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Fotos von deutscher Wüste: Ist der Klimawandel schon so schlimm?


Fotos von deutscher Wüste
Ist der Klimawandel schon so schlimm?

  • Matti Hartmann
Von Matti Hartmann

Aktualisiert am 16.06.2023Lesedauer: 3 Min.
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Die größte Wüste Deutschlands, auch Kleinsibirien genannt: Sie entstand nach einem Waldbrand.Vergrößern des Bildes
Eines der Bilder, die Oomen verbreitet hat: Die größte Wüste Deutschlands, auch Kleinsibirien genannt. (Quelle: Pleul/dpa)

Großes Augenreiben bei Twitter: Ein Grünen-Politiker hat Fotos einer Wüste in Deutschland geteilt. Ist der Klimawandel schon so weit fortgeschritten?

Sand so weit das Auge reicht, sengende Sonne. Vereinzelt stecken vertrocknete Grasbüschel im kargen Boden, nur ganz am Rand wachsen ein paar widerständige grüne Gehölze.

Es mutet surreal an, wie eine Vision der Apokalypse – die Wüste in Brandenburg gibt es aber wirklich. Sie liegt 95 Kilometer südöstlich von Berlin, 20 Kilometer nördlich von Cottbus und sie ist rund fünf Quadratkilometer groß. Nach der polnischen Błędów-Wüste gilt sie als zweitgrößte Wüste Mitteleuropas.

Ein User hat bei Twitter Fotos dieser faszinierenden Landschaft geteilt. Matthias Oomen war mal Pressesprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn, außerdem bis 2016 Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Mobilität im bündnisgrünen Landesverband Berlin.

Die von Oomen verbreiteten Fotos aus der Brandenburger Wüste haben innerhalb von 24 Stunden deutlich mehr als 300.000 Menschen gesehen, Hunderte User verbreiteten sie weiter, Tausende likten sie. Oomen stellt die Fotos in einen Zusammenhang mit dem Klimawandel, mit Dürre, Hitze und Bränden, die im Augenblick in Brandenburg wüten. "Noch ist es die Ausnahme", schreibt er. "Aber die Geschwindigkeit, mit der sich ein ganzer Landstrich auf den ökologischen Untergang zubewegt, ist einfach dramatisch."

Waldbrand in Brandenburg ließ die Wüste entstehen – 1942

Das Problem dabei ist: Oomen bringt hier einige Dinge durcheinander. Denn die Lieberoser Wüste, aus der die Aufnahmen stammen, geht zwar auf einen Waldbrand zurück – allerdings auf einen aus dem Jahr 1942.

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Waldarbeiter hatten damals ein Feuer gemacht, es geriet außer Kontrolle. Die Löschkräfte waren machtlos, die Flammen ließen 1.700 Hektar kahl zurück. Dann kamen Waffen-SS und danach die Rote Armee, auf dem Gebiet entstand ein Truppenübungsplatz. Schweres Gerät walzte alles platt und legte den sandigen Untergrund frei, der sich dort seit der letzten Eiszeit befindet, als ein riesiger Gletscher bis in die Lieberoser Heide zog.

Eine sogenannte Panzerwüste entstand – mit linienförmigen Strichdünen, bogenförmigen Parabeldünen, kleinen Kupsten und völlig offenen Flugsanddünen. Dazwischen wachsen Becherflechten, Moose und Silbergras. Seltene Insekten wie die Dünen-Springspinne krabbeln umher.

Die Leute aus der Umgebung nennen die Wüste auch Kleinsibirien. Das Gelände zu betreten, ist verboten. Nicht nur, weil es sich um ein Naturschutzgebiet handelt. Sondern auch, weil es gemeingefährlich ist: Im Boden lagert noch tonnenweise Munition.

Oomen verteidigt sich: "Die Wüste ist ein Blick in die Zukunft"

Matthias Oomen sollte das eigentlich alles wissen. Er hat nach Informationen von T-Online an einer geführten Exkursion mit einer Bundestagsabgeordneten durch die Lieberoser Wüste teilgenommen und in einem Kommentar zu seinem Ursprungspost auch den Ort genannt.

Seinen Tweet verteidigt er so: Er habe nie behauptet, dass diese Wüste auf den Klimawandel zurückzuführen sei. Die von ihm verbreiteten Bilder, die die Nachrichtenagentur dpa in ihrem Archiv hat und die aus dem Jahr 2017 stammen, sollten nur verdeutlichen, wie die Landschaft überall in Brandenburg bei fortschreitender Trockenheit aussehen wird.

"Die Wüste ist ein Blick in die Zukunft. Sobald die Grasnarbe weggebrannt ist, bricht der märkische Sand durch", rechtfertigt sich Oomen.

Der Klimawandel verändert Brandenburg wirklich

Da habe er einen Punkt, sagt Isabel Gabei von der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg, die auch für das Naturschutzgebiet um die Lieberoser Wüste herum verantwortlich ist. Die großen Fragen, die die Stiftung in ganz Brandenburg beschäftigen würden, lauteten: "Was bleibt? Was kommt? Wird ganz Brandenburg zur Wüste? Wir werden beobachten und erforschen, wie sich die Wildnis natürlich entwickelt, wenn der Mensch nicht eingreift."

Und dann erklärt sie, was gerade ist und was passiert: Im Wildnisgebiet rund um die Wüste herrsche noch große Vielfalt, sagt Gabei. Ein wilder Schatz sei das, mit Wölfen, Fischottern, Bibern und Seeadlern.

Aber: Die Böden sind extrem trocken, die Pegel der Moore fallen. Die Seen verlieren Wasser, die Vegetation kämpft, Tierarten verschwinden, andere kommen. Die Lieberoser Wüste wandert, sie frisst Teile der umliegenden Heide, neue Sandflächen entstehen. Auch wenn langfristig damit zu rechnen sei, dass die Wüste durch natürliche Sukzession, also die Rückkehr der für einen Standort typischen Pflanzen, langsam wieder zuwächst.

Sicher sei: "Durch den Klimawandel verändert sich ganz Brandenburg und auch die Lieberoser Wüste. Es ist allerdings alles ein wenig komplexer als in diesem Tweet von Herrn Oomen."

Verwendete Quellen
  • In einer ersten Fassung dieses Artikels hatte t-online geschrieben, Herr Oomen habe bestätigt, an einer Exkursion in die Lieberoser Wüste teilgenommen zu haben. Er hat aber lediglich in einem Chat, in dem es mehrfach um diese Exkursion ging, nicht dementiert, dabei gewesen zu sein. Wir haben die entsprechende Stelle im Artikel angepasst. t-online hat aus anderer Quelle die Information, dass er tatsächlich dabei war.
  • twitter.com: Beitrag von Matthias Oomen
  • Chat mit Matthias Oomen
  • Telefonat mit einer Sprecherin der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg
  • berlin.de: "Lieberoser Heide"
  • nabu.de: "Der ehemalige Truppenübungsplatz Lieberose"
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