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HSV bei Hansa Rostock: Bundespolizei nach Großkontrolle scharf kritisiert


Kontrollen in Bergedorf
"Leute haben geschrien": Schwere Kritik an Polizei nach HSV-Spiel


19.02.2024Lesedauer: 4 Min.
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Polizisten halten einen HSV-Fan fest: Nach einer Kontrollaktion in Bergedorf gibt es harte Kritik am Vorgehen.Vergrößern des Bildes
Polizisten halten einen HSV-Fan fest: Nach einer Kontrollaktion in Bergedorf gibt es harte Kritik am Vorgehen der Einsatzkräfte. (Quelle: LENTHE-MEDIEN/imago-images-bilder)

Mehr als 800 HSV-Fans sind nach dem Auswärtsspiel in Rostock am Samstag stundenlang festgehalten worden. Jetzt machen sie der Polizei schwere Vorwürfe.

Fast sieben Stunden lang saßen rund 1.000 Menschen am Samstagabend in Bergedorf in einem Zug fest. Die Bundespolizei suchte nach verdächtigen HSV-Fans, die sich im September 2023 in Mannheim mit BVB-Anhängern geprügelt haben sollen. Nun, auf dem Rückweg vom Auswärtsspiel bei Hansa Rostock, war offenbar ein günstiger Zeitpunkt für eine große Kontrollaktion gekommen. In Rostock habe es am Spieltag außerdem laut Mitteilung der Bundespolizei "tätliche Angriffe von Anhängern des Hamburger SV auf Polizeibeamte" gegeben.

Um 19.45 Uhr endete die Fahrt des RE1 in Bergedorf, gegen 20.10 Uhr begannen die ersten Personenkontrollen. "Die Polizei war sehr aggressiv gegenüber den HSV-Fans, von Anfang an wurde sehr wenig kommuniziert", berichtete ein Anhänger der Hamburger, der in dem gestoppten Zug saß, im Gespräch mit t-online. Nach und nach seien Gerüchte aufgekommen, dass es eine große Polizeisperre geben soll. "Dann hieß es: 'Der Zug hält hier und fährt nicht mehr weiter. Alle werden jetzt kontrolliert.'"

"Da wusste die rechte Hand nicht, was die linke macht"

Rund 1.000 Menschen saßen in der Regionalbahn, 855 davon wurden zum HSV gezählt. Die Beamten seien mehr oder weniger planlos und willkürlich vorgegangen, sagte der Fan, der anonym bleiben möchte. "Da wusste die rechte Hand nicht, was die linke macht. Ein Polizist schubste mich weg und sagte, dass ich zurück in die Reihe gehen soll. Ich sagte nur, dass sein Kollege mich gerade hierher geschickt hat."

Wer Glück hatte, wurde früh kontrolliert und durfte den Bahnhof verlassen. Wer Pech hatte, war erst als Nummer 855 dran – und musste bis 2.20 Uhr am sehr frühen Sonntagmorgen ausharren. Auch Frauen wurden kontrolliert, obwohl nur Männer gesucht wurden. Doch diese Information sei gar nicht erst zu den Beamten vor Ort durchgedrungen. Ein junges Mädchen wollte offenbar einige Stationen vorher aussteigen, sei aber daran gehindert worden – als Begründung diente demnach die anstehende Kontrolle in Bergedorf.

Im Zug selbst sei die Lage immer schwieriger geworden. "Es war warm, die Leute haben geschrien, sie wollten Wasser. Einer sagte, es würden Sanitäter benötigt, aber die Polizei hat gesagt 'Gibt's nicht'". Mehrere Menschen sollen Kreislaufprobleme bekommen haben.

Weitere Betroffene berichteten, dass ihnen die Toilettengänge verwehrt worden seien oder dass diese nur unter Aufsicht möglich gewesen seien. Getränke sollen erst nach 90 Minuten angekommen sein – und erst, nachdem die Fanhilfe Nordtribüne der HSV-Anhänger einen Anwalt hinzugezogen hatte. Die Bundespolizei hat auf Anfrage von t-online eine Erklärung für Montagabend angekündigt.

HSV-Fans kündigen rechtliche Schritte gegen Polizei an

Die Fanhilfe und der HSV Supporters Club kündigten am Sonntag an, rechtliche Schritte gegen die Einsatzleitung einzuleiten. "Der gesamte Einsatz war willkürlich, unverhältnismäßig und rechtswidrig." Betroffene sollen Gedächtnisprotokolle anfertigen und sich bei der Fanhilfe melden.

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Die Linksfraktion will nun eine Kleine Anfrage zu dem Vorgehen der Polizei beim Senat einreichen. "Der ganze Einsatz wirft ernstliche Fragen nach der Verhältnismäßigkeit auf", sagte Cansu Özdemir, justizpolitische Sprecherin der Linksfraktion. "Wenn über 850 Fans für einige wenige Verdächtigte stundenlang kontrolliert werden, macht das den Eindruck, als würden die Fans in Kollektivhaft genommen. Es ist absolut unangemessen, Personen in polizeilicher Obhut über Stunden ohne Toilettenmöglichkeiten einzusperren und ihnen in einem überhitzten Zug die Versorgung mit Trinkwasser selber zu überlassen", sagte Özdemir. Der Einsatz müsse dringend politisch und rechtlich aufgearbeitet werden, forderte sie.

"Das stundenlange Aufhalten eines öffentlich zugänglichen Regionalzuges mit 1.000 Menschen an Bord wirkt unangemessen", teilte auch Sina Imhof, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, mit. "Die Maßnahme der Polizei, die auch zahlreiche Minderjährige und Frauen betroffen hat, scheint nicht ausreichend durchdacht gewesen zu sein."

"Gewalt im Fußball ist ein massives Problem", sagte Sören Schumacher, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Einsätze, um "Gewalttäter zu stellen", seien notwendig. Dass eine polizeiliche Maßnahme aber rund sechs Stunden dauere, werfe Fragen auf, die es bei der Aufarbeitung des Einsatzes zu beantworten gelte. Die FDP-Politikerin Anna von Treuenfels-Frowein bewertete den Einsatz vor dem Hintergrund "wachsender Brutalität" ebenfalls als notwendig, es stelle sich allerdings die Frage der Verhältnismäßigkeit.

Bundespolizei mit Einsatz zufrieden – Unterstützung von der CDU

Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in Hamburg, stellte sich auf die Seite der Polizei. "Bei diesen schwerwiegenden Tatvorwürfen ist ein konsequentes Vorgehen zur Ermittlung der Täter aber erforderlich und war in diesem Fall erfolgreich." Auch der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Thomas Jungfer, war zufrieden. Es habe Hinweise auf Tatverdächtige in Zusammenhang mit schweren Straftaten gegeben. "Und dann ist es doch besser, wenn man die Leute einmal geballt beisammen hat, statt lange nachzuermitteln."

Die Bundespolizei zeigte sich am Ende der Kontrolle ebenfalls zufrieden: 31 Verdächtige seien ermittelt worden. "Landfriedensbruch ist eine schwerwiegende Straftat, die die Sicherheit und den Frieden unserer Gesellschaft bedroht. Wir nehmen diese Straftaten äußerst ernst und setzen alle verfügbaren Ressourcen ein, um die Verantwortlichen zu identifizieren", teilte Einsatzleiter Jan Müller mit.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit einem Betroffenen
  • Eigene Recherche
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