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Udo Lindenberg: Heftiger "Woke"-Streit? Nur ein Vowand


Interview
Was ist ein Pro & Kontra?

Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.

Wort aus Lindenberg-Hit gestrichen
Hier braucht es keine deutsche Sprachpolizei


30.10.2024Lesedauer: 1 Min.
Rocksänger Udo LindenbergVergrößern des Bildes
"Nur der kleine Udo, nur der kleine Udo, der darf das nicht und das versteh'n wir nicht". Ganz so ist es allerdings nicht. (Quelle: Jens Büttner/dpa/Archivbild/dpa)

Eine Berliner Stiftung verbannt den "Oberindianer" aus dem Song "Sonderzug nach Pankow" von Udo Lindenberg. Ein "Zensur"-Hammer? Oder eine sensible Reaktion auf die, die sich von dem Begriff verletzt fühlen?

"Die Sprach-Häuptlinge" haben gesprochen, zeigt sich die "Bild"-Zeitung alarmiert. Das Portal "Nius" geht gar in den Widerstand und verkündet, auf der eigenen Radiowelle sei der Song "weiterhin in der Originalfassung zu hören".

Die Stiftung des Humboldt-Forums in Berlin hat die Aufregung um den Lindenberg-Hit und seinen Text entfacht. Sie hat entschieden: Beim Festival "Vielstimmig 2024" Mitte November sollen acht Chöre verschiedene Versionen seines Liedes "Sonderzug nach Pankow" intonieren. Allen Versionen ist eines gemein: In der Zeile "Ich muss da was klären mit Eurem Oberindianer, ich bin ein Jodeltalent und will da spielen mit 'ner Band" wird auf das Wort "Oberindianer verzichtet".

Wörtliche Begründung: "Das Wort wird von vielen indigenen Menschen, aber auch von vielen unserer nationalen und internationalen Besucher*innen, als diskriminierend und rassistisch wahrgenommen." Die einen halten das für Woke-Wahnsinn, andere für einen sensiblen Umgang mit problematischen Begriffen. Der Streit ist in vollem Gange, und es stellt sich die Frage:

Gehört der Oberindianer also in die ewigen Jagdgründe?

Pro
Philipp Michaelis
Philipp MichaelisBereichsleiter Aktuelles

Grabt nicht gleich wieder das Kriegsbeil aus!

Der weise Häuptling "Nuschelnder Udo" würde vermutlich sagen: "Beim großen Manitu: Lasst das Kriegsbeil stecken. Ich muss da was klären …"

Er darf natürlich auch in Zukunft vom "Oberindianer" singen. Und wenn beim nächsten Fest mit den Nachbarschafts-Wigwams Lindenbergs genialer Gassenhauer über den wilden Osten angestimmt wird, dann sollen alle – Krieger wie Squaws – weiter trällern, wie es die Ahnen überliefert haben.

Denn: Die Krieger aus den Tälern der Empörung sprechen mit gespaltener Zunge: Niemand hat irgendwem verboten, Erich Honecker "Oberindianer" zu nennen. Wirklich niemand. Die Berliner Humboldt-Stiftung hat lediglich für ihre eigene (!) Versammlung in ihren eigenen (!) Jagdgründen entschieden: Wir wollen an dieser Stelle sehr sensibel mit der Möglichkeit umgehen, dass sich vielleicht Menschen mit uramerikanischen Wurzeln vom Begriff "Indianer" gestört oder verletzt fühlen.

Kann man das übertrieben finden? Absolut. Schert es einen Großteil der Apachen, der Komantschen und vielleicht sogar der Sioux einen feuchten Mokassin, ob ein paar Chöre bei einer Veranstaltung irgendwo hinter dem großen Wasser "Oberindianer" singen oder nicht? Wahrscheinlich nicht.

Solange jeder singen darf, was er will, darf auch jeder weglassen, was er will. Und wenn eine Berliner Stiftung für sich entscheidet, an dieser Stelle etwas übersensibel sein zu wollen, dann ist auch das erlaubt. Für alle anderen, die die Zeile über Erich Honecker frech, schlau und witzig finden, gilt weiterhin der Grundsatz: Was am Lagerfeuer der Gesetzgebung nicht verboten wurde, das hat der große Geist der Kunstfreiheit erlaubt. Also: Rauchzeichen des Friedens an alle, die schon wütend die Tomahawks wetzen: Hier ist gar nichts zensiert worden. Auch kein Oberindianer. Howgh.

Kontra
Autorenprofil Pascal Biedenweg
Pascal BiedenwegRessortleiter Regionalredaktion Berlin

Nur ein billiger Vorwand der Sprachpolizei

Udo Lindenbergs Kulthit "Sonderzug nach Pankow" soll bei einem Festival ohne den Begriff "Oberindianer" auskommen. Warum? Weil in diesem Wort möglicherweise die Gewaltgeschichte der Kolonisierung indigener Bevölkerungsgruppen nachklingt. Doch das scheint nicht der wirkliche Grund zu sein. Vielmehr klingt es nach einem billigen Vorwand, damit sich eine Stiftung als besonders sensibel und politisch korrekt darstellen kann.

Ganz abgesehen davon, dass der "Oberindianer" im Lied von Lindenberg in keinem bösartigen Kontext benutzt wird, sondern humorvoll die Rolle des ehemaligen DDR-Staatschefs Erich Honecker beschreibt. Dafür braucht es sicher keine deutsche Sprachpolizei.

Denn die eigentliche Frage muss doch lauten: Stören sich die, die gemeint sind, daran, dass man sie Indianer nennt? Fühlen sie sich durch den Begriff diskriminiert und abgewertet? Im Idealfall entscheiden sie das dann selbst. Und nicht die deutsche Stiftung Humboldt-Forum.

Tatsächlich stört es viele nicht, so genannt zu werden. So gibt es unter anderem politische Organisationen oder Bewegungen indigener Bevölkerungsgruppen, die selbst das Wort verwenden. Diese heißen zum Beispiel National Congress of American Indians oder American Indian Movement.

Warum ist das so? Weil sich Indianer weniger von dem Begriff als von den stereotypen Vorstellungen beleidigt fühlen, die manche Menschen damit assoziieren. Diese werden aber auch häufig mit den Begriffen "Indigene" oder "Ureinwohner Nordamerikas" verbunden.

Anders als etwa das "N-Wort" gehört der Begriff "Oberindianer" also nicht in die ewigen Jagdgründe. Jedenfalls so lange nicht, bis sich die betroffenen Bevölkerungsgruppen selbst daran stören. Der "Sonderzug nach Pankow" sollte also so bleiben, wie er ist. Denn: Wer sich an dem Begriff stört, muss den Song nicht hören. Das gilt auch für die deutsche Sprachpolizei.

 
 
 
 
 
 
 

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