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Mallorca-Tragödie: Das sagt der Bausachverständige zum Ballermann-Einsturz


Bauexperte zur Mallorca-Tragödie
"Es fallen mehr Betrunkene vom Balkon"


24.05.2024Lesedauer: 3 Min.
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Das Lokal Medusa an der Playa de Palma: Hier starben vier Menschen. (Quelle: Isaac Buj/dpa)

Vier Menschen sterben beim Einsturz eines Restaurants auf Mallorca, 16 werden verletzt. Die Suche nach den Schuldigen beginnt.

Der Einsturz eines Restaurants mit vier Todesopfern, darunter zwei Deutsche, erschüttert Mallorca und ganz Spanien. Am Donnerstagabend gibt eine Zwischendecke des Medusa Beach Clubs, nur wenige Straßen von den Kultlokalen Megapark und Bierkönig entfernt, nach und stürzt bis in den Keller ein. Fieberhaft versuchen Rettungskräfte, Verschüttete zu bergen und Verletzte zu versorgen. Politiker der bei Deutschen so beliebten Ferieninsel drücken ihre Trauer aus.

Eine erste Überprüfung der Feuerwehr ergibt, dass die Überlastung des ersten Stockwerks eine mögliche Ursache für den Einsturz sein könnte. Wie kann so etwas passieren? Bauliche Mängel, Fehler auf der Seite des Restaurants? Die Suche nach den Schuldigen beginnt.

"Da ist nichts Stabiles"

"Tatsächlich ist es ja kein Gebäude, was da eingebrochen ist, sondern ein Balkon oder Vorbau", erklärt der auf Mallorca lebende Sachverständige für Immobilienbewertung, Lutz Schulten, t-online. Bei den Läden und Lokalen in der Straße handele es sich um Reihenhäuser, bei denen im Erdgeschoss Dächer herausgezogen worden sind, um die Fläche für die Ladenlokale zu vergrößern. Die Balkone, die dabei entstanden sind, seien teilweise begehbar.

Schulten kritisiert: "Wenn Sie in Deutschland einen Balkon haben, ist das quasi eine Verlängerung der Decke. Sie besteht aus Stahlbeton und damit ist ein Balkon eine stabile Geschichte. Ob das dort genauso gemacht worden ist? Ich sage jetzt mal, man könnte es wohl bezweifeln. Es sieht nicht danach aus, sondern eher, als wäre es nachträglich drangesetzt worden."

Video | Clubeinsturz auf Mallorca: Zwei Deutsche unter den Toten
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Quelle: reuters

Vorstellen müsse man sich das wie bei einem Regal, das ohne sichtbare Aufhängung montiert wird, indem man es "einfach mit einem Dübel in der Wand verankert". So ähnlich ist wohl auch der Vorbau des Medusa konstruiert worden. Schulten: "Wären am Ende des Balkons jeweils stabile Stützen gewesen, die die Last auffangen, dann wäre wahrscheinlich nichts passiert. Aber so wie man es auf den Bildern sieht, ist da nichts Stabiles. Und ich gehe davon aus, dass das schlicht eine Überlastung war – also einfach zu viele Menschen."

Hinzu könne noch eine Materialermüdung kommen. Das Restaurant an der Playa de Palma liegt direkt am Meer. "Da haben sie Wasser und Salz in der Luft. Und wenn das Metall nicht vernünftig geschützt ist, dann rostet es irgendwann durch."

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Niemand kontrolliert die Zahl der Menschen

Das Problem liegt laut Schulten darin, so etwas zu kontrollieren. Schulten: "Wie in Deutschland auch, gibt es in Spanien Bauvorschriften. Ein Balkon oder eine Decke müssen eine gewisse Tragfähigkeit haben. Das sind pro Quadratmeter 600 bis 800 Kilogramm bei normalen Wohngebäuden. Wer soll jetzt kontrollieren, ob mehr Menschen auf den Balkon gehen, als der Balkon verträgt?"

Am Donnerstagabend könnten im Medusa also zu viele Menschen auf dem Vorbau gewesen sein. Er wurde als eine Art Chill-out-Zone benutzt, heißt es in den Nachrichtenagenturen.

Der Einsturz werde nun untersucht. "Das geht jetzt zwei, drei Tage durch die Presse, dann haben es alle vergessen", sagt der Bausachverständige – bis auf die Familien und Angehörigen der Opfer, die Antworten verlangen werden. Ein Prozess sei in ein bis eineinhalb Jahren zu erwarten. "Liegt die Verantwortung beim Bauamt? Liegt sie beim Betreiber oder Bauherren? Das muss nun ermittelt werden", so Schulten.

"Die Playa de Palma wird nicht komplett einstürzen"

Er warnt aber auch vor Panikmache. "Solche Sachen passieren, nicht nur auf Mallorca. Wenn ich mal ganz ehrlich bin, es gibt mehr Betrunkene, die in Mallorca vom Balkon fallen und umkommen, als Opfer von einstürzenden Balkonen. Das ist sehr selten – und auch nicht schlimmer, als das, was in Deutschland passiert." Die Playa de Palma werde in dieser Sommersaison nicht komplett einstürzen, beruhigt er Touristen, die ihren Sommerurlaub auf Mallorca planen.

Als zuletzt in einem Hotel auf Mallorca im Frühstücksraum die Zwischendecke nachgab (ohne Verletzte), habe sich das Thema zwei Tage in den Medien gehalten und "dann treibt die Presse eine andere Sau durchs Dorf." Schulten warnt vor schnellen Schuldzuweisungen: "Wir sollten nicht mit dem Finger auf die Spanier zeigen, denn man weiß ja, ganz schnell zeigen drei Finger zurück auf einen selbst."

Verwendete Quellen
  • telefonisches Interview mit dem Sachverständigen für Immobilienbewertung, Lutz Schulten, auf Mallorca
  • Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
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