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Zum journalistischen Leitbild von t-online.RWE-Trainer Koschinat im Exklusiv-Interview "Unsere Fans freuen sich auf eine geile Saison"

Neuzugänge, Taktik, Hierarchie – vor dem Knaller-Auftakt von RWE gegen 1860 München spricht Trainer Uwe Koschinat im Interview mit t-online über die neue Saison.
Eine eingespielte Mannschaft, vielversprechende Neuzugänge und eine starke Vorbereitung lassen die Fans von Rot-Weiss Essen vor dem Ligaauftakt gegen 1860 München am Freitag (1. August, 19 Uhr) träumen.
Im zweiten Teil des großen Exklusiv-Interviews mit Uwe Koschinat ordnet der Trainer von RWE die Euphorie ein, spricht über einen großen Pluspunkt der Mannschaft, verrät die größte Überraschung der Vorbereitung und warnt vor einem Rückfall in alte Zeiten. Die Partie gegen die Löwen sieht er als echten Gradmesser.
- Uwe Koschinat spricht vor dem Saisonstart: Hier geht es zum erste Teil des Interviews
- Alle Informationen auf einen Blick: Hier geht es zum Newsblog zu Rot-Weiss Essen
t-online: Uwe Koschinat, RWE geht mit einer eingespielten Achse und einer klaren Struktur innerhalb des Teams in die neue Saison. Ist das einer der größten Vorteile in diesem Sommer?
Uwe Koschinat: Definitiv nimmt es mir eine Aufgabe, die sehr viel Zeit kosten kann – nämlich eine Hierarchie und klare Strukturen auszubilden. Es gibt Trainer, die legen darauf nicht so viel Wert. Ich bin aber davon überzeugt, dass Fußball ein Spielerspiel ist. Die Jungs müssen sich intern über ganz viele Dinge einig sein. Dinge, die du nur schwer von außen in eine Gruppe bringen kannst. Wenn dein eigenes Werteverhältnis so gar nicht zu dem passt, was die Gruppe an Ideen hat, dann wird es wahnsinnig schwer. Ich glaube, dass jeder Neuzugang bei uns innerhalb von einem Tag verstanden hat, wie diese Mannschaft funktioniert. Integration ist bei uns nicht schwierig. Wir konnten uns vom ersten Tag an darauf konzentrieren, die Neuzugänge inhaltlich auf unseren Fußball vorzubereiten.
Was macht das Innenleben dieser Mannschaft aus Ihrer Sicht besonders aus?
Es ist ein großes Gut in dieser Mannschaft, dass es im positivsten Sinne Grüppchenbildung gibt, aber diese Grüppchen alle miteinander verzahnt sind und sich gegenseitig sehr schätzen. Es ist völlige Utopie, zu glauben, du bringst 25 unterschiedliche Typen zusammen aus allen Ecken Deutschlands, teilweise Europas – und die sind alle permanent eins. Dem einen bin ich sympathischer, dem anderen vielleicht nicht ganz in dem Maße, was mein Privatleben angeht. Die private Affinität zu jemandem führt aber eben nicht dazu, dass ich sie in der Mannschaft auslebe. Das klappt bei uns fantastisch.
Wird es eine Ihrer größten Herausforderungen, den gesteigerten Konkurrenzkampf im Kader zu moderieren?
Das glaube ich nicht. Ich kann auch nur darüber lächeln, wenn man sagt: "Rot-Weiss-Essen ist so zusammengestellt, dass alles andere als ein Platz in der Spitzengruppe völlig unlogisch ist". Wir reden immer noch über Spieler, über die viele vor einem halben Jahr gesagt haben, sie können gar nichts. Wir haben in der Rückrunde immer noch sieben, acht Spieler auf dem Feld gehabt, die auch in der Hinrunde permanent gespielt haben. Dann zu sagen, nur das letzte halbe Jahr bildet die Lebenswirklichkeit dieser Spieler ab und alles andere als permanent zwei Punkte im Schnitt ist eine Riesenenttäuschung – das wird der Sache nicht gerecht.
Koschinat über Neuzugänge, Rückkehrer und Kritik
Aber RWE hat sich auch in der Breite qualitativ verstärkt, vielversprechende Neuzugänge verpflichtet.
