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Berlin | Werbeplakat-Eklat: Hand in Hose okay, Frauen-Brüste nicht?


Sexismus bei Plakatwerbung
Hand in Hose okay, Frauenbrüste nicht


26.07.2022Lesedauer: 3 Min.
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Werbeplakate (Montage t-online): Während das linke Motiv als zu freizügig galt, durfte das rechte im Berliner U-Bahnhof Alexanderplatz aufgehängt werden.Vergrößern des Bildes
Werbeplakate (Montage t-online): Während das linke Motiv als zu freizügig galt, durfte das rechte im Berliner U-Bahnhof Alexanderplatz plakatiert werden. (Quelle: Femtasy, privat/ Montage t-online)

Mit Plakaten wollte ein Start-up in Berlin für seine Erotik-Audios werben. Doch die zunächst geplanten Motive wurden verboten: zu freizügig.

Shivani Savant arbeitet beim Berliner Start-up Femtasy, das mit erotischen Hörgeschichten und aufgenommenen Sex-Sounds von echten Pärchen eine Alternative zur visuellen und männerdominierten Internetpornografie schaffen will. Eine feministische Mission, hinter der Savant so überzeugt steht, dass sie sich für die Kampagne ihres Arbeitgebers in Unterwäsche vor die Kamera stellte. "Ich habe begeistert am Fotoshooting teilgenommen, bei dem ich in Kleidung fotografiert wurde, in der ich mich absolut wohl und frei fühlte", erinnert sich die 27-Jährige.

Unter dem Kampagnen-Titel "Will kommen. Bei femtasy." sollten die Fotos schließlich als Plakate am Alexanderplatz montiert werden. Doch die Berliner Werberichtlinien für Freizügigkeit machten dem Team einen Strich durch die Rechnung, erste Motive wurden abgelehnt: "Auf meinen Bildern waren sich leicht durch den BH abzeichnende Brustwarzen zu sehen. Eine Kollegin wurde mit unverhüllter Hüftkurve fotografiert. Das wurde uns verboten. Genau wie das Wort Orgasmus", beschwert sich Savant.

Ärger über Berliner Werberichtlinien

Der Grund für das Verbot? Unter anderem Werberichtlinien, die eigentlich die sexistische Darstellung des weiblichen Körpers verhindern sollen. Eine Begründung, die das Femtasy-Team nicht nachvollziehen kann. "Bei allen wichtigen Entscheidungen dieser Kampagne waren nur Frauen involviert. Es ist unsere Perspektive auf den eigenen Körper, die hier mit Scham und Stigma der Gesellschaft verwechselt wurde", verteidigt Savant die Vision hinter den Aufnahmen.

Savants Team unter der Leitung von Femtasy-Gründerin Nina Julie Lepique beugte sich schließlich dem Verbot. Doch als die angepassten Plakate am Alexanderplatz endlich hingen, machte CEO Lepique eine Beobachtung: "Direkt neben unseren veröffentlichten Bildern, die nur noch Schultern und Gesicht der fotografierten Frauen zeigen durften, hängt aktuell eine Darstellung von zwei oberkörperfreien Männern, die sich in die Hose fassen", so die 28-Jährige.

Berliner Start-up: "Warum wird unsere weibliche Lust so einschränkt?"

Savant, die in Moabit lebt und sich eigentlich darauf gefreut hatte, gelegentlich an dem Plakat mit der für sie so wichtigen Botschaft vorbeizufahren, ärgert sich über die Berliner Werberichtlinien: "Warum wird unsere weibliche Lust so einschränkt, während männliche Lust ganz offensichtlich immer noch mehr darf? Das ist doch nicht mehr zeitgemäß!", wettert sie im Gespräch mit t-online. "Ich fühle mich in meinem Körper und meiner Sexualität immer wohler. Wie ich dieses Selbstbewusstsein artikuliere, wird jedoch immer noch zu einseitig politisiert", meint sie.

Das Femtasy-Team möchte nun gegen die Sexismus-Richtlinien in der Plakatwerbung ankämpfen. Seiner Ansicht nach schränke eine Vorschrift, die eigentlich die Rechte der Frauen stärken soll, die wichtige Debatte um weibliche Sexualität stattdessen ein und mache sie weiterhin zu einem gesellschaftlichen Tabu.

In diesem Kontext führt das Start-up gerne den sogenannten Orgasm-Gap an, welcher im Gegensatz zum Gender-Pay-Gap nicht im Büro, sondern unter der Bettdecke lauert: Während bei Heterosexuellen etwa 95 Prozent der Männer beim Geschlechtsverkehr zum Höhepunkt kommen, bleiben Frauen mit nur 65 Prozent auf der Strecke. "Wir fordern: Weibliche Lust soll kompromisslos normalisiert werden, denn gesunde Sexualität ist ein wichtiger Schlüssel zu mehr Selbstliebe, Selbstbestimmtheit und Geschlechtsgerechtigkeit", sagt Lepique, die sich seit Jahren als Aktivistin in der Berliner Gründerszene behauptet.

Beispiel aus den USA macht Berliner Gründerin Mut

"Uns werden als jungem Start-up immer wieder Steine in den Weg gelegt – dabei ist unsere Mission Selbstbestimmung der Frau und Geschlechtergerechtigkeit. Dass auf unseren Plakaten die Darstellung weiblicher Körper nun zensiert wurde, ist für uns ein Alarmsignal", erklärt die 28-Jährige. "Wir kämpfen weiter dafür, dass selbstbestimmte weibliche Sexualität uneingeschränkt in der Werbung gezeigt werden darf. Leider ist die Zensur weiblicher Sexualität in Medien und Werbung aber auch nichts Neues."

Lepique spielt auf ein Beispiel aus den USA an: Im vergangenen Jahr klagte ein US-amerikanischer Sexspielzeug-Hersteller für Frauen dagegen, keine Werbung in den New Yorker U-Bahnen machen zu dürfen – während Plakate für Viagra beispielsweise kein Problem darstellten. Die Firma siegte vor Gericht. Femtasy-Gründerin Lepique freut sich mit den US-amerikanischen Kolleginnen: "Beispiele wie diese motivieren uns täglich, weiter für Geschlechtergerechtigkeit einzutreten – in der Berliner Gründerszene und darüber hinaus."

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Shivani Savant und Nina Julie Lepique
  • Eigene Recherchen
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