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Kiel gegen Corona: DJ macht Lieferservice auf


Musikszene gegen Virus
Kieler DJ macht Corona-Lieferservice auf

Von Sven Raschke

Aktualisiert am 27.03.2020Lesedauer: 4 Min.
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Noel Tagoe: Der Kieler DJ bietet kostenlose Einkaufshilfe an.Vergrößern des Bildes
Noel Tagoe: Der Kieler DJ bietet kostenlose Einkaufshilfe an. (Quelle: Sven Raschke)

In der Corona-Krise halten Kieler zusammen, auch in der Musikszene. Ein DJ geht jetzt für andere einkaufen – freiwillig und kostenfrei. Warum macht er das?

In Zeiten der Corona-Krise zeigt sich auch die soziale Seite einer Gesellschaft besonders deutlich. Viele Kieler unterstützen sich in diesen Wochen gegenseitig – soweit es die Regeln des "Social Distancing" zulassen. Auf Facebook bieten Menschen ihre Hilfe an. So auch Noel Tagoe. Mehrmals in der Woche geht der 29-Jährige gemeinsam mit Gleichgesinnten für ältere Menschen einkaufen.
Begonnen hatte Noel Tagoe damit bereits Mitte März, als vielen anderen die Ernsthaftigkeit der Lage noch gar nicht recht klar geworden war. Tagoe: "Ich bin zur Polizeistation gegangen und habe gefragt, inwiefern ich meine Hilfe anbieten kann. Dort hat man mir geraten, auf Facebook zu gucken."

Auf der Seite "KielBug" – eine Art digitales Schwarzes Brett, auf der sich Kieler im Normalfall über Veranstaltungen informieren, Hobbypartner suchen oder Dinge tauschen und verschenken – postetete er am 13. März: "Ich bin Noel, Familienvater und möchte gerne meine Hilfe FREIWILLIG UND KOSTENFREI anbieten! Montag wäre ich den ganzen Tag in Kiel um Einkäufe für euch zu erledigen: Für ältere Menschen oder auch für Personen mit Atembeschwerden wie Asthma."

Die Reaktion überraschte ihn dann selbst. "Ich hatte gedacht, dass mein Beitrag verloren geht auf der Seite. Aber es gab ganz schnell richtig viel Reaktionen." Neben Hilfesuchenden meldeten sich auch mehrere jüngere Menschen, die auch helfen wollten, aber kein Auto hatten. Seitdem klappert Tagoe meist gemeinsam mit zwei weiteren Helfern zwei bis dreimal die Woche die Supermärkte ab. "Es fragen immer noch weitere Leute an, ob sie helfen wollen", sagt Tagoe. "Aber wir wollen ja die Regeln einhalten. Deswegen fahren wir jetzt auch nur noch zu zweit."

Seine "Kunden" sind überwiegend alte Menschen, aber auch solche mit Vorerkrankungen und andere Risikogruppen. Gesehen hat er bis jetzt noch keinen von ihnen. Der Kontakt läuft über Telefon oder Facebook. Das Geld für den Einkauf liegt bereits vor der Haustür der Belieferten. Dort stellt Tagoe den Einkauf ab. Auch das Dankeschön kommt per Anruf. Schließlich soll die Hilfe nicht durch eine Ansteckung nach hinten losgehen.

Klopapier ist Mangelware

Nicht immer findet Noel Tagoe in den Supermärkten alles, was die Leute sich wünschen. "Klopapier haben wir erst einmal gefunden", erinnert sich Tagoe. "Hefe noch gar nicht." Für andere Dinge müssen Tagoe und die anderen Helfer oft mehrere Supermärkte abklappern – auch weil die erlaubte Einkaufsmenge für manche Artikel begrenzt ist. Tagoe: "Vor Kurzem hatte ich auch eine, die musste unbedingt etwas ausgedruckt haben. Das habe ich dann gemacht und in den Briefkasten geworfen."
Für zwei Kunden am Tag brauchen die Einkaufshelfer locker drei Stunden. Wie findet Tagoe die Zeit dafür? "Ich bin hauptberuflich als DJ unterwegs. Da sind die meisten Veranstaltungen abgesagt. "Aber", sagt er, "jetzt ist nicht die Zeit, an sich selbst zu denken, sondern zu tun was man kann, um anderen zu helfen."

Auch in der Kulturszene finden Kieler Künstler kreative Wege mit der Krise umzugehen. Unter dem Motto "Together at Home" haben sich Musiker aus Kiel zusammengeschlossen und am vergangenen Sonnabend das erste Mal per Youtube ein Benefiz-Konzert für Zuschauer daheim auf der Couch veranstaltet.

Jannek Schmitt, DJ-Name: Beauty & The Beats, organisierte das Konzert. "Besonders jetzt ist es wichtig, die Clubs und Leute, die sonst Konzerte geben, zu unterstützen", sagte Schmitt, der den Abend moderierte und am Ende auch selbst auflegte, während des Livestreams. "Überlegt euch, das Geld, was ihr sonst in Clubs ausgeben würdet, vielleicht stattdessen zu spenden."

Club-Szene gegen Corona

Gut zwei Stunden dauerte das Konzert. Die fünf Künstler präsentierten Hiphop, Piano-Musik, Singer-Songwriter-Gitarrenmusik, House und Minimal, jeweils aufgezeichnet vom eigenen Zuhause aus. Dazwischen gab es Live-Interviews per Videochat mit den Musikern, die schilderten, wie die derzeitige Situation sich auf sie auswirkt und wie sie damit umgehen.

René Unger, Sänger der Band Tequila & the Sunrise Gang, sagte: "Wir haben den Vorteil, dass wir nicht komplett abhängig sind von der Musik. Trotzdem merken wir das. Wir können nicht auf die Bühne. Und das ist es ja, wofür wir eigentlich Musik machen, wenn man das Finanzielle mal zur Seite stellt." Er wies darauf hin, dass hinter jedem Musikauftritt eine Vielzahl von Menschen steht, die mit der Organisation ihr Geld verdienen. "Wir als Band werden das jetzt irgendwie überbrücken können. Aber für Festival- und Konzertveranstalter ist es gerade eine unfassbare Situation. Da ist es uns wichtig unseren Teil dazu beizutragen, auf Spendenaufrufe aufmerksam zu machen. Die Kulturszene ist ein Luxusgut, das nicht selbstverständlich ist und das wir jetzt schützen müssen."

Zuletzt gelang das schon einmal ganz gut. Die rund 500 Zuschauer spendeten knapp 4.000 Euro. Langfristiges Ziel von "Together at Home" ist es, 10.000 Euro zu sammeln, um so dazu beizutragen, die Kieler Club- und Konzertszene über die Zeit der Krise zu retten.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Noel Tagoe
  • Eigene Recherche
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