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Extremismusverdacht bei der Polizei Hannover: "Nur die oberste Spitze des Eisbergs"


Extremismusverdacht bei der Polizei
"Sogenannte Einzelfälle kommen immer wieder vor"

Von dpa
02.08.2022Lesedauer: 3 Min.
Polizeibeamte Niedersachsen (Archivbild): Ermittlungen gegen die Polizistin, deren Lebensgefährte der rechtextremistischen Szene angehören soll, werden wieder aufgenommen.Vergrößern des BildesPolizeibeamte Niedersachsen (Archivbild): Ermittlungen gegen die Polizistin, deren Lebensgefährte der rechtextremistischen Szene angehören soll, werden wieder aufgenommen. (Quelle: Lino Mirgeler/dpa-bilder)
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Immer wieder gibt es Verfahren wegen Extremismus gegen Polizisten in Niedersachsen. Ein Experte vermutet, dass das nur die Spitze des Eisbergs ist.

Immer häufiger wird der Verdacht laut, die Polizei habe mit rechten beziehungsweise rechtsextremistischen Beamten zu kämpfen. Das führt nun auch vermehrt zu Gerichtsverfahren – teils mit Erfolg.

Sie sind Gesetzeshüter, die Exekutive als handelnder Arm der Regierung. Polizistinnen und Polizisten genießen im jüngsten Berufe-Ranking im Auftrag des Beamtenbundes bei 85 Prozent der Befragten ein hohes oder sehr hohes Ansehen – damit befinden sie sich in der Spitzengruppe. Doch das positive Bild bekommt Risse, wenn Polizeibeamte zu Verdächtigen werden.

Zuletzt hatte die Durchsuchung der Wohnung und der Dienststelle eines Polizisten aus dem Landkreis Schaumburg Aufsehen erregt. Bei dem 43-Jährigen wurden Waffen, Uniformen und Devotionalien aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Die Staatsanwaltschaft Bückeburg ermittelt wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz.

Hannover: Polizist als Redner bei "Querdenker"-Demos

Ende April wurde ein 58-jähriger Kriminalhauptkommissar wegen seiner Nähe zur "Reichsbürger"-Szene mit Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover aus dem Dienst entlassen. Der Polizeibeamte, der auf "Querdenker"-Demos als Redner aufgetreten war, legte am 2. Juni Berufung ein.

Wann das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg darüber entscheiden wird, ist noch unklar. Im April 2021 war mit Urteil des OVG erstmals eine niedersächsische Polizistin aus dem Beamtendienst entfernt worden, weil sie "Reichsbürger"-Thesen teilte und unter anderem einen Staatsangehörigkeitsausweis des "Königreichs Preußen" beantragte.

Seit Mitte 2020 sind bei der niedersächsischen Polizei insgesamt zehn Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Rechtsextremismus beziehungsweise Rassismus eingeleitet worden. In sechs Fällen sei keine strafrechtliche Relevanz durch die zuständige Staatsanwaltschaft festgestellt worden oder die Verfahren seien eingestellt, teilte das Innenministerium in Hannover auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

Polizistin soll Beziehung mit Neonazi führen

Die niedersächsische Polizei befasst sich aktuell mit einer Polizistin, die mit einem Neonazi liiert sein soll. Bereits im August 2021 wurde dieser Hinweis im Innenministerium gegeben. Die Polizeidirektion (PD) Hannover prüfte den Fall und stellte kein dienstliches Vergehen fest. Die Frau blieb Diensthundeführerin und "Insta-Cop", also ein Gesicht der Polizei in den sozialen Medien.

Nun wird der Fall laut Innenministerium erneut von der PD Hannover untersucht. Die Beamtin sei vorläufig in den Innendienst versetzt worden. Und auch von ihren Aktivitäten bei Instagram ist sie erstmal entbunden, hieß es. Zuvor – Ende Juni diesen Jahres – hatte das Recherche Kollektiv Ostwestfalen über die Beziehung der Polizistin berichtet.

Nach aktueller Einschätzung des Verfassungsschutzes Niedersachsen gehörte ihr Lebensgefährte in der jüngeren Vergangenheit noch der rechtsextremistischen Szene an, wie Landespolizeipräsident Axel Brockmann am 22. Juli dem Innenausschuss des Landtags mitteilte. Über die schriftliche Unterrichtung, die auch dpa vorliegt, hatte zuerst "Bild" berichtet. Die Grünen-Fraktion hat zu dem Fall eine Anfrage an die Landesregierung gestellt.

Ein strukturelles Problem, das einer Lösung bedarf

Handelt es sich um Einzelfälle? Gibt es in der Polizei genauso viele Extremisten wie in der Gesamtbevölkerung? "Das Erstaunliche an den sogenannten Einzelfällen ist: Es kommt immer wieder vor", sagt Tobias Singelnstein, Professor an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Es gebe kulturelle Unterschiede zwischen den Länderpolizeien. In Hessen und Nordrhein-Westfalen zum Beispiel wurden auch Chatgruppen mit rechtsextremen und rassistischen Inhalten aufgedeckt.

Diese Chatgruppen seien eher Zufallsfunde im Zuge von anderen Ermittlungen, sagt Singelnstein, der unter anderem zu Gewalt und Rassismus bei der Polizei forscht. "Man muss davon ausgehen, dass es nur die oberste Spitze des Eisbergs ist." In der Polizei gebe es einen starken sozialen Zusammenhalt, deshalb werde oft nicht gehandelt, wenn ein Kollege oder eine Kollegin beispielsweise mit rechtsextremen Einstellungen auffalle, erläutert der Rechtswissenschaftler und Kriminologe.

Der Ausweg: Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen

In der niedersächsischen Polizei spielt laut Innenministerium die Stärkung der demokratischen Widerstandskraft eine große Rolle in der Ausbildung. Eine weitere wichtige Grundlage zur Vorbeugung von Vorurteilen und Rassismus sei die Weiterentwicklung der interkulturellen Kompetenz der Beschäftigten, so eine Ministeriumssprecherin.

Diese kann im Rahmen von Fortbildungen erlangt werden. Mitarbeitende der Polizei Niedersachsen könnten sich zudem im Rahmen des Projekts "Polizeischutz für die Demokratie" zu Strategiepatinnen und -paten für Demokratie qualifizieren lassen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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