t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



Menü Icon
t-online - Nachrichten für Deutschland
HomeRegionalDüsseldorf

Schützenverein schließt Frauen aus: "Ich will nicht, dass der Rückschritt gewinnt"


Gleichberechtigung im Schützenverein
"Das ist in die Hose gegangen"


Aktualisiert am 24.12.2022Lesedauer: 3 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
In Neuss gibt es sogar pazifistische Schützenmännchen – aus ihren Gewehren ragen Blumen. Nur für Frauen wie Constanze Stroeks stehen die Ampeln auf Rot.Vergrößern des Bildes
In Neuss gibt es sogar pazifistische Schützenmännchen – aus ihren Gewehren ragen Blumen. Nur für Frauen wie Constanze Stroeks stehen die Ampeln auf Rot. (Quelle: Montage/imago-images-bilder)

Der Schützenverein in Neuss entscheidet sich im 200. Jahr seines Bestehens dagegen, Frauen aufnehmen. Constanze Stroeks ist nur geduldet – und bleibt, um zu kämpfen.

Seit bei der Jahreshauptversammlung des Neusser Bürger-Schützen-Vereins ein Antrag auf passive Mitgliedschaft von Frauen abgelehnt wurde, steht der Verein unter Beschuss. Neben Beleidigungen und Anfeindungen geht es sogar um die Existenz: Sponsoren tragen sich mit dem Gedanken, dem Verein die Gelder zu streichen.

Letztlich geht es um nichts Geringeres als die Identität der Stadt: Jahr für Jahr steht das öffentliche Leben zum größten Bürger-Schützenfest der Welt für eine Woche still. In wichtigen Funktionen sitzen Schützen – angefangen beim Bürgermeister.

Constanze Stroeks ist die einzige stimmberechtigte Frau im Verein. Bei der Jahreshauptversammlung sei ihr deshalb sogar 'Verpiss dich" zugerufen worden. Trotzdem bleibt sie dem Verein weiter treu – warum?

Mehrheit gegen passive Mitgliedschaft

"Jeder, der aus Neuss kommt, weiß, dass der Verein seit 70 Jahren Frauen aufnimmt", stellt Stroeks klar, die sehr freundlich im Verein aufgenommen worden sei. "Es war gelebte Praxis, dass Frauen eine passive Mitgliedschaft bekommen haben, wenn sie denn wollten." Eine Tradition, mit der in diesem Sommer gebrochen worden sei: Mit der Begründung, dass das in der Vereinssatzung nicht klar geregelt sei, wurde die passive Mitgliedschaft einer Frau abgelehnt.

Zur Wahrheit würde allerdings auch gehören, dass ein ganz junger Schützenzug die daraus resultierende Debatte überhaupt erst angestoßen hatte: "Der Schützenzug wollte Männer und Frauen vollständig gleichstellen", so Stroeks. Frauen hätten dann auch am Wettbewerb des Vogelschießens teilnehmen und beim Schützenfest mitlaufen dürfen. In Zusammenarbeit mit dem Komitee habe man sich darauf geeinigt, einen Schritt nach dem anderen zu gehen und erst mal die passive Mitgliedschaft für Frauen "festzuzurren".

"Das ist allerdings in die Hose gegangen. Bei der Jahreshauptversammlung hat nicht mal die Hälfte der etwa 800 anwesenden männlichen Mitglieder für die Aufnahme von Frauen gestimmt", so Stroeks, die auch Vorsitzende des Gleichstellungsbeirates in Neuss ist.

Für die Satzungsänderung hätte es eine Zweidrittelmehrheit gebraucht. "Die Diskussion hat sich hochgeschaukelt, es wurden Ängste geschürt", erklärt Stroeks. "Es war auch Alkohol im Spiel." Und auf einmal ging es darum, dass Frauen dann auch am Vogelschießen teilnehmen könnten. Für viele Mitglieder anscheinend eine rote Linie, obwohl diese Frage bei der Abstimmung über eine passive Mitgliedschaft gar nicht zur Debatte stand.

"Nach 200 Jahren können Frauen auch noch länger warten"

Als einzige stimmberechtigte Frau versuchte Stroeks, den Männern in ihrer Rede vor der Abstimmung klarzumachen, dass sie bereits seit vier Jahren Mitglied sei: "Ich habe gesagt, dass jeder Mitglied werden sollte, der das Schützenfest liebt, egal, ob Mann, Frau oder irgendwas dazwischen." Doch die Diskussion habe sich in eine andere Richtung entwickelt: "Auf einmal fielen am Mikrofon Sätze, wie 'Die Frauen haben 200 Jahre gewartet, hier Mitglied zu werden, da können die auch noch ein bisschen länger warten.'" Der Saal habe daraufhin getobt.

Trotz dieser Demütigung will Stroeks die Flinte nicht ins Korn werfen – jetzt erst recht nicht. "Wenn ich jetzt gehen würde, dann hätten die gewonnen, die den Rückschritt wollen", sagt Stroeks, die es traurig macht, welches Bild der Verein dadurch nach außen vermittelt. In den Kommentarspalten der sozialen Medien wird der Verein verhöhnt: "Hinterwäldler mit Waffe ... ganz schlechte Kombi" gehört da noch zu den harmloseren Beleidigungen.

Für Stroeks allerdings nur ein weiteres Indiz, dass der Shitstorm von außerhalb über Neuss hereinbricht – von Menschen, die den Verein gar nicht kennen: "Sonst wüssten die, dass wir in Neuss das Schützenfest mit Holzgewehren begehen", so Stroeks: "Bei uns geht es wirklich nur ums Feiern, und das ist jedes Jahr ein wirklich weltoffenes Fest."

Nächstes Jahr feiert der Verein sogar sein 200-jähriges Jubiläum. Stroeks hofft, dass sich die Debatte abkühlt und ist zuversichtlich, dass bis dahin Frauen als passive Mitglieder in den Verein eintreten können – ganz offiziell.

Andere Schützenvereine machen schließlich vor, dass es auch anders geht: In Dormagen beispielsweise wird 2023 mit den Herzdamen erstmals ein rein weiblicher Schützenzug mitlaufen.

Verwendete Quellen
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website