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Köln: Neue Amtssprache setzt an der falschen Stelle an


Kölner Leitfaden
Neue Amtssprache setzt an der falschen Stelle an

MeinungVon Johanna Tüntsch

24.03.2021Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Ein Zug mit Rollstuhlfahrer-Symbol in Köln (Symbolbild): Auch die Ansprache behinderter Menschen kommt in dem neuen Kölner Leitfaden zur Sprache, an dem sich unsere Autorin stört.Vergrößern des Bildes
Ein Zug mit Rollstuhlfahrer-Symbol in Köln (Symbolbild): Auch die Ansprache behinderter Menschen kommt in dem neuen Kölner Leitfaden zur Sprache, an dem sich unsere Autorin stört. (Quelle: Manngold/imago-images-bilder)

Die Stadt Köln will ihre Sprache verändern – etwa mit diskriminierungsfreien Begriffen und Genderstern. Dabei helfen soll ein Leitfaden. Unsere Autorin findet diesen Weg nicht richtig.

Mit wertschätzender Kommunikation möchte die Stadt Köln nun also diskriminierungsfrei werden. "Kommunikation ist dann wertschätzend, wenn andere Personen sich wahrgenommen und akzeptiert fühlen", heißt es im neuen Leitfaden der Verwaltung. Falsch! Genau das ist der Denkfehler, an dem diese Diskussion krankt. Der Satz suggeriert, dass ein besseres Gefühl auf der einen Seite die fehlende Wertschätzung auf der anderen Seite kompensieren könnte. Richtig wäre: Kommunikation ist dann wertschätzend, wenn andere Personen wahrgenommen und akzeptiert werden. Das setzt aber eine andere Ausgangslage voraus.

Wertschätzende Kommunikation ist absolut zu begrüßen – wenn sie die Folge wertschätzenden Denkens ist. Wenn sie das wertschätzende Denken ersetzt, ist sie hingegen nichts anderes als Heuchelei. So nennt der Leitfaden als Beispiel für respektlose Sprache "mehrdeutige Komplimente", wie etwa den Satz: "Toll, dass Sie trotz Ihrer Behinderung Sport treiben". Was aber steckt in diesem Satz?

Doch nur die Anerkennung der Tatsache, dass Ausgangsvoraussetzungen nicht für alle Menschen gleich sind. Wer etwa regelmäßig die öffentlichen Trimm-Dich-Pfade im Stadtwald beobachtet, der entdeckt dort keine Menschen im Rollstuhl. Warum? Es mag daran liegen, dass Reckstangen in über zwei Metern Höhe für sie schwer bis gar nicht zu erreichen sind. Von den unterschiedlichen Balancierbalken einmal ganz zu schweigen. Auch kann man vermuten, dass sich auf dem dort ausgestreuten Rindenmulch mit einem Rollstuhl schlecht rangieren lässt. Offensichtlich wurden hier nicht die Bedürfnisse aller Personengruppen berücksichtigt.

Ungerechtigkeiten verschwinden nicht einfach

Nun soll die Sprache umgestaltet werden, wohlgemerkt: nicht etwa, um Menschen in Entscheidungspositionen zu einem Umdenken zu bewegen. Nein, es geht darum, den Menschen, die sich zu Recht benachteiligt fühlen könnten, dieses Gefühl zu nehmen. Das Gefühl, nicht etwa die tatsächliche Benachteiligung.

Auch Religion wird thematisiert. "Formulieren Sie Festgrüße möglichst individuell", heißt es da, und dass im Kölner Diversity Kalender eine Vielzahl von Feiertagen zu entdecken sei. An sich sehr schön – aber wie viel taugt das, solange christliche Feiertage von Gesetzes wegen arbeitsfrei sind, während Angehörige anderer Religionen Urlaubstage aufwenden müssen, um ihre Feste begehen zu können? Ehrlicher wäre: die Abschaffung gesetzlicher Feiertage bei gleichzeitiger Aufstockung des Urlaubsanspruchs um eine entsprechende Zahl an freien Tagen, die dann jeweils individuell für religiöse Festtage oder auch nicht-religiöse Anlässe genommen werden können.

Schon die Einteilung der Werkwoche mit dem christlichen Sonntag als verbindlichem Ruhetag ist vor diesem Hintergrund fragwürdig. Eine Ungerechtigkeit, die nicht dadurch weggeht, dass ich "Frohe freie Tage" statt "Frohe Weihnachten" wünsche.

Beschämend ist es, dass in dem Leitfaden der Satz auftaucht: "Ein ausländisch klingender Name oder eine Hautfarbe gibt keine Auskunft über die Deutschkenntnisse". Wer das im Jahr 2021 erst in einer offiziellen Handreichung nachlesen muss, braucht ganz andere Schulungsmaßnahmen, um für die Verwaltung der viertgrößten Stadt in Deutschland tätig zu sein.

Rollstuhlgerechte Zugänge fehlen

Dann, als Königsdisziplin: Diversity. "Nutzen Sie geschlechterumfassende Formulierungen", lautet das Gebot. So sei der Ausdruck "Rollstuhlgerechter Zugang" dem "Zugang für Rollstuhlfahrer" vorzuziehen. Wenn sie denn nur endlich flächendeckend da wären, die rollstuhlgerechten Zugänge, die rollstuhlnutzende Menschen aller Geschlechter noch immer an vielen Stellen der Stadt schmerzlich vermissen!

Und: "Manchmal passiert es, dass Frauen von sich in der männlichen Form reden." Oh, Schreck! Aber was eigentlich, wenn sich genau das für sie richtig anfühlt? Muss ich mich mit jedem Satz, den ich über mich formuliere, sexualisieren? Auf die Frage nach meinem Berufsstand antworte ich: "Journalist." Was, wenn ich mich gut damit fühle? Bin ich dann keine richtige Frau?

Auch mir ist Geschlechtergerechtigkeit wichtig. Den Sprachgebrauch zu hinterfragen, kann ein Schritt in die richtige Richtung sein. Doch die Realität ist: In Köln steht nicht nur eines der größten Bordelle Europas. Köln ist auch die Stadt, in der aus Jungen Gardisten und Präsidenten der Traditionscorps im Karneval werden können, während Mädchen davon träumen dürfen, sich lächelnd durch die Luft werfen zu lassen und dabei im richtigem Moment die Beine zu spreizen.

Denn in dieser Stadt gilt es als Kulturgut, dass betrunkene alte Männer sich an Mädchenhintern in gerüschten Schlüpfern erfreuen. Wie viele Sternchen soll man im Wort Fun*ke*ma*rie*chen setzen, damit diese Tatsache gendergerecht wird?

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Empfindungen der Autorin
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