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Europawahl 2024: Erstwahlrecht mit 16 und eine Mission für die Großeltern


Erstmals 16-Jährige bei EU-Wahl
Jetzt sind die Großeltern gefragt

MeinungEine Kolumne von Bob Blume

Aktualisiert am 04.06.2024Lesedauer: 4 Min.
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Redet miteinander: Ein Großvater spricht mit seinem Enkelsohn. (Quelle: IMAGO/Uwe Umstätter/imago)

Bei der Europawahl am 9. Juni dürfen erstmals auch 16-Jährige ihre Stimme abgeben. Dabei kommt es auch auf ihre Großeltern an, sagt unser Kolumnist Bob Blume.

Am 9. Juni sind Europawahlen und man darf befürchten, dass die Wahlbeteiligung nicht hoch sein wird. Zum einen, weil das irrige Argument, dass man als Einzelner nichts verändern kann, sich immer noch hält. Zum anderen, weil die Europäische Union, ihre in Teilen intransparenten Entscheidungen und die allgemeine Politikverdrossenheit Wähler jeden Alters davon abhält, wählen zu gehen. Es liegt aber in der Verantwortung aller, nicht nur wählen zu gehen, sondern auch die junge Generation einzubeziehen, die jetzt erstmals ab 16 Jahren wählen darf.

Als Lehrer spreche ich oft mit jungen Menschen, die so gar nicht dem Bild entsprechen, das oft von ihnen gezeichnet wird: Sie sind politisch interessiert und aktiv, informieren sich und wissen um ihre Verantwortung. Bei der kommenden Europawahl wird es auch um genau diese jungen Leute gehen – und um ihre Zukunft.

(Quelle: privat)

Zur Person

Bob Blume ist Lehrer, Blogger und Podcaster. Er schreibt Bücher zur Bildung im 21. Jahrhundert und macht in den sozialen Medien auf Bildungsthemen aufmerksam. In seiner Kolumne für t-online kommentiert er aktuelle Bildungsthemen mit spitzer Feder. Man findet Blume auch auf Twitter und auf Instagram, wo ihm mehr als 100.000 Menschen folgen. Sein Buch "10 Dinge, die ich an der Schule hasse" ist im Handel erhältlich.
Hier geht's zu Blumes Instagram-Auftritt.

Der Cartoon, den der Autor und Kolumnist Jan Skudlarek im sozialen Netzwerk Threads teilte, fasst die Situation vor der Europawahl gut zusammen: Zu sehen ist die untergehende Titanic, deren Bug schon unter der Wasseroberfläche ist, während das Boot an der Wasserkante auseinanderbricht. Vom (noch) obenstehenden Heck spricht eine Stimme in einer Sprechblase: "Wenn wir tatsächlich sinken, wieso sind wir dann 60 Meter hoch in der Luft?" Besser kann man die Ignoranz gegenüber einer kurz bevorstehenden Klimakatastrophe nicht zusammenfassen.

Auch mit Blick auf den Rechtsrutsch in Europa sollten die EU-Bürgerinnen und -Bürger alarmiert sein. Zumindest dann, wenn sie auch in Zukunft in Frieden und wirtschaftlicher Prosperität leben möchten. Aus diesem Grund ist es nicht nur wichtig zu wählen, sondern den jungen Menschen, die nun auch wählen dürfen, die Wichtigkeit dieser Wahl zu verdeutlichen.

Für viele Menschen ist die Europäische Union eine ungeliebte Institution. Und zwar nicht nur für jene, die sie abbauen und zu einem "Europa der Nationalstaaten" zurückkehren wollen, wie die AfD und andere europäische Rechte. Der Punkt ist aber: Es gibt nichts Besseres als dieses Europa. Alleine deshalb muss es geschützt und unterstützt werden.

