Bundesliga DFL-Sicherheitspapier: "Macht der Fans wird völlig unterschätzt"

Der Kriminologe Thomas Feltes hat das umstrittene DFL-Sicherheitspapier für den deutschen Fußball als "unkonkretes Wunschkonzept" kritisiert. Der Jurist, der Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Fußball Liga (DFL) war, aber im September nach eigenen Angaben wegen kritischer Äußerungen aus dem Gremium geworfen worden war, ließ im Interview mit "Spiegel online" kein gutes Haar an dem Konzept.
"Durch dieses Papier und die öffentliche Diskussion dazu wird suggeriert, dass wir ein Sicherheitsproblem in deutschen Stadien haben. Das stimmt aber nicht", sagte Feltes. Er bemängelte, die DFL wolle das Papier nur durchbringen, "weil es die Politik so will und Maßnahmen fordert."
Kritische Fans sind nicht erwünscht
Nach Ansicht des Experten unterschätzen die Verantwortlichen die Macht der Fans. "Die Verbände müssen verstehen, dass Fußballfans keine dumpfe, unkritische Masse sind. Es entsteht eine immer größere Basis, welche die Vermarktung der Ware Fußball kritisch hinterfragt und Antworten sucht", so Feltes.
"Die Verbände hätten aber am liebsten lauter Jubelperser, die das Geld ins Stadion tragen, sich anständig benehmen und in die Kameras lächeln - so wie beim Tennis oder Golf", sagte er.
Geschultes Personal und unabhängige Spielbeobachter
Feltes sprach sich stattdessen dafür aus, bei den Bundesliga-Spielen nur Polizisten einzusetzen, die mit der räumlichen und regionalen Situation vertraut seien. Außerdem forderte er den Einsatz von unabhängigen externen Spielbeobachtern. Die 36 deutschen Profi-Vereine sollen am Mittwoch über das Papier abstimmen.
Fußballfans sind die "Schmuddelkinder"
Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS), registriert laut "FAZ" ein "großes Misstrauen" im Verhältnis zwischen Fans und dem organisierten Fußball. "Die Vereine und Verbände merken jetzt, dass sie das Thema Fußballfans mit zu wenig Aufmerksamkeit behandelt haben", sagte Gabriel. "Sie haben keine Idee, wie sie die Kommunikation und die Einbindung organisieren sollen. Das Thema Fußballfans wird unwillig behandelt, es sind die Schmuddelkinder."
Die Proteste gegen den Maßnahmenkatalog, so Gabriels KOS-Kollege Volker Goll, würden sich im Kern um eine andere, grundsätzlichere Frage drehen: "Wie werden wir als Fans gesehen und behandelt - als Zuschauer, als Konsumenten, als Gewalttäter oder wertschätzend als Unterstützer?"
Holzhäuser ist ein Fan von Ganzkörperkontrollen
Unterdessen hat sich Wolfgang Holzhäuser, Geschäftsführer von Bayer Leverkusen, für Ganzkörperkontrollen ausgesprochen und geht damit auf Konfrontationskurs zu den Fans. "Ich bin ein großer Fan von Ganzkörperkontrollen - nur nicht als obligatorische Maßnahme", sagte Holzhäuser der "Rheinischen Post". "Aber wenn dringender Tatverdacht vorliegt, muss ich als Hausherr das Recht haben, die Leute zu untersuchen - oder ihnen den Eintritt zu verwehren."
Diese "Vollkontrollen", wie sie bereits vor dem Bundesligaspiel zwischen Bayern München und Eintracht Frankfurt am 10. November durchgeführt worden sind, waren in den vergangenen Wochen für viele Fußball-Anhänger der Hauptgrund, um gegen das DFL-Sicherheitskonzept zu demonstrieren. Obwohl sich die DFL ebenfalls gegen Ganzkörperkontrollen ausgesprochen hat, fürchten mehrere Fanorganisationen die Einführung von "Nacktzelten", in denen sich die Fans für Kontrollen entkleiden müssen.