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Dominic Calvert-Lewin: Nationalspieler trägt Rock – und England flippt aus


Dominic Calvert-Lewin
Ein Nationalspieler trägt Rock – und Fußball-England flippt aus

  • Dominik Sliskovic
Von Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 26.12.2021Lesedauer: 4 Min.
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Dominic Calvert-Lewin: Der englische Nationalspieler trägt in seiner Freizeit nur selten Sportkleidung.Vergrößern des Bildes
Dominic Calvert-Lewin: Der englische Nationalspieler trägt in seiner Freizeit nur selten Sportkleidung. (Quelle: Buzzi/imago-images-bilder)

Dominic Calvert-Lewin ist Stürmerstar des Premier-League-Klubs FC Everton und englischer Nationalspieler. Seine andere große Leidenschaft neben dem Fußball ist die Mode. Das gefällt nicht jedem Fan.

Die Korkenzieherlocken adrett zum Seitenscheitel gekämmt, den Blick verspielt zwischen selbstbewusst und scheu flirtend gen Kamera gerichtet, das Schulmädchen-Outfit mit einer Prada-Umhängetasche aufgehübscht, ein Bein kess hinter das andere geschlagen.

Das alles klingt nach dem stereotypen Lolita-Motiv einer Modemagazin-Titelseite, wie es sie schon zuhauf gab. Nur mit dem Unterschied, dass dieses Nachwuchsmodel Bart trägt und englischer Fußball-Nationalspieler ist.

Die einen feiern Calvert-Lewins Mut, die anderen sprechen ihm seine Männlichkeit ab

Mit seinem unkonventionellen Covershooting für das Männermodemagazin "Arena Homme +" schickte Dominic Calvert-Lewin eine Schockwelle durch die englische Fußballöffentlichkeit.

Während die einen den 24-jährigen Stürmer des Premier-League-Klubs FC Everton für seinen Mut und sein Modebewusstsein lobten, wüteten andere über seine Infragestellung gängiger Geschlechterrollen und sprachen ihm wegen des Tragens eines Rocks seine Männlichkeit ab. Dass er kurz nach Veröffentlichung des Fotos erklärte, bei seinem Beinkleid handle es sich gar nicht um einen Rock, sondern um eine gekürzte, weitgeschnittene Hose – eine sogenannte Culotte – beruhigte die verärgerten Gemüter keineswegs. Das Ziel, zu polarisieren und Fragen – wie eben jener, was genau Männlichkeit definiert – in den öffentlichen Diskurs zu tragen, war Calvert-Lewin ganz offensichtlich hervorragend gelungen – sei es nun mit Rock oder ohne.

Dabei hätte es eigentlich niemanden mehr überraschen dürfen, dass Calvert-Lewin sich in einem solch, für die Verhältnisse der immer noch hypermaskulinen Fußballwelt, radikalen Outfit ablichten lässt.

Zusammenarbeit mit Stylisten macht Calvert-Lewin zur Zielscheibe

Der in der einstigen Stahlmetropole und heute recht tristen Post-Industriestadt Sheffield geborene und aufgewachsene Calvert-Lewin gilt bereits seit Längerem als äußerst modeaffin. Für erstes Aufsehen sorgte er im Februar 2020, als er mit seinem Everton-Kumpel Tom Davies zur New Yorker Fashion Week flog. Zwar gab es bereits damals erste spöttische Kommentare von Fans und insbesondere den britischen Boulevardzeitungen, die sein Outfit als "bizarr" bezeichneten, doch die Mehrzahl der Kommentare unter dem über 36.000 Mal gelikten Instagram-Post waren positiv. Was wohl auch daran lag, dass sich Calvert-Lewin mit seinem in Erdtönen gehaltenen Oversized-Anzug noch weitestgehend zurückhielt und einen gewissen machohaften Nostalgie-Chic alter Mafiastreifen bediente, auf den sich auch viele männliche Fußballfans einigen konnten.

