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Keine Schlafmittel für Kinder: Ärzte warnen vor Schlafsaft - Lebensgefahr


Gefährlich und verantwortungslos
Experte: Lebensgefahr durch Beruhigungs- und Schlafmittel für Kinder

t-online, dpa, Simone Blaß

Aktualisiert am 10.01.2017Lesedauer: 4 Min.
Babys schreien nicht ohne Grund. Werden sie nicht getröstet, schüttet der kleine Körper schädliche Stresshormone aus.Vergrößern des BildesBabys schreien nicht ohne Grund. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Das Zaubermittel, das ein Kind zum Durchschlafen bewegt, wünschen sich viele übermüdete Eltern. In Foren kursieren Namen von Mitteln aus der Apotheke, die Kinder müde machen sollen. Viele Eltern denken, ein Medikament, das frei verkäuflich ist, kann nicht gefährlich sein. Ein Irrtum, der fatale Folgen haben kann.

Eltern sollten ihren Kindern keine Schlafsäfte geben. "Schlafmittel können bei Kindern zum Atemstillstand führen", warnt Hermann Josef Kahl, Bundespressesprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Säfte, die zum Beispiel Doxylamin enthalten, wirken direkt im Gehirn - und können abhängig machen. Eltern sollten vielmehr wissen, dass es normal ist, wenn das Kind abends nicht so gut einschläft oder nachts häufig aufwacht.

"Die allermeisten Kinder haben gar kein Schlafproblem", sagt Till Roenneberg, Leiter der Human Chronobiologie an der Universität München. Der kleine Körper holt sich so viel Schlaf, wie er braucht - nur nicht unbedingt nachts, so dass sich ihr Rhythmus häufig nicht mit dem der Eltern verträgt. Nicht die Kinder brauchen also mehr Schlaf, sondern die Eltern.

Früher waren "Schlafmittelchen" nicht unüblich

Mit Mohn gefüllte Stoffsäckchen, Melissengeist auf einem Zuckerstückchen, ein in Bier oder Rotwein getunkter Schnuller - das alles war früher üblich, um Babys und Kleinkinder ruhigzustellen. Auch heute tauschen sich Eltern in Foren über "Einschlafhilfen" aus.

Eltern, die völlig übernächtigt sind, von Schuldgefühlen und Ängsten sprechen, aber auf Verständnis hoffen: "Ich war eigentlich skeptisch", schreibt eine Mutter, "aber da in so vielen Medikamenten auch Alkohol drin ist, dachte ich mir, ich versuche es mal." Ein Verhalten, das man als verantwortungslos bezeichnen muss, das aber zu dem gefährlichen Trend passt: Das medikamentöse Ruhigstellen von Kindern.

Medikamente zur Beruhigung von Kleinkindern offiziell zugelassen

"Wenn Eltern mit dem Wunsch in die Apotheke kommen, ein Schlaf- oder Beruhigungsmittel für ihre Kinder zu erhalten, dann werden sie im Normalfall erst einmal beraten", sagt Ursula Sellerberg von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). "Und sie werden dazu angeleitet, es mit anderen Methoden zu versuchen. Aber es gibt tatsächlich seit einiger Zeit zugelassene Arzneimittel, die Kindern zur Beruhigung verabreicht werden dürfen, die man ursprünglich gegen Allergien eingesetzt hat und deren Indikation heute Ein- und Durchschlafstörungen sind."

Nebenwirkungen können massiv sein

Diese frei verkäuflichen Mittel gegen Ein- und Durchschlafstörungen lassen bei Kinderärzten Alarmglocken schrillen. Denn: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Dass diese Medikamente das Schlafmuster stören und sich negativ auf die Entwicklung auswirken können, ist dabei noch die geringste. "Die Nebenwirkungen können hier extrem sein. Das reicht von Auswirkungen auf die Nieren und die Leber, über eine Abhängigkeit bis hin zum Atemstillstand." Schon eine leichte Überdosierung kann die Atmung lähmen, im schlimmsten Fall tödlich sein.