Frieden in Europa: Keine Selbstverständlichkeit

Von der europäischen Gemeinschaft als vom "kleineren Übel" zu sprechen, ist angesichts jahrzehntelangen friedlichen Zusammenlebens nach zwei Weltkriegen eigentlich zu wenig. Und ja, man darf auch die Jugoslawienkriege der 90er Jahre nicht unter den Tisch fallen lassen. Aber: Wir Menschen vergessen gerne das, was wir als Normalität erleben. Dass Frieden in Europa kein Naturzustand ist, hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine indes gezeigt. In Zeiten erodierender Demokratien und Angriffen von innen und außen muss man sogar deutlicher sagen: Nichts ist normal, nichts ist in Stein gemeißelt. Unsere Gesellschaft bedarf aktiver Teilhabe.

Dass dies bedeuten kann, für seine demokratischen Werte angegriffen zu werden, zeigten die jüngsten Attacken auf den SPD-Politiker Matthias Ecke. Er ist nur einer von vielen Menschen, der Gewalt erfuhr, weil er sich für die politischen Belange seiner Mitbürger starkgemacht hat. Einer der Gründe für diese Gewalt ist ein zunehmend radikales Diskussionsklima.

Wahl als demokratische Verantwortung

Dennoch, und das ist der zentrale Punkt: Selbst wer grundsätzlich kritisch gegenüber der Europäischen Union eingestellt ist. Selbst wer sich über nebulöse Lobbyarbeit, langsame Bürokratie und merkwürdige Verordnungen ärgert. Selbst für diese Person bedeutet die Wahl nicht weniger als eine Entscheidung für oder gegen die Zukunft des demokratischen Zusammenhalts.

Deshalb brauchen wir eine generationsübergreifende Aktion. Das heißt: Miteinander ins Gespräch kommen darüber, wie wichtig es ist, demokratischen Kräften die Stimme zu geben.

Großmütter und Großväter, Mütter und Väter müssen jetzt mit ihren Enkeln und Kindern darüber sprechen, dass Frieden keine Normalität, sondern ein hohes Gut ist, für das gekämpft worden ist. Sie müssen den Jugendlichen erklären, dass sie mit ihren 16 Jahren bei dieser Wahl einen Unterschied machen können.

Das kann aber auch andersherum funktionieren: Jene Jugendliche, die sehr viel mehr verstanden haben, was auf dem Spiel steht, können mit ihren Eltern und Großeltern reden und diskutieren. Es heißt immer wieder, wir würden zu wenig miteinander sprechen: Nehmen wir die kommende Europawahl zum Anlass, dies zu ändern. Und kümmern wir uns darum, dass wir den Populisten nicht das Feld überlassen. Dabei wird es auch und vor allem um die jungen Leute gehen.

Gegen Dexit und Autoritarismus

Ich würde so weit gehen zu sagen, dass es egal ist, welche demokratische Partei man wählt, solange sie eben demokratisch ist. Und das hat weniger mit Willkür und Einheitsbrei zu tun als mit dem festen Glauben an eine gemeinsame europäische Zukunft. Wer will, kann sogar mit Heimatliebe argumentieren. Denn dass ein Dexit, wie ihn etwa die AfD fordert, also ein Austritt Deutschlands aus der EU, Hunderttausende Menschen arbeitslos machen würde, ist unbestritten. Und ob autoritäre Regime wie China und Russland, die die AfD für ihre diktatorische Lobbyarbeit bezahlen, tatsächlich die beste Wahl für einen gesunden Patriotismus sind, darf bezweifelt werden.

Wir befinden uns an einem Scheideweg. In der einen Richtung übernehmen wir Verantwortung, indem wir aktiv werden und uns nicht damit begnügen, darüber zu wettern, was alles nicht funktioniert. In der anderen Richtung tun wir so, als wüssten wir nicht, dass gerade etwas rutscht, obwohl wir den Aufprall auf den Eisberg sehr deutlich vernommen haben.

Die notwendige generationsübergreifende Aktion beginnt bei dem Bewusstsein, dass jeder und jede, die wählen kann, es nun in der Hand hat, das Runder im wörtlichen Sinne noch einmal herumzureißen.

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Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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