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"Welt"-Chefredakteur keilt gegen Autobahnblockierer


Ulf Poschardt auf Abwegen
"Welt"-Chefredakteur wird Opfer einer Autobahnblockade


Aktualisiert am 08.07.2022Lesedauer: 4 Min.
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Not amused: "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt keilt gegen die Autobahnblockierer.Vergrößern des Bildes
Not amused: "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt keilt gegen die Autobahnblockierer. (Quelle: Screenshot. Twitter )

Ulf Poschardt, Chefredakteur der "Welt", geriet in eine Autobahnblockade grüner Aktivisten. Es hätte der Beginn einer Annäherung sein können. Doch jetzt herrscht Krieg.

Ulf Poschardt is not amused. Der Chefredakteur der "Welt" steht bei 30 Grad in Hose, Oberhemd und Wollpullover vor einem alten Mercedes mitten auf einer Straße und zeigt mit dem Finger auf Aktivisten, die sich auf der Straße festgeklebt haben, um die Autobahnabfahrt zu blockieren.

Es ist ein Bild, das sich am Donnerstag schnell in den sozialen Medien verbreitet. "Straßenblockade gegen Ulf Poschardt", ätzte jemand auf Twitter, und der Applaus aus der links-grün-woken Bubble war ihm sicher. Poschardt gehört zu den Hassfiguren der Klimaschützer.

Er ist Sportwagenfahrer, bekennender FDP-Wähler und für seine polemische Kritik an der Politik der Grünen berüchtigt. Gendern, Frauenquote, Tempolimit. Fridays for Future. Alles nicht sein Ding. Als Journalist lässt er keine Gelegenheit aus, um über grüne Politik zu lästern.

"Floskeln der grünen Verbitterungsbourgeoisie"

Am Donnerstag saßen ihm plötzlich einige ihrer radikalsten Vertreter gegenüber, Poschardt konnte ihnen gar nicht entkommen. Er tat, was viele Autofahrer in so einer Situation tun. Er stieg aus und versuchte, mit den Demonstranten zu diskutieren.

Ein aussichtsloses Unterfangen, wie er resigniert in einem Feature für die "Welt" resümierte. Er habe nichts anderes zu hören bekommen "als die Floskeln, die man von der grünen Verbitterungsbourgeoisie seit Jahren kennt. Es lohnt eher nicht. Wer wissen will, was gesagt wurde, liest die Tweets von grünen Vordenkern wie Stefan Rahmsdorf, Bernd Ulrich oder Luisa Neubauer."

Deeskalieren statt missionieren

Lars Werner hat sich über den Bericht geärgert. Der 30-jährige Psychologe war einer der Aktivisten, die sich an der Autobahnabfahrt auf die Straße geklebt hatten. Im Gespräch mit t-online sagt er, Poschardt habe ihm und seinen Mitstreitern "eine verquere Weltanschauung" vorgeworfen. Es gehe bei diesen Aktionen aber gar nicht darum, Bürger argumentativ zu überzeugen. Es gehe darum, zu deeskalieren.

An der Autobahnabfahrt Halensee scheint das nicht funktioniert zu haben. Ein Wort gab das andere. Am Ende habe ihnen Poschardt unterstellt, sie würden es genießen, den Verkehr zum Stillstand zu bringen. Werner wehrt sich gegen den Vorwurf. Er sagt, es sei der Versuch, die Aktivisten "als Böse darzustellen". Dabei sei ihm jedes Mal mulmig zumute, wenn er Straßen blockiere. Er habe Respekt vor den Autofahrern. Er wisse ja, dass er sie in die Bredouille bringe.

Protestieren, um zu überleben

Undemokratisch finde er es nicht, andere auf dem Weg zur Arbeit aufzuhalten, sagt er t-online. Im Gegenteil. "Es ist hochgradig demokratisch, die Demokratie zu retten." Der Klimakollaps lasse ihm keine andere Wahl.

Mit der Blockade am Donnerstag wollten die Aktivisten "radikale Klimaschutzmaßnahmen" erzwingen. Der Bundeskanzler soll sich gegen neue Ölbohrungen in der Nordsee aussprechen. Doch woher wollen die Aktivisten wissen, ob die Mehrheit der Bevölkerung hinter ihren Forderungen steht? Die Frage lässt Werner nicht gelten. "Wir müssen solche Protestformen wählen, wenn wir überleben wollen."

"Lebensbedrohliche Hochnäsigkeit"

Ein Erpressungsversuch. Poschardt beschreibt, wie die Aktivisten am Donnerstag nicht mal eine Frau durchlassen wollten, die auf dem Weg zu einer Operation im Krankenhaus war. "Förmlich bescheidet eine Nötigerin der verzweifelten Dame, dass das nicht möglich sei. Die Frau bricht in Tränen aus."

Es ist eine Szene, für die Poschardt auf Twitter viel Beifall bekommt. Es wird der Tag kommen, wo diese Spinner von der Straße abgerissen werden, und dann ist das Geschrei groß“, schreibt einer. Von "lebensbedrohlicher Hochnäsigkeit" spricht ein anderer. Dass die Frau ihre Fahrt ins Krankenhaus am Ende doch noch fortsetzen konnte, weil die Polizei sie über einen Gehweg aus der Schlange herausgewunken hat, vermag sie nicht zu versöhnen.

Zwei Welten prallen aufeinander

Zwei Welten prallen aufeinander. Hier der Chefredakteur der Welt, dort die Fans der Aktivisten der letzten Generation. Bisher hat er nur über sie geschrieben, jetzt ist er ihnen persönlich begegnet. Doch die Kluft zwischen ihnen ist nicht kleiner geworden. Im Gegenteil.

Die Aktivisten twittern, ihre Blockaden richteten sich gegen niemanden persönlich, auch nicht gegen Poschardt. Es ist der Versuch, dem Chefredakteur der "Welt" doch noch eine Hintertür offenzuhalten. "Es darf für uns alle kein Vorbeikommen mehr geben an etwas, das unsere Gesellschaft als solche bedroht. Wir sind alle die Letzte Generation."

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Tritt in den Hintern der Grünen

Bei Poschardt rennen sie damit gegen eine Wand. Er nutzt die Begegnung, um sich als Anwalt der kleinen Leute zu verkaufen. Doch geht es ihm wirklich um die alte Dame, die ins Krankenhaus muss, oder um den Handwerker Ronnie Lehmann, der nacharbeiten muss, weil er zu spät zur Arbeit kommt?

Poschardts Text endet mit dem Fazit, die "Nötiger" könnten ihre Macht nur deshalb genießen, weil grüne Medien und Politiker sie so mächtig gemacht hätten. Seine Zeitung "Die Welt", keine Frage, gehört nicht dazu. Sie nutzte seinen Erfahrungsbericht für einen sprichwörtlichen Tritt in den Hintern seiner grünen Gegner.

Korrektur: In einer vorherigen Version des Textes wurde Ulf Poschardt als Porschefahrer tituliert – tatsächlich ist er aktuell zwar Sportwagen-, allerdings ehemaliger Porschefahrer. Diese Passage ist entsprechend angepasst. Zudem wurde in einer vorherigen Version des Textes der Eindruck vermittelt, Poschardt habe von einem "Erpressungsversuch" gesprochen. Bei diesem Begriff handelt es sich um eine Einschätzung der Autorin. Weil diese Einschätzung eine Meinung ist, ist der Text nun entsprechend der Redaktionellen Richtlinien von t-online als Meinungsbeitrag gekennzeichnet. Wir bitten, die Fehler zu entschuldigen.

Verwendete Quellen
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