t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePanorama

Schlechtes Betriebsklima im NDR: "Chef wird, wen Chef mag"


Dramatischer Bericht über Arbeitsklima beim NDR
"Chef wird, wen Chef mag"

Von t-online-bilder
28.03.2023Lesedauer: 3 Min.
Schlechtes Arbeitsklima im NDR: Intendant Joachim Knuth unter Druck.Vergrößern des BildesSchlechtes Arbeitsklima im NDR: Intendant Joachim Knuth unter Druck. (Quelle: Kollage: t-online)
Auf Facebook teilenAuf x.com teilenAuf Pinterest teilen
Auf WhatsApp teilen

Nach massiven Vorwürfen hat der NDR einen externen Manager das Betriebsklima prüfen lassen. Nun liegt das Ergebnis vor. Es fällt vernichtend aus.

Die Vorwürfe waren massiv: Mitte vergangenen Jahres war in mehreren Medienberichten das Betriebsklima beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) als katastrophal beschrieben worden. Der unter Druck geratene Sender beauftragte daraufhin den Theologen und Manager Stephan Reimers mit einer internen Prüfung. Was dieser herausfand, bringt die Führung in Erklärungsnot.

Rund 1.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat Reimers nach der Stimmung bei einer der größten Rundfunkanstalten Deutschlands befragt. Das Ergebnis ist erschütternd. Zumindest für die Führungsriege des NDR. "Starre Strukturen", "Überforderung im Transformationsprozess", "Misstrauen" und "Konflikte" sind nur einige Stichworte, die sich immer wieder im Abschlussbericht finden, den der NDR auf seiner Website unter der harmlos klingenden Zeile "Bericht über Betriebsklima im NDR offenbart Mitarbeiter-Sorgen" nun veröffentlicht hat.

In der Vergangenheit hatte der NDR eingeräumt, dass es Fehlverhalten in einzelnen Fällen gegeben habe, das Problem aber nicht flächendeckend und systematisch sei. Eine Darstellung, die nach dem Bericht von Stephan Reimers nicht mehr haltbar ist.

Theologe und Berichterstatter Stefan Reimers
Theologe und Manager Stephan Reimers

Über Stephan Reimers

Stephan Reimers ist Theologe, Manager und ehemaliger Politiker. Von 1992 bis 1999 war er Mitglied im NDR Rundfunkrat, von 1999 bis 2009 Mitglied des Hörfunkrats beim Deutschlandfunk. Er war Vorstandsvorsitzender der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und Präsidiumsmitglied der Welthungerhilfe. Von 1999 bis 2009 war er zudem Bevollmächtigter der Evangelischen Kirche bei der Bundesrepublik und der Europäischen Union. Als Leiter der Hamburger Diakonie initiierte er zahlreiche Projekte für Arme und Obdachlose (Obdachlosenzeitschrift "Hinz und Kunzt", "Mitternachtsbus" und "Hamburger Spendenparlament").

Reimers und sein Team haben laut Bericht keine Fragenkataloge erstellt oder Mitarbeitende gezielt befragt, sondern bewusst eine offene Gesprächsform gewählt. Die Ergebnisse der Gespräche haben sie auf 100 Seiten zusammengefasst, und alleine die ersten 10 haben es in sich. So stünden die NDR-Mitarbeiter zwar mit "Überzeugung und Leidenschaft" hinter dem eigenen Sender, gleichzeitig verzweifelten sie aber an den "starren Strukturen" und einer immensen "Binnenkomplexität", heißt es dort. Viele Führungskräfte seien mit den "Veränderungen überfordert und häufig nicht in der Lage, die Wandlungsprozesse wirksam zu managen".

Das Erschütternde: Reimers zufolge haben "viele Mitarbeitende kein Vertrauen in die Geschäftsleitung", also etwa den Intendanten des Norddeutschen Rundfunks, Joachim Knuth. Die Kommunikation der Geschäftsleitung beschrieben sie häufig als "Einbahnstraße". Knuth selbst teilt zu dem Ergebnis auf der Website des NDR mit: "Da wird einem der Spiegel vorgehalten und es gibt Ansichten, die nicht schön sind. Aber darum geht es."

"Avatare der Obrigkeit"

Harsche Kritik üben die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zudem an der Personalpolitik des NDR. Die "Besetzung machtvoller Positionen im NDR" ähnele einer patriarchalisch "geführten Organisation", erzählten sie Reimers und dessen Team. Funktionen würden mit Personen besetzt, "die einem spezifischen inneren Zirkel angehören".

Intern werde dieses Phänomen im NDR als "Referentitis" bezeichnet. Laut Reimers ist damit gemeint, "dass vor allem ehemalige Referenten und Referentinnen aus der Intendanz oder den Direktionen bei wichtigen Stellen zum Zuge kommen". Sie würden intern "Avatare der Obrigkeit" genannt, heißt es im Bericht. Viele Mitarbeitende bezeichnen die Art, wie der NDR Führungspositionen aus den eigenen Reihen besetzt, als "Versorgungssystem".

"Chef wird, wen Chef mag"

Ein Mitarbeiter oder Mitarbeiterin beschreibt einen solch typischen Vorgang. "Als ich mich das letzte Mal beworben habe, war vorher klar, dass ich den Posten bekomme. Irgendwann kam der nächste Posten und ich musste mich nicht mal mehr bewerben. Es gibt kein offizielles Bewerbungsverfahren." Das wäre aber wichtig, sagt die Person: "Um Chancengleichheit herzustellen." Eine weitere Person wird im Bericht folgendermaßen zitiert: "Chef wird, wen Chef mag." Und: "Unsere Führungskräfte klonen sich permanent selbst. Da entsteht nicht mehr viel Neues." Auch passten Leistung und die Position nicht immer zusammen, so der Vorwurf.

Beklagt wird laut Bericht außerdem ein zu großes Machtgefälle zwischen den freien Mitarbeitenden und den Festangestellten. Freie Mitarbeiter erstellen in der Regel die Beiträge, Feste planen und disponieren. "Es herrscht ein brutales Abhängigkeitsverhältnis für die Freien. Die Festen bestimmen darüber, wie viel ich verdiene, ob ich etwas verdiene oder ob ich überhaupt Aufträge bekomme", wird ein freier Mitarbeiter zitiert. Es gebe auch positive Fälle der Kommunikation zwischen "Freien und Festen". Doch Reimers stelle teils erschreckende Aussagen fest. So habe ein Mitarbeiter gesagt: "Wenn du als freier Mitarbeiter die Klappe aufmachst, wenn du nicht machst, was die Redakteure von dir wollen, dann bist du verbrannt, dann bist du raus."

Kulturwandel braucht Zeit

Welche Konsequenzen die Führung des NDR aus dem Bericht ziehen wird, teilte der Sender auf der Website nicht konkret mit. Intendant Joachim Knuth kündigte lediglich an, einen Kulturwechsel erreichen zu wollen. Dazu gehörten "eine offene Feedback-Kultur und der positive Umgang mit Kritik". Er sei sicher, das brauche Zeit "und die Bereitschaft aller, sich dem zu stellen". Er jedenfalls tue das, versicherte Knuth.

Verwendete Quellen
  • NDR.de
  • Bericht von Stephan Reimers
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website