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"Atomwaffen Division": Razzia – Was über Neonazi-Anführer Leon R. bekannt ist


Razzia gegen "Atomwaffen Division"
Was über den Neonazi-Anführer Leon R. bekannt ist

Von Andreas Raabe

Aktualisiert am 06.04.2022Lesedauer: 5 Min.
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Laut der Recherchegruppe Exif zeigt das Bild zwei der Festgenommenen im Eisenacher "Flieder Volkshaus": Leon R. (m.) und Bastian A. (mit Hitlergruß).Vergrößern des Bildes
Laut der Recherchegruppe Exif zeigt das Bild zwei der Festgenommenen im Eisenacher "Flieder Volkshaus": Leon R. (m.) und Bastian A. (mit Hitlergruß). (Quelle: Exif-Recherche)

Am frühen Morgen stürmten schwerbewaffnete Polizisten bundesweit Schlupfwinkel militanter Neonazis. Mehrere Männer wurden festgenommen, Leon R. soll ihr Anführer sein. Wer ist dieser Mann?

Bei der bundesweiten Razzia gegen Neonazi-Netzwerke sticht ein Name besonders hervor: Leon R. aus Eisenach. Der 24-Jährige soll Rädelsführer der rechtsextremen Kampfsportgruppe Knockout 51 sowie Anhänger der US-amerikanischen Neonazi-Terrorgruppe "Atomwaffen Division" sein und wird der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verdächtigt.

R. gilt schon seit Jahren als eine zentrale Figur der thüringischen Neonazi-Szene. Der Kampfsportler ist Wirt in der Kneipe Bull’s Eye in Eisenach, die als Treffpunkt von Rechtsextremen bekannt ist. Tatsächlich wurde das Bull’s Eye bei der großangelegten Razzia am Mittwoch durchsucht. Ein weiterer wichtiger Ort der Eisenacher Neonazi-Szene ist das "Flieder Volkshaus", Sitz der örtlichen NPD. Auch hier eine Durchsuchung.

Im "Volkshaus" entstand laut der Recherchegruppe "Exif" im Januar dieses Jahres ein Foto, das R. im Kreise seiner Kameraden vor einer Hakenkreuzfahne posierend zeigt. Neben R. soll ein zweiter, am Mittwoch Festgenommener stehen: Bastian A. – er hebt die Hand zum Hitlergruß.

"Es geht ihnen darum, den Körper zur Waffe zu machen"

Leon R. sei Anführer der von Eisenach aus agierenden Kampfsportgruppe Knockout 51, wirft die Bundesanwaltschaft ihm nun vor. Die Zahl 51 steht dabei für das Autokennzeichen von Eisenach: EA. Und Knockout für das, was die Männer sich auf die Fahnen geschrieben haben: Menschen, die ihnen nicht gefallen, Gewalt anzutun.

Spätestens seit März 2020 sei die Vereinigung laut Bundesanwaltschaft auf die Begehung von erheblichen Straftaten ausgerichtet. Hierzu würden vor allem Körperverletzungsdelikte gehören, die vor allem gegen Angehörige aus dem politisch linken Spektrum begangen würden, aber auch gegen die Polizei und alle, die nach der rechtsextrem und rassistisch geprägten Weltsicht der Gruppierung bekämpft werden dürfen.

"Es geht ihnen darum, den Körper zur Waffe zu machen", sagt der Extremismusexperte Axel Salheiser, der als Wissenschaftler an der Uni Jena seit vielen Jahren zu rechtsextremen Strukturen forscht. Er spricht von einer "aggressiven und gewalttätigen Raumnahme vor Ort in Eisenach" durch die Gruppe um Leon R. – und das seit Jahren.

Junge Männer, ausgebildet zum Straßenkampf

Zusammen mit Leon R und Bastian A. wurden am Mittwoch zwei weitere Männer festgenommen: Maximilian A. und Eric K. Sie alle sollen Führungspositionen in der Vereinigung besetzen, wirft ihnen die Bundesanwaltschaft vor.

Bei der Gruppierung handele es sich um eine rechtsextremistische Kampfsportgruppe, die unter dem Deckmantel des gemeinsamen körperlichen Trainings junge, nationalistisch gesinnte Männer anlocke, diese bewusst mit rechtsextremem Gedankengut indoktriniere und für Straßenkämpfe ausbilde.

Die Trainings fänden unter der Leitung von Leon R. in Eisenach regelmäßig im "Flieder Volkshaus" statt, schreibt die Bundesanwaltschaft.

Im Visier der Nazi-Jäger um Lina E.

Zuletzt geriet der Name Leon R. wegen eines Prozesses um Linksextremismus im sächsischen Dresden in die Schlagzeilen. R. sagte dort als Zeuge gegen eine Gruppe mutmaßlicher Linksextremisten aus, die von Leipzig aus Überfälle auf Neonazis in Ostdeutschland geplant und ausgeführt haben sollen.

