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Driller Queens in Berlin: "Sexismus im Handwerk ist allgegenwärtig"


Alternative Plattform in Berlin
"Der Sexismus im Handwerk ist wirklich allgegenwärtig"

InterviewEin Interview von Niklas Bröckl

10.08.2025 - 17:23 UhrLesedauer: 5 Min.
Charly Machin, Gründerin von "Driller Queens": "Ich wusste nicht wirklich, wie schlimm es für viele Menschen war, bis ich anfing, Geschichten von meinen Kunden zu hören."Vergrößern des Bildes
Charly Machin, Gründerin von "Driller Queens": "Ich wusste nicht wirklich, wie schlimm es für viele Menschen war, bis ich anfing, Geschichten von meinen Kunden zu hören." (Quelle: Joe Wray)
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Handwerk neu gedacht: Eine Berliner Plattform will ein sicheres Umfeld für alle schaffen. Wie das funktioniert und warum das Internet sie dafür hasst – ein Gespräch mit der Gründerin.

Handwerk ist immer noch ein von Männern dominiertes Berufsfeld. Laut dem Statistischen Bundesamt waren 2024 lediglich 10,3 Prozent der Erwerbstätigen in Handwerksberufen weiblich. Auch in Berlin zeigt sich diese Entwicklung: Seit 2005 ist die Zahl der weiblichen Auszubildenden um fast die Hälfte gesunken. 2024 waren es noch 17,5 Prozent, geht aus Zahlen der Berliner Handwerkskammer hervor.

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Zahlreiche Recherchen zeigen zudem, dass sexistische Äußerungen und sogar Übergriffe auf Handwerkerinnen oder Kundinnen fast alltäglich sind. Meist sprechen Betroffene nur anonym mit Medien und Journalisten: Häufig haben sie Angst vor Nachteilen oder Diskriminierung, wenn sie solche Fälle öffentlich machen.

Charly Machin will dieser Situation im Handwerk etwas entgegensetzen. Sie gründete 2018 eine Plattform für Flinta* und queere Menschen. Flinta steht für Frauen, Lesben, Inter-, Nonbinär-, Trans- und Agender-Personen. Das Sternchen schließt weitere Geschlechtsidentitäten ein. Doch bei den "Driller Queens" von Machin sind auch Männer willkommen. t-online hat mit ihr über die Herausforderungen, den Sexismus im Handwerk und den Umgang mit Hass und Hetze im Internet gesprochen.

t-online: Frau Machin, was ist das Ziel der Plattform? Was wollen Sie erreichen?

Charly Machin: Die Kernaufgabe von "Driller Queens" ist es, einer Branche, die sehr exklusiv ist, die dringend benötigte Inklusivität zurückzugeben. Und das gilt sowohl für unser Team als auch für unsere Kunden. Das Ziel ist es, einen sicheren, respektvollen Raum für alle zu schaffen, in dem die Kunden immer Entscheidungsfreiheit haben. Wir arbeiten quasi mit vielen marginalisierten und unterrepräsentierten Gruppen zusammen. Ziel ist es, ein Umfeld zu schaffen, in dem alle angstfrei und auf Augenhöhe miteinander umgehen können.


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Wir wollen einer Branche, die sehr exklusiv ist, die dringend benötigte Inklusivität zurückbringen.


Charly Machin


Sie sagen, die Branche Handwerk sei sehr exklusiv. Können Sie das genauer erklären?

Handwerk ist ein exklusiver Männerklub. Handwerk gibt es schon seit Hunderten von Jahren. Es ist ganz normal, dass die meisten traditionellen Branchen typischerweise patriarchalisch und männlich sind. Trotzdem wollen wir das ändern. Natürlich haben wir auch Männer im Team, alles andere wäre unmoralisch. Aber wir wollen sowohl im Team als auch nach außen alle einbeziehen. Wir versuchen nicht, in unserer kleinen Blase zu bleiben. Wir versuchen, eine Branche zu verändern.

Klingt so, als hätte sich seit Hunderten Jahren nichts getan?

In letzter Zeit gab es einen kleinen Anstieg von Stipendien, die dafür verwendet werden, Frauen ins Handwerk zu holen. Das ist ein guter Anfang. Die Herausforderung besteht jedoch darin, dass dies nur für Frauen gilt. Es grenzt trans Personen und nicht binäre Menschen aus.

Was bieten Sie denn konkret den Kunden, die sich an die "Driller Queens" wenden?

Für die Kunden bieten wir einen Raum, in dem Sie Fragen stellen, Ihre Meinung ändern können und in dem Sie immer die Kontrolle darüber haben, was in Ihrem Zuhause passiert.

Und was bekommt Ihre Belegschaft, neben der Möglichkeit, inklusiv und wertschätzend zu arbeiten?

In unserem Team ermöglichen wir auch allen, mit ihren fantastischen Fähigkeiten einen existenzsichernden Lohn zu verdienen. Es gibt zum Beispiel so viele Menschen, die unglaublich qualifiziert sind, aber nur aufgrund ihrer Geschlechterorientierung, ihrer Sexualität und dergleichen nicht in dieser Branche arbeiten können. Und wir bieten Unterstützung und Ermutigung, damit die Menschen das erreichen können, was sie verdienen.

Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie die Plattform gegründet haben?

Ich habe ursprünglich eine Ausbildung zur Grafikdesignerin gemacht. Aber ich habe in meinem Job nicht genug Geld verdient, weil das geschlechtsspezifische Lohngefälle in Berlin verrückt ist. Also fing ich eine Nebenbeschäftigung an, und sie hieß "Girl with a Drill". Im Grunde lief ich mit meinen Werkzeugen durch Berlin und reparierte die Wohnungen der Leute. Das habe ich neben meinem Vollzeitjob gemacht.

Und da habe ich dann diese vielen Handwerkergeschichten gehört. Ich wusste vorher nicht, wie schlimm das für viele Kunden war. Und von da an ist die Idee irgendwie gewachsen.

Welche Geschichten meinen Sie?

Viele meiner Kunden sind sehr starke Frauen. Alleinerziehende Mütter, die gerne ihr eigenes Zuhause führen, ihr eigenes Haus besitzen, und ihnen wird von Handwerkern gesagt: "Oh, können wir bitte mit Ihrem Mann sprechen? Bis wir das nicht getan haben, können wir nichts weiter tun." Einige erzählen, dass ihnen zu viel berechnet wurde oder sie sexuell belästigt wurden.

Ist das ein großes Problem?


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Sexismus im Handwerk ist wirklich allgegenwärtig.


Charly machin


Der Sexismus im Handwerk ist wirklich allgegenwärtig. Dein Zuhause ist ja ein Ort, an dem du verwundbar sein kannst. Es gibt nur wenige Jobs, in denen du einfach zu jemandem in die Wohnung gehst. Das ist sehr, sehr persönlich. Wenn man keine gute Kommunikation, kein Verständnis und keinen Respekt für den Kunden hat, dann ist das eine wirklich schreckliche Erfahrung für jemanden. Und das passiert oft in der Handwerksindustrie.

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Diese Geschichten waren dann der Anstoß für die Plattform?

Jeder denkt, dass ich eines Tages aufgewacht bin und gesagt habe: "Weißt du, was die Welt braucht? Eine queere, flinty, handwerkliche Firma!" Nein, ganz und gar nicht. Das ist vollkommen zufällig passiert. Es ist zu etwas geworden, das unglaublich notwendig und angebracht ist, aber es hat nicht mit dieser Denkweise angefangen.

Welche Reaktionen gibt es denn auf Ihre Plattform?

Wir können mit der Arbeit nicht Schritt halten, ich kann Leute nicht schnell genug einstellen. Ich könnte mein Team jetzt verdoppeln, und trotzdem wäre der Kalender voll. Aber es zeigt, wie nötig unsere Herangehensweise ist. Was mich umgehauen hat, ist die Tatsache, dass wir ja nichts wirklich umwerfend anderes tun. Wir sind einfach anständig und respektvoll. Wir sind einfach gute Menschen. Wir sind ehrlich. Wir kommunizieren gut. Aber sollte das nicht normal sein? Wir erfinden das Rad hier nicht neu.


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Das Internet hasst uns.


Charly machin


Aber Sie bekommen doch garantiert auch Gegenwind.

Ja, also meistens online, wenn ich ehrlich bin. Das Internet hasst uns. Ich wurde als Faschistin, Nazi, Homophobe oder Rassistin bezeichnet. Also hasse ich anscheinend jeden (lacht). Ich bin aber nur eine queere Frau, die Regale aufstellt. Wir erleben sowieso täglich Mikrosexismus, unabhängig davon, was unser Job ist. Ich habe oft das Gefühl, dass ich keine Fragen stellen kann, die mein männliches Gegenüber stellen könnte. Ich muss sogar darüber nachdenken, was ich trage, wenn ich in den Baumarkt gehe. Wenn ich mich anziehen würde wie in der Hitzewelle, mit einem Kleid, würden sie mich dort nicht ernst nehmen. Aber manchmal denken viele Männer zweimal darüber nach, dich zu beleidigen, wenn du wirklich, wirklich große Werkzeuge mit dir herumschleppst.

Sie sagten, die "Driller Queens" erhalten sehr viele Aufträge. War das schon immer so?

Also wir sind ein paar Wochen vor der Pandemie im Jahr 2020 gestartet. Für viele Unternehmen wäre das schrecklich gewesen. Aber wir haben mit der Plattform während der Pandemie einen Höhenflug hingelegt. In der Zeit waren die Menschen im Homeoffice. Sie mussten sich 12 Stunden am Tag ansehen, was in ihrer Wohnung defekt ist. Und dann wollten sie natürlich unbedingt, dass das repariert wird.

Und was ist noch ein Grund für Ihren Erfolg?

Ich habe viele Entscheidungen mit meinem Herzen und nicht mit meiner Brieftasche getroffen. Ich denke, das ist vielleicht der Grund, warum es uns gut geht, weil ich die Dinge fair machen will. Es gibt einige wichtige Unternehmensregeln, also für das Team. Und die erste ist: Sei kein Arschloch.

Verwendete Quellen

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