Im Wald Richtiges Verhalten bei einem Wildschweinangriff
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wildschweine sind wilde Tiere und meiden den Menschen meist. Dennoch kommt es immer wieder zu Angriffen. Aber wie gefährlich sind die Tiere?
Entwarnung für Berlin – bei der angeblichen Löwin handelte es sich um ein Wildschwein. Aber ist die Begegnung mit einem solchen Tier ungefährlich?
Die Meldung von Wildschweinen, die Wanderer im Wald angreifen, gibt es hin und wieder. Meist aber nur im Frühjahr zwischen März und Mai, wenn Bachen (weibliche Wildschweine) ihren Nachwuchs bekommen haben und im Winter, wenn die Keiler auf Paarungssuche sind.
Schnelle 150 Kilogramm
Wildschweine sind beeindruckende Waldbewohner: Die Männchen haben eine Schulterhöhe von bis zu 1,10 Meter. Sie können bis zu 150 Kilogramm schwer werden. Bachen wiegen die Hälfte. Trotz ihres Gewichts können Wildschweine sehr schnell laufen, wenn sie sich bedroht fühlen. Die Keiler haben bis zu 20 Zentimeter lange, hervorstehende Eckzähne. Mit ihnen und ihrem starken Unterkiefer verteidigen sich die Tiere, wenn es notgedrungen zu einem Kampf kommt.
Wildschweine greifen jedoch nicht ohne Grund an. Vor allem nicht Menschen, da sie für die Wildtiere weder Beute noch Futterkonkurrenten sind.
Wann die Gefahr am größten ist
Wildschweine haben laut Jäger und Förster Manfred Eckhardt eine natürliche Scheu vor Menschen. Spaziergänger und Wanderer begegnen ihnen daher selten. Sobald die Tiere Menschen hören oder riechen, ergreifen sie die Flucht oder halten ausreichenden Abstand. Von diesen Waldbewohnern geht in der Regel keine Gefahr aus. Es gibt jedoch zwei Ausnahmen.
In der Regel ab Februar, mittlerweile aber aufgrund der guten Lebensbedingungen und milden Winter, bekommen die Bachen oft über das ganze Jahr hinweg ihren Nachwuchs (Frischlinge). In den ersten Tagen sind die Frischlinge noch hilflos und können bei Gefahr nicht fliehen. Wird dann abseits der Wege versehentlich eine Rotte (Verband mehrerer Wildschweine) aufgescheucht, können die Tiere aggressiv reagieren und wollen ihre Jungen verteidigen. Die Bache reagiert in dieser Situation unter anderem mit Fauchen und Drohgebärden. Ein Angriff ist durchaus möglich.
Achtung
Wenn Sie Frischlinge sehen, meiden Sie jeglichen Kontakt und kehren Sie um. Es kann passieren, dass das Muttertier Ihre Annäherung als Gefahrensituation einschätzt.
Darüber hinaus ist es gefährlich, einem verletzten Keiler, der beispielsweise von einem Auto angefahren oder einem Jäger angeschossen wurde, zu begegnen. Kommen Sie ihm zu nahe, kann die Situation eskalieren und er könnte einen Angriff mit fatalen Folgen starten, sagt Förster Eckhardt.
Das richtige Verhalten im Ernstfall
Begegnen Sie einem Wildschwein oder rennt es auf Sie zu, bleiben Sie ruhig. Nähern Sie sich dem Tier nicht. Vermeiden Sie hektische Bewegungen. Sie können, genau wie Versuche, das Tier zu verscheuchen, als Bedrohung interpretiert werden. Ausweichmanöver und panisches Wegrennen können Wildschweine ebenfalls zu einem Angriff animieren.
Gehen Sie stattdessen langsam und ruhig rückwärts. Versuchen Sie, wieder eine sichere Distanz herzustellen. Das Wildschwein braucht genügend Abstand, um die Situation nicht mehr als Gefahr anzusehen und sich selbst in Ruhe zurückziehen zu können. Reden Sie währenddessen beruhigend auf das Wildschwein ein und versuchen Sie, jeglichen Stress für das Tier zu vermeiden.
Stehen Sie einem Wildschwein nicht im Weg und versperren Sie ihm auch seine Fluchtwege nicht – beispielsweise entlang von Gattern, Zäunen und Schluchten. So verringern Sie die Chance, von dem Tier umgerannt oder angegriffen zu werden.
Hunde ruhig halten
Wenn Sie einen Hund dabei haben, sollten Sie ihn sofort zurückrufen, sobald Sie ein Wildschwein entdeckt haben. Leinen Sie ihn dann umgehend an und versuchen Sie, ihn ruhig und nahe bei sich zu halten. Leckerlies können ebenfalls dazu beitragen, dass der Hund ruhiger wird. Denn ein aufgebrachter und lauter Hund wird von Wildschweinen häufig als Angreifer gesehen. Kommt es doch zur Konfrontation, gehen Sie nicht dazwischen. Oft können die Vierbeiner schnell rennen und – im Gegensatz zu Wildschweinen – Haken schlagen und so bei einem Angriff ausweichen. Keiler und Bachen laufen hingegen mit einem hohen Tempo geradeaus.
