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Gedeon Burkhard: Quentin Tarantino hat "keine Allüren"


Gedeon Burkhard im Interview
"So landete Quentin Tarantino auf meiner Couch"

Von t-online
Aktualisiert am 28.01.2016Lesedauer: 6 Min.
Gedeon Burkhard arbeitete in "Inglourious Basterds" mit Quentin Tarantino zusammen.Vergrößern des BildesGedeon Burkhard arbeitete in "Inglourious Basterds" mit Quentin Tarantino zusammen. (Quelle: imago/ctk)
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Quentin Tarantino sorgt mit "The Hateful 8" gerade wieder im Kino für Furore. Seit seinem Debüt "Reservoir Dogs" (1992) gilt jeder der nunmehr acht offiziellen Filme des Kultregisseurs als Ereignis.

Anlässlich des Kinostarts von "The Hateful 8" wollten wir wissen, was den besonderen Status von Tarantino eigentlich ausmacht und wie es ist, mit ihm zusammenzuarbeiten. Deshalb haben wir uns mit einem deutschen Star zusammengesetzt, der es wissen muss: Gedeon Burkhard.

Burkhard gehörte zum Ensemble von Tarantinos sechstem Film "Inglourious Basterds" (2009). Kennengelernt hat er den US-Regisseur aber schon viel früher, wie er im Interview mit t-online.de erzählt.

t-online.de: Herr Burkhard, Sie kannten Quentin Tarantino ja schon vor den Dreharbeiten zu „Inglourious Basterds“. Wie kam es denn dazu?

Gedeon Burkhard: Ich habe Quentin etwa zehn Jahre vor „Inglourious Basterds“ kennengelernt, als ich in Wien eines Morgens vom „Kommissar Rex“-Nachtdreh nach Hause kam, und mir meine damalige Freundin entgegen stürmte und sagte: „Pst, sei leise, Quentin schläft auf der Couch!“ „Wer schläft auf der Couch?“, habe ich gefragt. „Quentin Tarantino“. „Wieso, wie, was, ja also…“, habe ich gestammelt und bin dann erst einmal tot ins Bett gefallen. Die Geschichte ist die, dass Quentin meine damalige Lebensgefährtin, eine Film-Cutterin, bei einem Vorstellungsgespräch für seinen ersten Film „Reservoir Dogs“ kennengelernt hatte. Er wollte sie unbedingt als Cutterin für seinen Film haben, aber das Studio wollte jemanden, der erfahrener war. Quentin und meine damalige Lebensgefährtin sind aber weiter befreundet geblieben. Später war er in Amsterdam und wollte ein neues Drehbuch schreiben. Das war vor „Kill Bill“. Aber er konnte sich in Amsterdam nicht mehr ungestört bewegen und fühlte sich dort regelrecht verfolgt. Er wusste, dass meine Lebensgefährtin in Wien war und rief sie daraufhin an und fragte, ob er vorbeischauen könnte. Und so landete er bei uns auf der Couch und blieb drei, vier Wochen. Und da haben wir uns dann eben kennengelernt.

Und wie ging es dann weiter?

Ein Jahr später haben wir uns in L.A. wieder getroffen. Da hat er mir erzählt, dass er gerade an einer Geschichte, die im Zweiten Weltkrieg spielt, arbeitet: Über irgendwelche Jungs hinter den feindlichen Linien. Und für die Rolle des Übersetzers der Truppe, der ja perfekt Deutsch und Englisch sprechen musste, hatte er mich im Kopf. Anschließend habe ich zehn Jahre nichts mehr gehört. Da hat er mir also zehn Jahre gegeben, um mich aufs Casting vorzubereiten (lacht). Das Drehbuch war erst einmal in der Schublade gelandet. Und dann tauchte Quentin plötzlich in Berlin auf und besetzet den Film. Es kam der Anruf, dass ich für die Rolle kurz zum Casting vorbeikommen sollte, und den Rest kennt man dann.

Wie ist Q.T. denn so privat? Man hört immer, er sei sehr umgänglich und frei von Allüren.

Allüren hat er gar keine. Aber er ist ein Film-Wahnsinniger und jemand, der unglaublich neugierig ist. Das muss man aber auch sein, um solche Geschichten erzählen zu können und so in die menschliche Psyche einzusteigen. Er ist wirklich an allem interessiert, vor allem an anderen Menschen. Und das geht nicht Hand in Hand mit Allüren. Für mich als Schauspieler war es natürlich unglaublich aufregend, mich mit diesem Mann zu unterhalten. Ich habe diese wandelnde Film-Enzyklopädie natürlich so oft wie möglich studiert.

Kann man sich mit Q.T. eigentlich auch noch über andere Themen als Kino unterhalten?

Natürlich, aber hier bin eher ich der Schuldige daran gewesen, dass wir uns über nichts anderes unterhalten haben. Denn Film ist ja auch die Leidenschaft meines Lebens, da habe ich das Gespräch natürlich immer wieder auf dieses Thema gelenkt. Und Quentin ist nicht nur unglaublich bewandert, er merkt sich auch wirklich alles. Da ist er wirklich genialisch.

Merkt man ihm diese Filmbegeisterung auch am Set selbst an?

