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Köln: "Situation ausgenutzt" – 29-Jähriger missbrauchte Nichte seiner Freundin


Prozess in Köln
Mann missbrauchte Nichte seiner Freundin – Hafturteil

Johanna Tüntsch

Aktualisiert am 15.01.2021Lesedauer: 4 Min.
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Das Kölner Landgericht (Symbolbild): Hier wurde der Fall verhandelt.Vergrößern des Bildes
Das Kölner Landgericht (Symbolbild): Hier wurde der Fall verhandelt. (Quelle: Johanna Tüntsch/leer)

In Köln stand ein 29-Jähriger wegen schwerer Vorwürfe vor dem Landgericht. Wegen Kindesmissbrauchs muss er nun eine Haftstrafe verbüßen. t-online war im Gerichtssaal dabei.

Als Richterin Uta Elsner zum Ende kam, war es draußen dunkel: Fast zwei Stunden lang begründete sie, wie die 2. Große Strafkammer des Kölner Landgerichtes zu ihrem Urteil gegen einen 29-jährigen Schlosser aus Engelskirchen kam. Wegen Kindesmissbrauchs in vier Fällen, zwei davon schwer, soll er für zwei Jahre und zehn Monate in Haft. Die Kammer weicht damit sowohl von Antrag des Verteidigers ab, der zwei Jahre Haft auf Bewährung für angemessen erklärt hatte, als auch von denen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage. Sie hatten beide auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren plädiert.

Der Mann hatte, wie er selbst gestand, im Frühjahr 2020 ein zunehmend sexuelles Verhältnis mit der 13-jährigen Nichte seiner damaligen Lebensgefährtin. Während seiner Beziehung mit der Tante des Mädchens lebte er im Haus von deren Familie in Gummersbach. Richterin Elsner nahm Bezug auf seine Aussage: "Sie haben es genossen, wieder ein einer Großfamilie zu leben." Der Angeklagten, der selbst zahlreiche Geschwister hat, nickte daraufhin. Ein gelegentliches Nicken war die einzige Regung, mit der er die ausführliche Zusammenfassung des Prozessgeschehens quittierte. Im Übrigen hielt der korpulente Mann seine Hände verschränkt und blickte ungerührt zum Richterpult. Zeichen von Reue oder Scham waren nicht zu erkennen.

"Ein überhöhtes Selbstbild"

Sein unbeeindrucktes Auftreten passt zu der Persönlichkeit, die Richterin Elsner skizzierte: "Uns ist aufgefallen, dass Sie eine egozentrische Perspektive auf die Dinge haben. Sie sitzen in Untersuchungshaft und schildern, dass Ihr Arbeitgeber Sie vermisst. Das kann man verquer finden. Sie sagen von sich, Sie seien kein Mensch, der Zwietracht in einer Familie sät, was ebenfalls verquer ist." In der Familie seines Opfers habe er beträchtliche Konflikte ausgelöst. Zusammenfassend kam die Richterin zu dem Schluss: "Sie haben ein überhöhtes Selbstbild, aber sie sind voll schuldfähig."

Innerhalb weniger Wochen war zwischen dem fast 30-Jährigen und der Schülerin eine ungesunde Nähe entstanden. So gab es wohl selbst während gemeinsamer Filmabende in Gegenwart der Tante Zärtlichkeiten – vor dieser versteckt, unter einer Wolldecke. Später kam es zu Chat-Nachrichten mit einschlägigem Inhalt, in die zeitweise auch eine Freundin (14) des Mädchens einbezogen wurde. Als die Partnerin des Mannes ihn eines Tages dabei erwischte, wie er sich ein pornographisches Bild ansah, setzte sie ihn vor die Tür. Zu diesem Zeitpunkt ahnte sie noch nicht, dass der Intimbereich auf dem Foto der ihrer Nichte war. Wenige Wochen später kam es zweimal zum Geschlechtsverkehr zwischen dem 29-Jährigen und der damals 13-Jährigen.

Kammervorsitzender sagte als Zeuge aus

Zur Anzeige kamen die Taten, als die frühere Partnerin des Angeklagten Zugriff auf das Handy ihrer Nichte bekam und die Nachrichten las, in denen es um zahlreiche Sexfantasien ging. Daraufhin erstattete sie Anzeige. Der zweifache Intimverkehr wurde wiederum offenbar durch die Freundin des Mädchens, die eingeweiht war und sich ihrer Mutter anvertraute.

Es sei wohl zutreffend, dass das Mädchen mit seinen Reizen gespielt habe, räumte Elsner ein: "Aber dieses sexualisierte Verhalten hatte einen Hintergrund." Die Kammer wisse aus einem anderen Verfahren, dass das Kind erst drei Jahre vorher schwer sexuell missbraucht worden sei. An dieser Stelle offenbarte sich auch, warum in dem Verfahren, das überwiegend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, nicht – wie sonst üblich – Richter Christoph Kaufmann den Vorsitz der Kammer hatte: Er sagte als Zeuge zum damaligen Verfahren von vor vier Jahren aus. "Darin ging es um Keller, Karton, Gebüsch, um gravierende Übergriffe", so Richterin Elsner mit beinah zitternder Stimme. Die Taten des Angeklagten bekommen vor diesem Hintergrund ein anderes Gewicht, wenn auch die Kammer zu dem Schluss gekommen sei: "Wir gehen nicht davon aus, dass Sie davon wussten." Diesbezügliche Andeutungen ihm gegenüber seien vage geblieben.

Nebenklage nicht zufrieden

Eindeutig ist, dass dem Angeklagten bewusst gewesen sein muss, dass nicht erst der Intimverkehr mit dem Mädchen strafbar war, sondern auch schon die Chatnachrichten mit ihr und ihrer Freundin. Zu beiden soll er nämlich geäußerte haben: "Wenn es euch zu viel wird, sagt Bescheid, aber erstattet bitte keine Strafanzeige." Das Empfinden der Mädchen zeigt, wie leicht durch missbräuchliche Beziehungen Täter und Opfer verdreht werden: Die Freundin des Opfers habe nun wegen ihrer Anzeige ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Angeklagten, die 13-Jährige der Tante gegenüber, skizzierte Elsner.

"Sie mag ein aktives Opfer gewesen sein – aber die Betonung muss auf ‚Opfer‘ liegen, nicht auf ‚aktiv‘", so die Richterin. Rechtsanwalt Thomas Gärtner, der die Familie als Nebenkläger vertrat, findet das Strafmaß zu niedrig. Nach seiner Einschätzung hat der Angeklagte die tragische Situation des Kindes ausgenutzt. Vater und Tante hätten im Zeugenstand bestätigt, dass der Missbrauch dem Angeklagten bekannt gewesen sei. "Mit dem Urteil bin ich nicht zufrieden", bekannte er.

Verwendete Quellen
  • Teilnahme an der Verhandlung in Köln
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