Dabei sollen sie die Rechtsextremen unter anderem mit Schlagstöcken und Reizgas malträtiert und verletzt zurückgelassen haben. Laut Bundesanwaltschaft soll diese Gruppe von der Leipziger Studentin Lina E. angeführt worden sein.

Offenbar widmeten die Nazi-Jäger dem Netzwerk um Leon R. ganz besondere Aufmerksamkeit. Er soll bei gleich zwei ihrer Attacken im Fadenkreuz gestanden haben: Einmal bei einem Überfall auf seine Kneipe Bull's Eye in Eisenach und einmal, als ihn Vermummte vor seinem Wohnhaus aufsuchten.

Pikanterweise gilt ausgerechnet Leon R. darum der Bundesanwaltschaft als wichtigster Zeuge in dem Linksextremismus-Prozess. Offenbar haben die Ermittler im Lina-E.-Prozess auf die Glaubwürdigkeit eines Zeugen gesetzt, gegen den sie selbst gleichzeitig wegen der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung ermittelte.

Kern der deutschen Neonazi-Bewegung

"Es ist schon bemerkenswert, dass der Generalbundesanwalt nun seinen eigenen Zeugen einfliegen lässt", sagt auch Felix Steiner von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen zur Festnahme von Leon R. "Aber es zeigt auch die große Bedeutung des Netzwerkes in Eisenach für die gesamtdeutsche Neonazi-Szene."

In Eisenach habe sich in den letzten zehn Jahren eine militante rechtsradikale Jugendszene entwickeln können, in deren Zentrum unter anderem Leon R. gestanden habe. "Die haben sich immer weiter radikalisiert", sagt Steiner, "und gehören inzwischen zum Kern der deutschen Neonazi-Bewegung."

Neben vielen Körperverletzungsdelikten, die den Männern von Knockout 51 vorgeworfen werden, sollen sie beispielsweise auch auf Corona-Demos Flagge gezeigt haben. Beobachter der Szene machten Mitglieder der Gruppe auch beim Sturm auf die Polizeikette während einer Querdenker-Demo in Leipzig im November 2020 aus.

Tipps von der "Atomwaffen Division"

Hinzu komme die große Bedeutung der internationalen Verflechtungen unter anderem mit der US-amerikanischen rechten Terrorgruppe "Atomwaffen Division" (AWD), in deren digitalen Netzwerken Leon R. unterwegs war, was dieser selbst vor Gericht zugegeben hat.

Dort gab er an, dass er zwar Kontakt zu einer Person aufgenommen habe, die "in den USA verantwortlich dafür ist, die Videos für die Bewegung zu schneiden", so auch für die "Atomwaffen Division".

Der 24-Jährige sei sich aber nicht darüber bewusst gewesen, dass diese Person auch selbst Mitglied in der Organisation ist. Letztlich legte er sich darauf fest, dass er den Mann nur wegen einer fachspezifischen Frage zu Videoschnitt konsultiert habe.

Das sehen die Ermittler etwas anders. Leon R. gilt nun als Beschuldigter im AWD-Komplex, der Bundesanwalt bringt ihn nach t-online-Informationen mindestens mit zwei Flugblattaktionen in Berlin und Frankfurt in Verbindung.

Recherchen von t-online brachten ihn schon 2019 in Zusammenhang mit der "Atomwaffen Division". Damals soll er über ein rechtes Szeneforum Kontakt zu deren Mitgliedern gesucht haben.

In Eisenach: "Riesenerleichterung, dass die von der Straße sind"

Die Razzia und die Festnahmen seien ein herber Schlag gegen die Neonazi-Szene, der heute erfolgt sei, sagt Rechtsextremismusexperte Felix Steiner. Für Eisenach bedeute das erstmal, dass diese Personen "von der Straße sind", sagt Steiner. Und: "Es ist eine Riesenerleichterung für alle vor Ort, die im Fokus dieser Gruppe standen, bedroht und angegriffen wurden."

Auch Axel Salheiser von der Uni Jena meint: "Eisenach hat sich zum Magnet der rechtsextremen Szene in Deutschland entwickelt." Das zeige zum Beispiel auch der Zuzug von älteren Rechtsextremen wie dem früheren Combat-18-Chef Stanley R. Der sei nach Eisenach gekommen, weil "hier die Bedingungen so günstig sind", meint Salheiser.

Nur die "üblichen Verdächtigen"?

Die Razzia und die Festnahmen heute hätten zwar Signalwirkung, dass der Staat den Verfolgungsdruck erhöht, sagt Salheiser. Von einem entscheidenden Schlag gegen die Neonazi-Szene will er aber nicht sprechen: "Das Netzwerk dahinter ist sehr groß und teilweise so klandestin, also versteckt, das haben ja auch die Ermittlungen zum NSU gezeigt", erklärt Salheiser.

"Jetzt wurden nur die üblichen Verdächtigen festgenommen, die Spitze des Eisbergs." Die Strukturen würden überwintern, meint der Wissenschaftler: "Es gibt einfach noch sehr viele Unterstützer."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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