkhaus-Unfall in Essen: Drift-"Vorfall sollte wachrütteln"


Driften als gefährliches Hobby?
Todessturz von Parkhaus: "Vorfall sollte wachrütteln"

Von Marie Illner

Aktualisiert am 22.04.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ein Auto driftet, Kerzen am Unglücksort in Essen (Montage): Driften kann gefährlich sein.Vergrößern des Bildes
Ein Auto driftet, Kerzen am Unglücksort in Essen (Montage): Driften kann gefährlich sein. (Quelle: Roland Weihrauch/dpa; Panthermedia/Imago)

Noch ermittelt die Polizei: Dennoch gilt es als wahrscheinlich, dass die verunglückten Teenager in Essen nach einem Drift vom Parkhausdeck stürzten. t-online hat mit Personen aus der Szene über die waghalsige Kurvenfahrt gesprochen.

Reifen quietschen, Rauch steigt auf, das Heck des Autos bricht aus und bei der Kurvenfahrt bleibt eine lange schwarze Spur auf dem Asphalt zurück: Der Drift ist geglückt. Spektakulär sieht es aus, wenn Gummi verbrennt und das Fahrzeug stärker in die Kurve einlenkt, als der Radius es vorgibt.

Ursache für Unfall in Essen?

Noch steht nicht fest, ob sie wirklich Driften übten, bevor sie in den Tod stürzten – die Essener Polizei ermittelt noch, ob die Bremsspuren auf dem Parkdeck und das verunfallte Fahrzeug zueinanderpassen. Man gehe diesem Verdacht nach, so ein Polizeisprecher.

Denn: Wahrscheinlich ist das schon – Zeugen berichten von durchdrehenden Motorgeräuschen kurz vor dem Absturz, gleichzeitig sagten Anwohner gegenüber der "Bild"-Zeitung, das Parkhaus werde regelmäßig zum Driften genutzt: "Das kommt immer wieder vor, dass die jungen Leute hier die Absperrungen zur Seite räumen und dann im Parkhaus driften", wird ein Anwohner zitiert.

Um das Driften ist eine richtige Szene entstanden. Am Nürburgring finden beispielsweise regelmäßig Drift-Events statt. Aber nicht umsonst gilt das Fahrmanöver als die höchste Weihe der Fahrzeugbeherrschung: Jahrelanges Training ist notwendig, um das Fahrzeug kontrolliert in die instabile Lage zu bringen. Fehlt das Gefühl für den Bewegungsablauf, enden Versuche in aller Regel in Drehern.

"Du musst dein Auto in und auswendig kennen. Wie es sich bewegt, was es macht, wenn du Gas gibst, welchen Lenkwinkel es hat – sonst kann es sehr schnell gefährlich werden", sagt auch Lukas Jänsch (Name geändert).

Was den Reiz ausmacht

Der 23-Jährige ist selbst in der Drift-Szene aktiv und weiß, was den Reiz beim Fahrmanöver ausmacht: "Es geht um Fahrspaß und darum, etwas zu können, was viele nicht können", sagt der Motorsport-Fan, der selbst aus einer großen Stadt in NRW kommt – keine 150 Kilometer vom Unfallort entfernt.

Das Driften sei eine "Herausforderung an sich selbst" – etwa, im richtigen Moment an der Handbremse zu ziehen oder Herunterzuschalten und Einzukuppeln. "Es kommt häufig zu brenzligen Situationen", gibt Jänsch zu.

Ziel sei es, mit dem Auto so quer wie möglich zu fahren. "Wenn man aber übersteuert und dreht, kann man in der Leitplanke hängen, wenn man sein Auto nicht wieder eingefangen kriegt", so der Motorsport-Fan.

Er selbst hat mehrere Jahre Erfahrung, weiß, welche Fahrzeugmodelle sich am besten zum Driften eignen und wo man nachrüsten kann. "150 bis 200 PS sind fürs Driften schon nötig, aber je mehr Leistung ein Fahrzeug hat, desto schwieriger ist es auch zu kontrollieren", sagt er.

Polizei rät vom Driften ab

Nicht wenige Drift-Fans rüsten ihre Autos nach, um den Fahrspaß noch weiter zu erhöhen: Tuning per Kompressor, Einbau einer Differenzialsperre oder der Umbau auf eine verstärkte Kupplung sind keine Seltenheit.

Die Polizei rät vom Driften und waghalsigen Fahrmanövern im Allgemeinen ab. "Grundsätzlich ist das Driften im öffentlichen Verkehrsraum verboten", erinnert die Essener Polizeikommissarin Vivien Volkmann. Auf privaten Grundstücken könnten andere Regelungen gelten – "solange dort keine Immissionen entstehen", ergänzt die Polizeisprecherin.

Dass das Driften im öffentlichen Verkehrsraum verboten ist, weiß Jänsch. In der Szene ist es dennoch verbreitet, auch dort das Fahrmanöver zu wagen. Denn geeignete Kurven fehlen den Motorsport-Fans auf privaten Grundstücken in aller Regel. Jänsch sagt: "Am besten übt man zu Beginn auf einem Parkplatz an einer geraden Stelle, wo nichts passieren kann."

In Facebook-Gruppen werden dafür teilweise geeignete Orte ausgetauscht. "Man sollte dort aber nur fahren, wenn man weiß, was man tut", findet Jänsch. Ein Auto in Schräglage lasse sich häufig nicht mehr fangen – "damit kann man sein Fahrzeug wirklich kaputtfahren und es kann zu Personenschäden kommen", warnt er.

"Vorfall sollte wachrütteln"

Auch Chiara Michelle Bangard fasziniert das Driften. Die Automobilkauffrau hat sich allerdings bewusst entschieden, dem Reiz zu widerstehen. "In meinem Bekanntenkreis sind schon Fahrer mit ihren Autos in Bordsteine geknallt – dafür wären mir meine Fahrzeuge zu schade und das Risiko zu groß", sagt sie

Dass Drift-Junkies es nicht bei weitläufigen Flächen – umgeben mit Wiese und weit entfernt von Häusern, anderen Autos oder Bäumen – belassen, kann sie schwer verstehen. "Auch in unserem örtlichen Einkaufszentrum wird auf dem Parkdeck gedriftet. Es ist verlockend, aber der Vorfall in Essen sollte wachrütteln", sagt sie.

Verloren bleibt verloren

Die Community schweigt bislang allerdings über den Vorfall. "In unseren Gruppen wurde dazu noch nichts kommuniziert", sagt Bangard, die selbst Sportwagen und eine Tuning-Werkstatt vermietet. Autoclubs wie der "ADAC" vermitteln professionelle Drift-Trainings. Geübt wird dabei meist auf bewässertem Untergrund, der das Profil schont und schnellere Erfolge verspricht.

Eins lernt man bei den Trainings allerdings schon zu Beginn: Ein verlorener Drift bleibt verloren. Kriegt man das Fahrzeug nicht mehr eingefangen, heißt die letzte Rettung: voll auf die Bremse. Geschwindigkeit abbauen, Dreher hinnehmen. Und erneut versuchen – wenn das noch möglich ist.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Gespräche
  • Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
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