Neue Forschungsergebnisse AWI-Erkenntnis verändert Blick auf Evolution "grundlegend"

Menschen können sprechen – ein entscheidendes Unterscheidungsmerkmal zu Tieren. Doch was dahinter steckt, fanden Forscher aus Bremerhaven erst jetzt heraus.
Das Erbmaterial eines Schimpansen ähnelt dem des Menschen um etwa 98 Prozent und trotzdem gibt es einen entscheidenden Unterschied: Schimpansen können nicht sprechen. Lange Zeit glaubten Forscher, dass die Menschenaffen schlicht nicht die organischen Voraussetzungen dafür hätten. Eine neue Studie belegt diese Annahme nun. Die Untersuchung, an der Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) aus Bremerhaven beteiligt waren, verändere "das Verständnis der evolutionären Entwicklung", heißt es in einer Mitteilung.
Die Untersuchung unter Führung des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie habe gezeigt, dass Schimpansen sehr wohl über entsprechende neuronale Strukturen verfügen, die mit der Sprachverarbeitung beim Menschen vergleichbar sind. Die Entdeckung dieser Nervenfasern könnte wichtige Hinweise auf die evolutionäre Entwicklung der menschlichen Sprache liefern.
20 Affenhirne – 20 Nachweise
Innerhalb der Studie identifizierten die Forscher das sogenannte fasciculus arcuatus (AF) im Gehirn von Schimpansen. Dieses Faserbündel verbindet beim Menschen zentrale Sprachareale und zeigt auch bei Schimpansen eine Verbindung zum mittleren Schläfenlappen. Laut Erstautor Yannick Becker deutet dies darauf hin, dass die neuronale Architektur für die Sprache nicht vollständig neu beim Menschen entstand, sondern sich aus einer älteren Struktur entwickelte.
Für ihre Forschung nutzten die Wissenschaftler hochauflösende Magnetresonanztomographie an Gehirnen von wildlebenden Schimpansen, die auf natürliche Weise verstorben waren. Diese Methode ermöglichte es ihnen, den Verlauf der Nervenfasern präzise sichtbar zu machen. Das Ergebnis: In allen 20 untersuchten Gehirnen war das Nervenfaserbündel vorhanden – ein Merkmal, das zuvor als ausschließlich menschlich galt.
Erkenntnisse verändern Blick auf Evolution "grundlegend"
"Diese Erkenntnisse könnten unser Wissen über die evolutionäre Entwicklung der Sprache grundlegend verändern", erklärte Mitautorin Angela D. Friederici. Sie betonte: "Bisher nahm man an, dass sprachrelevante Strukturen erst beim Menschen entstanden. Unsere Ergebnisse stellen dieses Verständnis infrage."
Die Forschungen sollen in einem internationalen Konsortium weitergeführt werden. Laut Yannick Becker könnten künftig Verhaltensdaten von Menschenaffen mit den gewonnenen Gehirndaten verknüpft werden, um die kognitiven Fähigkeiten dieser Tiere besser zu verstehen.
- cbs.mpg.de: Mitteilung vom 15. Mai 2025
- awi.de: "Nervenfasern für Sprache auch beim Schimpansen entdeckt"