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Köln: Versuchter Mord an Mutter von Schulfreundin – 19-Jähriger zu Haft verurteilt


Prozess in Köln
Versuchter Mord an Mutter von Freundin – 19-Jähriger verurteilt


24.11.2021Lesedauer: 4 Min.
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Akten liegen auf einer Richterbank (Symbolbild): Der 19-Jährige muss eine siebeneinhalb Jahre lange Freiheitsstrafe absitzen.Vergrößern des Bildes
Akten liegen auf einer Richterbank (Symbolbild): Der 19-Jährige muss eine siebeneinhalb Jahre lange Freiheitsstrafe absitzen. (Quelle: Deutzmann/imago-images-bilder)

In Köln ist ein 19-Jähriger zu einer Haftstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt worden. Er hatte aus enttäuschter Liebe die Mutter seines Schwarms fast zu Tode gestochen.

Das Spektrum an Möglichkeiten war groß, als es vor der Vierten Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts um das Urteil im Fall eines 19-Jährigen ging, der am 20. April 2021 die Mutter einer Schulfreundin mit 36 Messerstichen niedergestochen hat. Die Plädoyers bewegten sich zwischen einer Verurteilung zu lebenslanger Haftstrafe wegen versuchten Mordes und einem Urteil nach Jugendstrafrecht wegen gefährlicher Körperverletzung.

Staatsanwalt Moritz Osterspey forderte eine Verurteilung wegen versuchten Mordes zu lebenslanger Haftstrafe. Dabei solle die besonderer Schwere der Schuld festgestellt werden. Zusätzlich beantragte er den Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung. Dem jungen Mann wäre es damit kaum noch möglich gewesen, jemals wieder in die Freiheit zu kommen.

Prozess in Köln: Mehrjährige Haftstrafe für Angeklagten

Verteidigerin Sabrina Buelli argumentierte: Der Angeklagte sei vom Mordversuch zurückgetreten. Das müsse für dieses Verbrechen strafbefreiend wirken, so dass es sich um eine gefährliche Körperverletzung, wenn auch drastischen Ausmaßes, handele. Außerdem sprach sie sich dafür aus, den jungen Mann nach Jugendstrafrecht zu verurteilen.

Worum ging es in dem Prozess? Offenbar aus enttäuschter Liebe wollte ein 19-Jähriger eine frühere Mitschülerin umbringen. Als deren Mutter jedoch die Tür öffnete, stach der Angeklagte zu – und verletzte die Frau mit 26 Messerstichen schwer. Der Tatvorwurf lautete deshalb versuchter Mord. Seit mehr als einem Monat lief der Prozess am Kölner Landgericht.

Mit ihrer Entscheidung trafen die Richter ein Maß dazwischen. Sie verurteilten den Angeklagten wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten. Die Haft soll in einer sozialtherapeutischen Einrichtung vollzogen werden. Die Sicherungsverwahrung wird nach Kammerbeschluss vorbehalten – sie bleibt also eine Möglichkeit, über die aber erst nach Ablauf der Haft auf Grundlage neuer Gutachten gerichtlich entschieden wird.

Verteidigerin: Gutachten vernachlässigt wichtige Aspekte

"Er dachte über Suizid nach, aber er wollte nicht nur sich umbringen, weil er befürchtete, sie würde dann über ihn lachen. Es sollte sich aber niemals wieder jemand über ihn lustig machen", beschrieb der Staatsanwalt Moritz Osterspey die Motive des jungen Mannes, der während der Schulzeit mehrfach Mobbing erlebt habe.

So habe der Angeklagte den Entschluss gefasst, die junge Frau zu entführen, um später erst sie, dann sich umzubringen, falls sie nicht doch mit ihm hätte auswandern wollen. Um diesen Plan umsetzen zu können, habe er an der Tür der Familie geklingelt und auf die Mutter eingestochen, sobald diese die Tür geöffnet hatte.

Verteidigerin Sabrina Buelli kritisierte, dass im psychiatrischen Gutachten die Frage nach einer verminderten Schuldfähigkeit nicht adäquat beleuchtet worden sei. "In seiner gestörten Wahrnehmung hatte er keine andere Wahl", argumentierte sie: "Die Tat spiegelt, dass er außer Kontrolle geraten ist." Nach der Tat soll er Reue gezeigt haben, wie die Aussage eines Polizisten nahelege: "Er lag mit Handschellen auf dem Boden und seine erste Frage war: Wie geht es der Frau?"

In seinem letzten Wort vor der Urteilsverkündung hat der Angeklagte im Gericht selbst zur Geschädigten gesagt: "Ich bin froh, dass Sie noch leben. Ich hoffe, dass Sie nicht einfach nur leben, sondern dass es ein glückliches Leben ist."

Richterin: "Ein außergewöhnliches Verfahren"

"Es war ein sehr außergewöhnliches Verfahren", so die Vorsitzende Richterin Ulrike Grave-Herkenrath. "Ein 19-Jähriger, bei dem es um ein versuchtes Tötungsdelikt geht, bei dem sich die Frage stellt, ob nach Erwachsenenstrafrecht zu entscheiden ist und bei dem auch über den Vorbehalt einer Sicherungsverwahrung entschieden werden muss – das ist eine sehr seltene Konstellation."

Es sei "ein umgekehrtes Ausnahme-Regel-Verhältnis", dass bei Heranwachsenden nach Jugendstrafrecht entschieden werde: Grundsätzlich gelte das Erwachsenenstrafrecht, aber meist werde wegen Reifeverzögerungen nach dem Jugendstrafrecht entschieden. "Wir haben zwar auch hier einen Zustand, den man als reifeverzögert sehen kann, aber parallel dazu eine bestehende Persönlichkeitsstörung." Durch sie gebe es nicht mehr den Raum zur "Nachreifung". Die Kammer entschied daher nicht nach Jugendstrafrecht.

Gefährlicher Mechanismus von Überhöhung und Entwertung

Obgleich für Mord grundsätzlich eine lebenslange Freiheitsstrafe gelte, sei es möglich, das Strafmaß zu reduzieren, da es sich um einen Versuch handele. "Wir sind der Auffassung, dass wir eine Strafrahmenverschiebung nicht versagen können und sollen", so die Vorsitzende.

Dabei spiele das junge Alter des Angeklagten und der Gesamtkontext der Tat eine Rolle. Um das Geschehen zu erläutern, waren die Prozessbeteiligten in den vergangenen Wochen tief in die Biografie und Familiengeschichte des 19-Jährigen eingestiegen. Seine Kindheit war geprägt von erbitterten Sorgerechtsstreitigkeiten, die seine Mutter erst mit dem Vater seiner älteren Halbbrüdern, dann mit seinem eigenen Vater geführt hatte. Das Muster der Mutter, die Schuld immer bei anderen zu suchen, zeige sich auch beim Angeklagten, so Grave-Herkenrath. Für den Angeklagten spreche, dass er in einem Vergleich einer Schmerzensgeldzahlung von 50.000 Euro und möglicher weiterer Kosten zugesagt hatte.

Gutachter hatten beim Angeklagten eine komplexe Persönlichkeitsstörung mit stark narzisstischen und diversen weiteren Tendenzen diagnostiziert. Sie sei der Grund dafür, dass der Angeklagte das Mädchen, in das er sich verliebt hatte, erst idealistisch überhöhte, dann aber umso tiefer enttäuscht von ihr war, da sie seine Gefühle nicht erwiderte. Diese Struktur von Überhöhung und Entwertung könne ohne einen Behandlungserfolg jederzeit wieder greifen, daher sei der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung erforderlich. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen und Gespräche im Gerichtssaal
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