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Köln: "Antisemitismus melden" – Onlineportal soll Übergriffe dokumentieren


Neue Meldestelle
"Es gibt in Köln konstanten Antisemitismus im Alltag"

Von Florian Eßer

13.05.2021Lesedauer: 3 Min.
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Offene Hassparolen: Auf diesen Demos ist es zu antisemitischen Ausfällen gekommen. (Quelle: t-online)

Köln reagiert auf zunehmenden Antisemitismus in der Stadt: Eine kürzlich eingerichtete Online-Meldestelle soll helfen, Übergriffe und Beleidigungen zu dokumentieren.

Vor der Kölner Synagoge am Rathenauplatz stehen Streifenwagen. Für die Passanten auf der Roonstraße ist das traurigerweise ein gewohnter Anblick, denn die Polizisten sind hier jeden Tag. Rund um die Uhr – und nach judenfeindlichen Aktionen vor Synagogen in anderen Städten wurde die Zahl der Beamten sogar noch erhöht. Dass eine Überwachung der Synagoge durch Polizisten nach wie vor nötig ist, führt noch einmal deutlich vor Augen, dass Antisemitismus auch in Köln nach wie vor präsent ist.

Am Dienstag wurde eine israelische Flagge vor einer Synagoge in Münster verbrannt, am Montag wurde in Düsseldorf Feuer an einem Gedenkstein gelegt. Doch auch in Köln kommt es immer wieder zu antijüdischen Übergriffen – weswegen vor Kurzem eine Online-Meldestelle eingerichtet wurde, über die Betroffene und Zeugen derartige Vorfälle dokumentieren können.

Wie präsent Antisemitismus in den lvergangenen Jahren war, zeigt auch eine Statistik, die im Jahr 2020 im Auftrag von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, der Antisemitismusbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen, herausgegeben wurde: Demnach sind im Zeitraum von 2014 bis 2018 allein in NRW 1.611 antisemitischen Straftaten begangen worden, 283 von ihnen im Regierungsbezirk Köln. Wohlgemerkt umfasst diese Statistik jedoch nur Straftaten – andere Vorfälle antisemitischer Natur sind in ihr nicht erfasst.

"Antisemitismus sichtbar machen und bekämpfen"

Um aber auch jene Vorfälle zu dokumentieren, die nicht in den justiziablen Bereich fallen, wurde im März die "[m²]-Meldestelle" eingeführt – ein Internetportal, auf dem Betroffene und Zeugen antijüdische Vorfälle melden können, um Antisemitismus sichtbar zu machen und zu bekämpfen: "Der Anteil antisemitischer Vorfälle im sogenannten Dunkelfeld ist groß", erklärte Leutheusser-Schnarrenberger im März.

"Beschimpfungen, Schmähungen und Übergriffe werden in der Polizeistatistik nicht vollumfänglich erfasst, prägen aber den Alltag vieler Jüdinnen und Juden in unserem Land." Solche Beleidigungen und Übergriffe liegen etwa dann vor, wenn Menschen körperlich oder verbal angegriffen werden, weil sie jüdisch sind, aber auch dann, wenn Jüdinnen und Juden unterstellt wird, sie seien Teil einer weltweiten Führungsriege oder nur dem Staate Israel gegenüber loyal.

Häufig hat Antisemitismus einen Bezug zu Israel

Wie Daniel Vymyslicky von der Kölner Meldestelle berichtet, sei der heutige Antisemitismus nämlich weniger religiös oder rassistisch motiviert, sondern eher politischen Ursprungs: "Es gibt auch in Köln einen konstanten Antisemitismus im Alltag, aber wenn es zu Konflikten im Nahen Osten kommt, in die Israel involviert ist, kommt es vermehrt zu antijüdischen Vorfällen."

Erst kürzlich sei Vymyslicky etwa gemeldet worden, dass drei Stolpersteine in Köln mit den Buchstaben BDS beschmiert worden sind. Die Abkürzung steht für "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen" und steht für eine politische Kampagne zur kulturellen, finanziellen und politischen Isolierung Israels.

"Verschwörungstheorien und Antisemitismus passen sehr gut zusammen"

Weiter erklärt Vymyslicky, dass es auch im Zuge der Corona-Pandemie zu einer neuen Welle antisemitischer Handlungen gekommen sei – etwa indem den Juden die Schuld an der Pandemie gegeben wird: "Man muss nicht Geschichte studiert haben, um zu wissen, dass bei Pandemien schon früher die Juden als Sündenbock benutzt wurden", so Vymyslicky.

Im Februar erst waren in Stadtbahnen der Kölner Verkehrsbetriebe Flyer verteilt worden, welche dem Judentum die Schuld an der Corona-Pandemie zuwiesen und antijüdische Ressentiments schürten. Auch auf Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie fallen Teilnehmer immer wieder durch Relativierungen des Holocausts sowie antisemitische Plakate und Parolen auf. "Antisemitismus ist in diesem Kontext absolut verbreitet", erzählt Vymyslicky, "auch in Köln und auf den Demos, die hier stattfinden."

"Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem"

Dennoch sei der Antisemitismus nicht nur in radikalen Kreisen und in der Querdenker-Szene vertreten, sondern auch immer noch Teil des Gedankenguts der bürgerlichen Mitte: "Es ist wichtig, dass man dieses Problem nicht nur auf Verschwörungsideologien, Rechtsextreme und Islamisten abwälzt", so Vymyslicky, "sondern es als gesamtgesellschaftliches Problem betrachtet."

Die neue Kölner Meldestelle für antisemitische Vorfälle könnte so auch ein Instrument dafür sein, das Problem der Judenfeindlichkeit aus dem Dunkelfeld in die Öffentlichkeit zu bewegen: "So können wir etwa sehen, ob eher Einzelpersonen zum Opfer von Übergriffen werden, oder ob sich die antisemitischen Handlungen eher gegen Bauwerke und Denkmäler richten", erklärt Daniel Vymyslicky.

Die Meldestelle ist dabei Teil der Fachstelle "[m²] miteinander mittendrin", die auch ein Beratungsangebot für Betroffene von Antisemitismus anbietet. Dort erhalten Betroffene auf Wunsch nicht nur Hilfe beim Stellen einer Strafanzeige und bei Behördengängen, sondern können auch eine psychosoziale Unterstützung in Anspruch nehmen.

Verwendete Quellen
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