Berliner Polizei beendet Erfassung von Sinti und Roma
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2017 sind in Unterlagen der Berliner Polizei die Begriffe "Zigeuner", Sinti und Roma aufgetaucht
In der Berliner Kriminalstatistik 2017 war zu lesen, dass TrickdiebstΓ€hle in Wohnungen "ΓΌberwiegend" von "AngehΓΆrigen der Volksgruppe der Sinti und Roma" begangen wΓΌrden. Das veranlasste die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk dazu, die Unterlagen der Polizei stichprobenartig zu durchforsten. Ergebnis: Von den im Jahr 2017 abgeschlossenen FΓ€llen von Trickdiebstahl tauchten insgesamt 31-mal die Begriffe "Zigeuner", "Roma" und "Sinti" auf β etwa in Strafanzeigen oder Durchsuchungsberichten an die Staatsanwaltschaft. Oft wurden darin einfach ΓuΓerungen von Zeugen wiedergegeben β und diese zu verΓ€ndern sei nicht zulΓ€ssig, sagt die Polizei.
Problematisch aber: Immer wieder wurden diese Bezeichnungen auch ohne Anlass in Verbindung mit Delikten benutzt. Das ist rechtswidrig, so Maja Smoltczyk. Sie forderte die Polizei auf, ihre DatenbestΓ€nde auf rechtswidrige Datenverarbeitung im Zusammenhang mit der Ethnie der Sinti und Roma zu prΓΌfen und gegebenenfalls zu bereinigen.
Sinti und Roma besorgt ΓΌber rechtsextreme Tendenzen
Die Polizei darf die ethnische ZugehΓΆrigkeit ebenso wie die sexuelle oder geschlechtliche IdentitΓ€t von Menschen nur unter bestimmten Bedingungen verwerten. Etwa, wenn sie fΓΌr die Fahndung notwendig ist oder die Tat vorurteilsmotiviert ist.
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Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sah in den VorfΓ€llen einen "antiziganistischen Blick". Das fΓΌhre dazu, dass Sinti und Roma allein aufgrund ihrer Abstammung pauschal mit KriminalitΓ€t in Verbindung gebracht wΓΌrden. Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats, erklΓ€rte seine Sorge darΓΌber, dass die PolizeibehΓΆrden mΓΆglicherweise systematisch diese Daten erheben. Mit Blick auf die deutsche Geschichte und vor dem Hintergrund rechtsextremer Tendenzen bei der Polizei hatte Rose 2020 in der "SchwΓ€bischen Zeitung" eine genaue Untersuchung verlangt.
Nationalsozialisten jagten die Minderheit
Γber Jahrhunderte wurden Sinti und Roma hierzulande in sogenannten "Zigeunernachrichtendiensten" polizeilich erfasst, entsprechende Karteien und Steckbriefe erstellt. Die Nationalsozialisten verfolgten und ermordeten sie systematisch: Ende 1938 erlieΓ SS-Chef Heinrich Himmler einen Erlass zur "BekΓ€mpfung der Zigeunerplageβ. Auf dem GelΓ€nde des heutigen Otto-Rosenberg-Platzes in Berlin-Marzahn befand sich von 1936 bis 1945 ein nationalsozialistisches Zwangslager fΓΌr Sinti und Roma.
Dass die Polizei die strittigen Begriffe immer wieder verwendet, kritisiert Armin Bohnert, 2. Vorsitzender von PolizeiGrΓΌn, einem Verein GrΓΌner und GrΓΌnen-naher Polizeibediensteter gegenΓΌber t-online. Zwar seien solche Zuschreibungen aus dem Schriftverkehr weitestgehend verschwunden, wΓΌrden aber innerhalb der BehΓΆrde wohl mΓΌndlich weiter gebraucht. "VerstΓ€rkt werden diese Narrative natΓΌrlich durch persΓΆnliche Erfahrungen mit kriminellen Gruppen und Personen, die es natΓΌrlich gibt", so Bohnert, der seit 35 Jahren Polizist ist. "Diese bestΓ€tigen die Vorurteile weiter. Dass es Mitglieder dieser ethnischen Minderheiten gibt, die dem Klischee nicht entsprechen, wird nicht vergegenwΓ€rtigt, weil man diese halt auch nicht kennt."
AnwΓ€rter und FΓΌhrungskrΓ€fte werden sensibilisiert
Seit 2018 gebe es die umstrittene Verarbeitung personenbezogener Daten nicht mehr, so die Polizei auf Nachfrage von t-online. Man sei "hochsensibel im Umgang mit der Erfassung von VolkszugehΓΆrigkeiten" und fΓΌhre diese nur dort durch, wo es erforderlich und rechtlich zulΓ€ssig ist.
Nun haben Innensenator Geisel (SPD) und Romani Rose eine Kooperation zwischen der Polizeiakademie und dem Zentralrat vereinbart: Im Jahr 2021 sollen zwei bis drei mehrtΓ€gige FortbildungsmaΓnahmen angeboten werden, auch fΓΌr FΓΌhrungskrΓ€fte. Die Kooperation mit dem Zentralrat besteht zwar schon lΓ€nger, doch aufgrund der Umstrukturierung der Polizeiakademie und zuletzt wegen der Corona-Pandemie musste sie ruhen, so ein Sprecher der Innenverwaltung.
- Eigene Anfragen bei Polizei Berlin, Senatsinnenverwaltung und bei PolizeiGrΓΌn
- "SchwΓ€bische Zeitung": "Sinti und Roma besorgt ΓΌber Rechtsextremismus bei der Polizei" (kostenpflichtig)
- "SΓΌddeutsche Zeitung": "Berliner Polizei erhob rechtswidrig Daten von Sinti und Roma"