Es macht großen Spaß mit ihm am Set. Jede Klappe, die normalerweise nur aus Zahlen besteht, wird immer zu einer Referenz auf einen Film, einen Schauspieler oder einem Regisseur gemacht. Der Tonmeister spielt während des Licht-Aufbaus Musik, die Quentin vorgegeben hat, die die richtige Stimmung gibt und die ebenfals wieder die Referenz auf irgendeinen Film ist. Aber bei all diesen Bezügen – die er auch in seinen Filmen verwendet - kann man nicht behaupten, dass er sich bei anderen Filmen bedient oder klaut, wie ihm das einige Vorwerfen. Er zieht daraus viel mehr die Inspiration für sein eigenes Genie. Man kann zum Beispiel nicht behaupten, dass „Kill Bill Vol. 1“ die 1:1-Umsetzung eines trashigen Kung-Fu-Films ist. Sondern es ist viel mehr dessen höhere Form.

Was ist darüber hinaus das Besondere am Arbeiten mit Quentin Tarantino?

Das Besondere ist, mit jemandem zu arbeiten, der einer der größten Filmemacher unserer Zeit ist. Er schreibt die Bücher und führt Regie. So weiß er als Regisseur ganz genau, was er da erzählen möchte. Da ist man als Schauspieler bestens aufgehoben und fühlt sich unglaublich sicher. Und solange sich ein Schauspieler sicher fühlt, ist er bereit, alles zu geben, alle Schleusen zu öffnen und alles für den Regisseur auszuprobieren.

Tarantino hat Kollegen von Ihnen wie John Travolta oder Kurt Russell in Hauptrollen besetzt, als sie nicht gerade auf der Erfolgswelle schwammen. Und aus dem damals international eher unbekannten Christoph Waltz hat er einen Hollywoodstar und Oscar-Preisträger gemacht. Ihm scheinen die Typen wichtiger als der Star-Status. Stimmt das?

Quentin weiß ganz genau, nach wem er sucht, um eine Rolle zum Leben zu erwecken. Er besetzt seinen Film und nicht einfach einen Star.

Haben Sie eine besondere Anekdote vom „Inglourious Basterds“-Set?

Eines der amüsantesten Dinge am Set war es, wenn man eingeschlafen ist und beim Aufwachen mit einem riesengroßen lila Plastikschwanz vor dem Gesicht fotografiert wurde. Das ist mir leider auch ein- oder zweimal passiert. Es gibt eine sogenannte „Wall of Shame“, auf der man dann sieht, wer gerade wieder erwischt wurde. Aber diese Sachen werden natürlich intern gehalten.

Welcher der Filme von Quentin Tarantino ist ihr Favorit?

Es ist schwierig, sich da festzulegen. Seine Filme sind ja auch sehr unterschiedlich. Schon „Reservoir Dogs“ war ein unglaubliches Erlebnis, als ich ihn zum ersten Mal sah. Es war ein Genre, das man zwar kannte, aber eben auch ganz neu - wie das immer bei Quentin ist. Er setzt immer noch eins drauf und eröffnet neue Blickwinkel auf Themen oder Genres oder Filmarten. „Pulp Fiction“, das war diese Erzählstruktur, dieses Herumspringen, diese Figuren, das war etwas, das hatte man vorher überhaupt noch nie gesehen. Das ist eigentlich der Film, der einem als erstes einfällt, wenn man Quentin Tarantino beschreiben soll. Wenn jemand noch keinen Film von ihm gesehen hat, dann würde ich sagen: „Schau dir den an, dann weißt du, wovon alle Leute sprechen.“ Ich war auch unglaublich angetan von „Jackie Brown“, dem einzigen Film, dessen Geschichte er nicht selbst geschrieben hat. Sein tiefgründigster Film ist, meiner Meinung nach, „Inglourious Basterds“. Das ist einer jener Filme, die man sich sehr oft anschauen kann, und immer wieder etwas Neues entdeckt. Aber festlegen auf einen Lieblingsfilm von Quentin Tarantino könnte ich mich nicht, ich müsste dann sagen: Sein ganzes Werk steht da für mich im Raum.

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Wird Quentin Tarantino wirklich nach seinem zehnten Film das Kino an den Nagel hängen, wie er es kürzlich erklärt hat?

Bei ihm ist das sehr gut möglich. Aber er macht ja auch sehr deutlich, dass dies nicht das Ende seiner Schaffenszeit sein wird. Er spricht schon sehr lange darüber, dass er eine Fernsehserie machen möchte – also eine Geschichte über einen sehr langen Zeitraum erzählen kann. Er neigt bekanntlich dazu, immer sehr lange Filme zu machen, seine Geschichten selbst da kaum unterzubekommen, weshalb er seine Drehbücher immer sehr stark einkochen muss. Er will Theaterstücke schreiben, er soll vorhaben, „The Hateful 8“ selbst im Theater zu inszenieren, er will Bücher schreiben. Ich glaube, da kommt noch einiges nach. Er hat seine Aussage auch schon relativiert: Er will kein alternder Filmemacher werden, der unrelevante Filme macht. Den richtigen Zeitpunkt wird er dann aber selbst bestimmen. Und vielleicht haben wir Glück, und er macht doch noch einen elften und einen zwölften Film und hört dann mit „The Lucky 13“ auf … (lacht)

Haben Sie eigentlich noch Kontakt zu ihm?

Nur ganz sporadisch. Zuletzt habe ich ihn auf der Premiere von „Django Unchained“ gesehen. Aber der Mann hat ja auch wirklich anderes zu tun. Wenn er mit allen Leuten in Kontakt bleiben würde, mit denen er in seiner Karriere gearbeitet hat, dann hätte er für nichts anderes mehr Zeit.

Gedeon Burkhard, vielen Dank für dieses Gespräch.

Das Interview führte Marc Thomé

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