"Wie im Film" Ermittler berichten über skurrile Geiselnahme bei Köln

Neue Details zum Kölner Drogenkrieg: Im Prozess um die Geiselnahme in einem Drogenversteck sagt der Chefankläger selbst aus.
Es ist eine ungewöhnliche E-Mail, die Anfang Juli 2024 im Polizeipräsidium Köln eingeht. Absender ist ein gewisser "Moritz Klein", verschickt von einem herkömmlichen Gmail-Konto. Der Inhalt der E-Mail ist brisant: Er beschreibt die Strukturen einer international agierenden Drogenbande aus Köln, die skrupellos vorgehe und wöchentlich kiloweise Drogen quer durch Deutschland transportiere.
Die Ermittler finden schnell heraus, dass hinter der E-Mail höchstwahrscheinlich Ilias E. steckt. Nach dem Raub von 350 Kilogramm Marihuana aus einem Versteck der Kölner Drogenbande in Hürth ist er untergetaucht. Ilias E. war einst einer der engsten Vertrauten von Bandenchef Sermet A., jetzt fürchtet er um sein Leben und das seiner Familie.
Kölner Drogenkrieg: Neue Details zur Geiselnahme in Hürth bekannt
Keine zwei Wochen, bevor die E-Mail bei der Kölner Polizei auftaucht, hat Ilias E. Angst zu sterben. Sermet A. zitiert ihn für eine Befragung in das Drogenversteck der Bande in Hürth. Dort, wo Ilias E. eigentlich dafür Sorge tragen sollte, dass die Lieferung von insgesamt 700 Kilogramm Marihuana sicher ist. Stattdessen fehlt nun rund die Hälfte der Ware.
Von drei bis vier Männern werden Ilias E. und weitere Mitglieder der Drogenbande gefesselt. In einer Erklärung über seinen Anwalt spricht er selbst davon, "gefesselt und gefoltert" worden zu sein. "Ich hatte zum Teil Angst, dass ich da nicht mehr lebend rauskomme", erklärt das Ex-Mitglied der Drogenbande weiter.
Erst die Polizei kann die Geiseln befreien, nimmt dabei drei der mutmaßlichen Geiselnehmer fest. Sie waren vor den Beamten aus der Lagerhalle geflohen, hatten sich in einem Gebüsch hinter der Halle versteckt. Es sind Dhelmar B. (30), Sudnyson B. (24) und Wesley S. (21). Folter wirft den drei Niederländern die Anklage nicht vor, dafür Geiselnahme und gefährliche Körperverletzung.
"Wie im Film": Polizei beendet Geiselnahme bei Köln
Ein Polizist, der bei dem Einsatz dabei war, berichtet vor Gericht von Szenen "wie im Film". In der Lagerhalle hätte ein Stuhl mit einer Plastikplane gestanden. Es hätte so ausgesehen, als hätte dort bis vor Kurzem ein Mensch gesessen. Dort, wo normalerweise der Hals wäre, hätte eine Schlinge auf der Plane gelegen. In anderen Räumen hätten die Ermittler Stühle gefunden, auf denen noch Fesselspuren wie etwa Klebebandreste zu sehen waren.
Ilias E. soll eine der Geiseln gewesen sein. Ebenso Omer M., Kedir K., Saddam B. und ein Mann mit dem Vornamen Aymen. Saddam B. ist in einem weiteren der Drogenprozesse angeklagt, seine beiden Mitangeklagten heißen Aymen. Ob einer der beiden ebenfalls zu den Geiseln gehörte, ist nicht geklärt. Fest steht: Sie alle wussten von dem Versteck – und zählten somit zu dem möglichen Kreis der "Verräter".
Kölner Drogenprozesse: Ließ die Polizei einen Dealer laufen?
Neben den drei Männern treffen die Polizisten auch auf Aykut E. an der Halle. Der Mann, der als eine Art "rechte Hand" von Bandenboss Sermet A. gilt, darf den Tatort aber schnell verlassen. Den Ermittlern sagt er, er hätte sich verfahren. Da er einen gepflegten Eindruck gemacht habe, hätten ihn die Polizisten gehen lassen.
- Drogenkrieg: Das sind die Strippenzieher der Kölner Drogenbande
Erst später schöpfen sie Verdacht: Eine Überwachungskamera zeigt, dass sein Auto über mehrere Stunden an der Lagerhalle gestanden hatte.
Koks, Marihuana, Heroin: Kölner Bandenmitglieder brechen Schweigen
Ilias E. und Aykut E. sitzen mittlerweile in Untersuchungshaft, haben beide Erklärungen über ihre Anwälte abgegeben. Aus diesen zitiert Staatsanwalt Reiners, der am Donnerstag (22. Mai) als Zeuge auftritt. Er hat einige der Anklagen in den Kölner Drogenprozessen verfasst.
Für nicht glaubhaft hält er vor allem die Schilderungen von Aykut E. Reiners: "Sie sind an einigen Stellen nicht plausibel. Es gibt Zweifel, dass sich die Geschehnisse in der Lagerhalle genauso abgespielt haben, wie von ihm beschrieben."
Geiselnahme bei Köln: Angeklagten drohen hohe Strafen
Gegen die Darstellung von Aykut E. sprechen nicht nur die Stellungnahme von Ilias E., sondern auch die Aussagen weiterer Zeugen. Dass die Geiseln von den drei festgenommenen Männern geschlagen und bedroht wurden, scheint wahrscheinlich. Beauftragt wurden sie laut Anklage von Sermet A. und einem unbekannten Mann namens "Lago", dem die 700 Kilogramm Marihuana gehört haben sollen.
Die Anwälte der drei Angeklagten hatten am Mittwoch noch auf eine Verständigung mit dem Gericht gehofft, ein Rechtsgespräch blieb allerdings ohne Erfolg. Die in Aussicht gestellte Strafe von acht bis neun Jahren für Sudnyson B. und Dhelmar B., sowie drei bis vier Jahre Jugendstrafe für Wesley S., sieht die Verteidigung als zu hoch an. Ein Urteil wird erst Ende August erwartet.
- Reporter vor Ort