Füttern von Wildschweinen verboten
Laut Eckhardt sind Wildschweine friedlich. Die Waldbewohner scheuen Auseinandersetzungen, da sie sich weder selbst in Gefahr bringen noch verletzen wollen. Flucht ist der Regelfall. Konflikte mit der Folge eines Angriffs gibt es meist nur dort, wo die Tiere an Menschen gewöhnt sind oder wo sie gefüttert werden, erklärt der Förster Eckhardt. Das Nahrungsangebot durch den Menschen hemmt die natürliche Scheu der Wildschweine. Sie sind daher immer häufiger auch in Städten anzutreffen.
Während ihrer Nahrungssuche in bewohnten Gegenden richten Wildschweine teilweise große Schäden an. Um das zu vermeiden, sollten Sie Nahrungsreste, die im Freien gelagert werden, stets gut verschlossen aufbewahren. Befestigen Sie beispielsweise Ihre Biotonne entsprechend und sorgen Sie dafür, dass sie nicht geöffnet werden kann. Werfen Sie zudem keine Nahrungsmittel wie verdorbene Obstreste, altes Brot oder Speisereste auf Ihren Kompost. Das kann ebenfalls Wildschweine anlocken.
Nacht und Dämmerung meiden
Am ehesten können Sie einem Wildschwein begegnen, wenn Sie in der Dämmerung oder nachts allein und still ab vom Weg durch den Wald laufen. In dichten Unterwucherungen sowie im Fichten- und Schilfdickicht haben Wildschweine ihre Schlaf- und Wohnstätten und rechnen am wenigsten mit Menschen. Überraschen Sie sie, kann ihre Panik unter Umständen einen Angriff verursachen. Wahrscheinlicher ist es allerdings, dass sie schon vorher die Flucht ergreifen, wenn Menschen sich nähern. Darüber hinaus werden Wildschweinrotten häufig von erfahrenen Bachen angeführt, die jeder Art von Konflikten vorausschauend aus dem Weg gehen. Darauf verlassen sollten Sie sich jedoch laut dem Förster nicht.
Kontakt mit Wildschweinen minimieren
Minimieren Sie Ihr Risiko, indem Sie beim Wandern auf den beschilderten Wegen bleiben. Die vorhandenen Pfade riechen so intensiv nach Menschen, dass Wildschweine sie mit ausreichendem Abstand meiden.
Darüber hinaus sollten Sie sich gut hörbar unterhalten. Sind Sie allein unterwegs, können Sie laut Selbstgespräche führen oder singen. So verscheuchen Sie die Tiere frühzeitig.
Wie sich Autofahrer richtig verhalten
Für Autofahrer kann die Begegnung mit einem Wildschwein allerdings schnell tödlich ausgehen. In der dunklen und kalten Jahreszeit überqueren die Tiere bei Dämmerung häufig Bundes- und Landstraßen. Sieht der Autofahrer das Wildschwein nicht rechtzeitig, kann er oft nicht mehr abbremsen und stößt mit dem Wildschwein zusammen. Diese Wildunfälle sind häufig sehr schwer und können auch tödlich ausgehen.
Fahren Sie in der kalten Jahreszeit in der Dämmerung vorsichtig und langsam auf Straßen durch Wälder, Felder sowie Bundesstraßen. Gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h, können Sie bei den entsprechenden Witterungsbedingungen auch 60 km/h fahren. Das reduziert Ihr Unfallrisiko.
Kommt es trotz Ihrer vorausschauenden Fahrweise zu einem Wildtierunfall, sollten Sie das Auto nicht verlassen. Verletzte Wildschweine können sehr aggressiv sein und Sie dann angreifen. Bleiben Sie in Ihrem Auto und informieren Sie umgehend die Polizei. Diese wird zusammen mit einem erfahrenen Jäger eintreffen, der mit seinem Hund nach dem verletzten Tier sucht.
Beim Camping Vorsichtsmaßnahmen treffen
Auch Camper können sowohl während der Dämmerung als auch tagsüber und in der Nacht von Wildschweinen überrascht werden. Bei ihrer Nahrungssuche riechen die Tiere die Lebensmittel der Camper und gehen zu den Quellen – auch wenn sie den Menschengeruch ebenfalls wahrnehmen.
Achtung
Häufig besteht die Gefahr einem Wildschwein beim Zelten zu begegnen nur, wenn Sie wild campen. Das ist allerdings strengstens verboten. Auf ausgewiesenen Zeltplätzen sind oftmals Sicherheitsmaßnahmen gegen Wildtiere vorhanden. Dennoch kann es vorkommen, dass sich ein Tier auf Nahrungssuche hierher verirrt.
Um einen Besuch von Wildschweinen und anderen Waldtieren zu vermeiden, sollten Sie alle Lebensmittel sowie Lebensmittelreste in Bäume hängen – mindestens zwei Meter über dem Boden sind zu empfehlen. Kommen Ihnen dennoch Wildschweine beim Campen nahe, brauchen Sie keine Angst zu haben, beruhigt Eckhardt. Den Tieren gehe es nur um die Nahrung und nicht um einen Angriff. Er rät Campern, ruhig im Zelt zu verharren, bis die Wildschweine wieder weg sind.
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Auch wenn Wildtiere Angst vor Feuer haben und Sie sich deswegen von einem Lagerfeuer Schutz erhoffen: Lagerfeuer sind nur auf ausgewiesenen Plätzen erlaubt. Zwischen dem 1. März und dem 31. Oktober herrscht im Wald ein striktes Verbot von Rauch und offenem Feuer.