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Diese Akzeptanz unter den Fußballfans änderte sich, als Calvert-Lewin begann, mit dem Stylisten Harry Lambert zusammenzuarbeiten. Lambert wiederum hat sich in den vergangenen Jahren als der Mann hinter dem öffentlichen Bild des Popstars Harry Styles einen Namen gemacht. Styles wurde mit seinem androgynem Auftreten zum Trendsetter und heimste Vergleiche mit Musikikone David Bowie ein.

Calvert-Lewins liebstes Accessoire, das seitdem auf kaum einem seiner Instagram-Posts fehlt: eine Pattentasche der französischen Luxusmarke Chanel. Die Reaktionen darauf: niveaulos vernichtend.

"Du bist eine verdammte Schande für alle Fans, die dein Gehalt zahlen. Würdest du genauso viel Einsatz beim Fußball zeigen wie bei deinem Versuch als verdammte Schwuchtel aufzutreten, hättest du auf jeden Fall das Gehalt verdient, das sie dir zahlen. Und jetzt verpiss dich nach London, du Wichser."

Dieser Kommentar, von einem Familienvater namens John, der in seinem Profil seinen Klarnamen und ein Foto seines jugendlichen Sohnes zeigt, soll an dieser Stelle nur beispielhaft für eine Vielzahl von beschämenden Hassnachrichten stehen, die Calvert-Lewin für seine modischen Entscheidungen erhält.

"Als hätten die Menschen Angst gegen den Strom zu schwimmen"

Es wäre nachvollziehbar, wenn sich Calvert-Lewin von solchen Kommentaren eingeschüchtert oder bedroht fühlen würde. Doch das Gegenteil ist der Fall: Er lacht darüber.

"Ich finde es lustig, dass so etwas für so viel Wirbel sorgt", sagte er dem Lifestyle-Magazin "Highsnobiety". Der elffache englische Nationalspieler weiter: "Wenn du etwas ungewöhnliches machst, oder zumindest etwas, was nicht jeder andere auch macht, wird dir gesagt, du sollst dich aufs Training und nicht auf Mode oder sonst einen anderen Kram konzentrieren. Es wirkt, als hätten die Menschen Angst gegen den Strom zu schwimmen."

Als "sehr clever" bezeichnete der britische Hochschuldozent Ike Rust Calvert-Lewins Modeverständnis und den Umgang mit negativen Rückmeldungen. "Er berührt damit so viele wunde Punkte: Er stellt damit das Establishment und seine Heuchelei bloß, er bedient Fantasien, und trägt zur Normalisierung von Cross-Dressing bei", erklärte Rust dem Online-Portal "The Athletic".

Calvert-Lewin profiliert sich als Marke – wie einst Beckham

Nicht wenige Beobachter gehen sogar so weit und sehen in Calvert-Lewin den neuen David Beckham – auch wenn "Arena Homme+"-Chefredakteur Ashley Heath der Meinung ist, dass niemand jemals die popkulturelle Bedeutung des früheren ManUnited- und Real-Madrid-Stars erreichen werde.

Dennoch lässt sich feststellen, dass sein mutiges modisches Auftreten – und die gesamte mit der Diskussion darum einhergehende Aufmerksamkeit – für die Markenbildung des Dominic Calvert-Lewin einen enormen positiven Effekt hat wie einst bei "Becks".

So schloss "DCL" allein in den vergangenen Monaten lukrative Werbeverträge, etwa mit dem Elektrogerätehersteller Braun, ab und wurde zum Schirmherren der Wohltätigkeitsorganisation der Kinderkrankenhäuser seiner Heimatstadt Sheffield auserkoren.

Wohl auch deshalb wird Calvert-Lewin auch in Zukunft nur weiter über Kommentare wie die von John lachen können – und dabei seine liebste Chanel-Tasche bei sich tragen.

Verwendete Quellen
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