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Verfassungsrichter kippen Kommunalwahlgesetz in NRW


Kleine Parteien klagten
Verfassungsrichter kippen Kommunalwahlgesetz in NRW

Von dpa
Aktualisiert am 20.05.2025 - 13:21 UhrLesedauer: 3 Min.
Verfassungsgerichtshof kippt NRW-KommunalwahlgesetztVergrößern des Bildes
Das Votum des Gerichts fiel mit 4:3 Stimmen ungewöhnlich knapp aus. (Archivbild) (Quelle: Friso Gentsch/dpa/dpa-bilder)
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Bei der Wahl soll jede Stimme zählen - doch nach einer Änderung des Kommunalwahlgesetzes fürchten kleine Parteien, in den Räten zu kurz zu kommen. Nun gibt es eine Entscheidung aus Münster.

Das von CDU, SPD und Grünen im vergangenen Jahr verabschiedete neue Kommunalwahlgesetz verstößt gegen die Landesverfassung in Nordrhein-Westfalen. Das hat der NRW-Verfassungsgerichtshof in Münster entschieden. Das im Gesetz verankerte neue Sitzverteilungsverfahren auf Basis des Wahlergebnisses verletzt nach Überzeugung der Verfassungsrichter das Recht der kleineren Parteien auf Chancengleichheit.

Der Landesgesetzgeber habe mit der Modifizierung des bisherigen Verfahrens die bisher bereits vorhandene Ungleichgewichtung nicht beseitigt. Bei Aufrundungen würden kleinere Parteien nach Überzeugung des Verfassungsgerichtshofs systematisch benachteiligt, indem Aufrundungsgewinne allein den großen Parteien zugewiesen würden. Geklagt hatten die Landesverbände der Parteien Volt Deutschland, Piraten, das Bündnis Sahra Wagenknecht, die Linke, "die Partei" und die FDP. Im September gibt es in NRW Kommunalwahlen.

Unterschiedliche Berechnungsmodelle

Für die Berechnung der Sitzverteilung in den Gemeinde- und Stadträten gibt es auf Basis der Wahlergebnisse unterschiedliche mathematische Modelle. Zwischen den Experten ist unstrittig, dass es bei allen Verfahren zu Ungenauigkeiten und damit zu Ungerechtigkeiten bei der Sitzverteilung kommen kann. Die Wahlergebnisse müssen nach der Auszählung der Stimmen gerundet werden. CDU, SPD und Grüne hatten sich auf das sogenannte "Rock-Verfahren" verständigt und das Sitzzuteilungsverfahren nach "Sainte-Laguë" ersetzt.

Das Votum des Gerichts fiel mit 4:3 Stimmen ungewöhnlich knapp aus. Die Präsidentin Barbara Dauner-Lieb fehlte krank bei der Verkündung. Vizepräsident Andreas Heusch gab die Entscheidung an ihrer Stelle bekannt. Heusch gehört zu drei Verfassungsrichtern, die keine Bedenken gegen das neue Kommunalwahlgesetz haben.

Sondervotum von drei Verfassungsrichtern

Heusch, der auch Präsident beim Verwaltungsgericht Düsseldorf ist, Bernd Grzeszick, Staats- und Verfassungsrechtler an der Uni Heidelberg, und Claudio Nedden-Boeger, Richter am Bundesgerichtshof, betonten in ihrem Sondervotum, dass das "Rock-Verfahren" aus ihrer Sicht ein verfassungsrechtlich unbedenkliches Berechnungssystem sei. Es vermeide die bislang bei Kommunalwahlen regelmäßig auftretenden überproportionalen Rundungsgewinne bei kleineren Parteien.

Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) sagte nach der Entscheidung aus Münster: "Es gilt der Grundsatz, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung Urteile des Verfassungsgerichtshofs respektiert und sie auch anwendet." Damit dürften im September bei der nächsten Kommunalwahl die Sitze wieder nach dem alten Verfahren verteilt werden.

Reaktion der Kläger

Die Kläger zeigten sich durchgehend zufrieden mit der Entscheidung der Verfassungsrichter. "Das ist ein guter Tag für die kommunale Demokratie. Und es ist wahrlich eine Klatsche für die CDU, SPD und Grünen im Landtag. Ihr undemokratisches und verfassungswidriges Ansinnen, die kleinen Parteien und Wählergemeinschaften bei den Kommunalwahlen und in der Kommunalpolitik zu diskriminieren, ist auf ganzer Linie gescheitert", sagte Amid Rabieh, Landesvorsitzender des BSW.

"Die heutige Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs stellt klar, dass Wahlrechtsreformen nicht dazu genutzt werden dürfen, parteipolitische Interessen durchzusetzen oder die politische Vielfalt systematisch einzuschränken", erklärte Viola Neumann, stellvertretende Landesvorsitzende von "Die Partei".

"Ich habe in den Debatten stets gesagt: Ein Wahlrecht muss über jeden Zweifel erhaben sein. Es darf nicht darum gehen, das Wahlrecht bis an die Grenze des Verfassungsrechts zu den eigenen Gunsten zu verschieben – sondern ein Wahlrecht im Interesse der Wählerinnen und Wähler zu gestalten. CDU, SPD und Grüne haben sich von ihren eigenen Vorteilen leiten lassen", sagte FDP-Landeschef Henning Höne.

Sebastian Merkens, Landesgeschäftsführer der Linken NRW, betonte:
"Unsere Demokratie lebt von Vielfalt. Es darf nicht sein, dass kleine Parteien durch neue Rechenmodelle aus den Räten gedrängt werden. Dieses Urteil ist ein wichtiger Erfolg für faire Wahlen." Ähnlich äußerte sich auch die Piratenpartei.

CDU und Grüne bedauern Entscheidung

CDU und Grüne äußerten sich nach der Entscheidung gemeinsam. "Wir wollten mit der Reform erreichen, dass jede Stimme möglichst den gleichen Einfluss auf die Sitzverteilung hat – fair, nachvollziehbar und im Sinne aller Wählerinnen und Wähler", sagten die Fraktionsvorsitzenden Thorsten Schick (CDU), Wibke Brems und Verena Schäffer (beide Grüne) im Landtag. Es könne heute passieren, dass eine Partei oder Wählergruppe mit nur wenigen Stimmen genauso viele Sitze bekomme wie andere mit deutlich mehr Stimmen. "Das halten wir für ungerecht und unser neues Verfahren sollte genau das verhindern."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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