Kahl kann nachvollziehen, dass Eltern, deren Schlaf seit Wochen massiv gestört ist, nach Lösungen suchen. "Aber diese Medikamente sind zum Beispiel für Operationsvorbereitungen gedacht. Sie zu benutzen, um Kinder ruhig zu stellen, halte ich für sehr gefährlich. Alle diese Medikamente greifen zentral an, arbeiten über das Gehirn und sollten meines Erachtens nach nicht frei verkäuflich sein."

Statt Medikamente: Die übermüdeten Eltern unterstützen

Aus seiner täglichen Praxis kennt der Kinder- und Jugendarzt die verzweifelte Bitte von Eltern, der Nachtruhe des Kindes etwas nachzuhelfen. "Wir verordnen oder empfehlen solche Mittel nicht, auch nicht ausnahmsweise. Es gibt natürlich Kinder, die schreien sehr viel, ohne dass es gesundheitliche Probleme gibt und ein sehr großer Teil schläft auch nachts lange nicht durch. Das Kind holt sich seinen Schlaf dann tagsüber, hier fünf Minuten, da eine Viertelstunde und die Mutter geht inzwischen auf dem Zahnfleisch, weil sie selbst das so nicht kann beziehungsweise es sich oft auch gar nicht erlaubt. Aber hier muss man ansetzen, sich Hilfe von außen holen, damit die Mutter ein paar Stunden Schlaf nachholen kann und wieder ausgeruht ist." Eine Anlaufstelle sind Schrei-Ambulanzen.

Die Gefahr ist schwer zu erkennen

Den einschläfernden Effekt der früheren Antihistaminika haben auch Husten- und Erkältungspräparate oder solche gegen Übelkeit und Erbrechen. Immer wieder kommt es daher vor, dass Kinderärzte aus ihrer Erfahrung heraus Medikamente verschreiben oder empfehlen, die für die Kleinen gar nicht zugelassen sind. "Ich halte ein solches Verhalten für sehr gefährlich", so Kahl, "denn was ist, wenn es zu unerwünschten Nebenwirkungen kommt?"

Eine Gefahr, der sich manche Eltern nicht bewusst zu sein scheinen oder die sie billigend in Kauf nehmen. Niemand wird offen zugeben, dass er sein Kind mit Beruhigungs- oder Schlafmitteln ruhigstellt, doch die Tipps werden unter der Hand weitergegeben. Dabei ist es wichtig klarzustellen, dass Hustensäfte oder Mittel gegen Reiseübelkeit Gefahren bergen, wenn man sie falsch einsetzt, sie zum Beispiel nutzt, um ein Kind während eines langen Fluges ruhigzustellen.

Für Säuglinge kann das lebensgefährlich sein

"Ein solches Verhalten ist regelrecht verantwortungslos. Denn auch diese Medikamente greifen im Gehirn an. Bei einem Säugling können auch sie lebensgefährliche werden", warnt Kahl. "Wenn Eltern mit einem solchen Anliegen zu uns kommen, dann besprechen wir das sehr ernsthaft mit ihnen, damit sie die Gefahr wirklich erkennen."

Nur bei Verdacht auf Missbrauch wird Abgabe verweigert

Sowohl das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin warnen vor diesen Mitteln, die Eltern aufgrund ihrer Freiverkäuflichkeit oft für harmlos halten. Und die deshalb zu Tausenden über den Ladentisch gehen. "Lediglich beim Verdacht des Missbrauchs kann die Abgabe verweigert werden. Wenn ein Arzt etwas verschreibt, dann müssen die Apotheker dieses Mittel auch abgeben", erklärt Ursula Sellermann.

Alternativen suchen

Apotheken und Ärzte können nur beraten und auf bewährte Hausmittel hinweisen. Manchmal kann die Homöopathie eine Lösung bieten. "Aber bei Säuglingen wäre ich auch da vorsichtig“, so Kahl. Um zu wissen, welches Mittel für welches Kind geeignet ist, braucht es einen erfahrenen Homöopathen. Denn auch sogenannte Naturheilmittel sind mit Vorsicht zu betrachten. Nicht jedes eignet sich bereits für Babys und Kleinkinder.

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