Berlins Antisemitismus-Beauftragter "Juden in ihrem Alltag massivst eingeschränkt"

Mit der Kippa oder der Kette mit Davidstern vor die Haustür? Vielen Juden sei das im Moment zu gefährlich, sagt der Berliner Antisemitismus-Beauftragte.
Samuel Salzborn, Antisemitismus-Beauftragter Berlins, sieht die Hauptstadt als unsicheren Ort für Juden. "Wir haben nach wie vor eine hoch angespannte Sicherheitslage", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Israelfeindliche antisemitische Aktionen bei Demonstrationen und an Hochschulen belasteten den Alltag jüdischer Menschen. "Zudem haben wir die Situation, dass Jüdinnen und Juden in ihrem Alltag massivst eingeschränkt sind."
Salzborn beschreibt einen "bedrohlichen Alltag" für Juden in Berlin. "Er ist gar nicht so sichtbar, sondern veralltäglicht. Das, was wir eigentlich wollten in Deutschland, das alltägliche Umgehen mit jüdischem Alltag, ist mittlerweile völlig gekippt", erklärte er. Jüdische Menschen müssten ständig auf der Hut sein.
Antisemitismus-Beauftragter: Angst führt zu Vorsichtsmaßnahmen
Die Angst vor Erkennung führe zu Vorsichtsmaßnahmen. Viele Juden würden sich nicht mehr trauen, eine Kippa zu tragen. Manche ließen sich vom Taxi nicht direkt zur Synagoge fahren, sondern stiegen einige Straßen vorher aus. Andere fürchten laut Salzborn, von Lieferdiensten durch Namen oder Symbole an der Haustür als Juden identifiziert zu werden. "Es sind diese ganzen niedrigschwelligen Dinge, die den Alltag extrem bedrohlich machen, mit Kleinigkeiten, mit Selbstverständlichkeiten erkannt zu werden."
Salzborn lobte die Arbeit der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Antisemitismus. Erhöhte Schutzmaßnahmen nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 hätten viel verhindert. Die Berliner Polizei sei wachsam und habe das Thema auf der Agenda. "Sie tut alles und mehr als das, was möglich ist", so Salzborn. "Aber es ändert eben auch nichts an der Realität. Wir leben in einer freien Gesellschaft. Es gibt nicht überall Videoüberwachung, es gibt nicht überall eine Polizeistreife, die vor Ort ist, sondern es gibt diese Alltagssituationen, dass jemandem in der U-Bahn eine Kette mit einem Davidstern aus dem T-Shirt rutscht."
Unterstützung für Betroffene notwendig
Trotz der Bemühungen der Behörden bleibe die Lage angespannt. Salzborn fordert mehr Zivilcourage von allen Bürgern bei antisemitischen Vorfällen. Er kritisiert, dass nicht alle Umstehenden solche Attacken als Problem wahrnehmen und reagieren.
"Insgesamt ist die Lage einfach immer noch, ich sage es mal diplomatisch, unterausgeprägt, was Hilfestellung in solchen Situationen angeht", so Salzborn. Dies gelte auch bei anderen Diskriminierungen, sei aber bei Antisemitismus besonders problematisch.
- Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
- Dieser Text wurde teilweise mit maschineller Unterstützung erstellt und redaktionell geprüft. Wir freuen uns über Hinweise an t-online@stroeer.de.