Die einzige glasklare Verstärkung auf der Basis des letzten Jahres ist eigentlich Luca Bazzoli. Er war Stammspieler bei einem Zweitligisten und hat im Aufstiegsjahr von Preußen Münster permanent gespielt. Bei Jannik Hofmann wird jetzt erst klar, wie gut der Junge sein kann. Fakt ist, dass er im Profibereich noch keine großen Spuren hinterlassen hat. Einen Michael Kostka kannte gar keiner hier im deutschen Markt. Ein spannender Spieler, aber auf der Basis dieser Verpflichtung wäre erst mal niemand auf die Idee gekommen, RWE Riesenschritte zu bescheinigen. Würdest du sofort bei der Verpflichtung von Bouebari sagen, jetzt macht Essen aber richtig große Sachen? Nein, obwohl alle Spieler super zu unserer Philosophie passen.
Die Rückkehr von Marvin Obuz hat viel Euphorie ausgelöst.
Marvin hat mit Sicherheit mit das größte Talent in der Dritten Liga. Aber er spielt jetzt sechs Halbserien Profifußball, und davon haben nur zwei in Essen funktioniert. Das gehört auch zur Wahrheit. Den Nachweis, über einen langen Zeitraum auf absolutem Top-Niveau spielen zu können, muss er erst erbringen. Er ist ein unfassbar guter Spieler. Aber allein jetzt die Vorbereitung zeigt, dass er erst mal unseren Rhythmus aufnehmen muss. Und noch mal: Bitte immer daran denken, wie die Situation hier war, als ich meine ersten Spiele gecoacht habe.
Sie meinen die heftige Kritik, die heutigen Leistungsträgern damals entgegenschlug?
Damals sind Spieler, die man heute als Raketen in der Dritten Liga sieht, beim Warmlaufen gnadenlos ausgelacht worden. Deswegen finde ich es völlig übertrieben, zu sagen: Wenn die Truppe nicht permanent unter den ersten zwei steht, dann ist irgendwas nicht richtig. Das habe ich auch einigen Fans gesagt.
Heißt das umgekehrt, dass es auch nur ein schmaler Grat ist, wenn es vielleicht mal zwei, drei Spiele nicht so gut läuft?
Ich kämpfe jeden Tag mit der Mannschaft für die Werte, die wir uns erarbeitet haben. Ich kämpfe jeden Tag dafür, dass sie in jedem Training abliefern, was wir uns im letzten halben Jahr erarbeitet haben. Da nehme ich meine Führungsspieler brutal in die Pflicht. Bis jetzt habe ich ein gutes Gefühl, weil die Mannschaft wieder dieselbe Mentalität an den Tag legt und die Neuzugänge sofort alles aufsaugen. Aber du weißt nie, was im Wettkampf passiert. So wenig wie du dir letztes Jahr im Januar vorstellen konntest, dass wir jetzt in dieser Gemengelage sind, so wenig kannst du dir vielleicht heute vorstellen, dass es im Dezember wieder ungemütlicher wird. Aber ich habe einen guten Eindruck, weil ich keinen einzigen Tag in der Vorbereitung das Gefühl hatte, die Mannschaft ist selbstverliebt und denkt, ohne Arbeit wird das schon so weitergehen. Und es ist trotzdem noch keine Garantie für einen guten Start.
Sie haben in der Vorbereitung viel mit der Viererabwehrkette gearbeitet. Ist das ein Fingerzeig auf einen Systemwechsel?
Nein, das will ich klar kommunizieren. Man kann unter zwei Gesichtspunkten eine Saison moderieren als Trainer. Einmal ist für dich das Spielsystem in Stein gemeißelt und du tauschst nur Personal aus. Das hat auch viel für sich. Aber ich glaube, es macht viel Sinn, eher in unterschiedlichen Spielsystemen unterwegs zu sein, um auf Gegnersituationen und unsere eigene Kaderkonstellation zu reagieren. Weil wir neue Typen hinzugewonnen haben, die vielleicht ein anderes System logisch machen können. Wenn etwa ein Profi unser Spiel auf seiner Position noch mal so viel besser macht, dass eine Umstellung einfach logisch wird. Und wenn du wie wir Außenverteidiger hast, die sich sowohl auf der Schiene als auch in der klassischen Viererkette wohlfühlen, dann bist du sehr systemflexibel.
Sie haben Bazzoli erwähnt. Ist er von den Neuzugängen am nächsten dran an der Startelf?
Er ist der einzige Spieler, der vom ersten Tag an da war und der die Vorbereitungsphase komplett verletzungsfrei überstanden hat. Er kennt das Stahlbad Zweite Liga mit einer anderen Körperlichkeit, auch mit relativ vielen Spielen, und hatte entsprechend auch hier in der Vorbereitung überhaupt keine Probleme in der Anpassung. Bazzoli hat gezeigt, dass er auf zwei Positionen eine echte Verstärkung ist. Das bringt uns mit Sicherheit einen entscheidenden Schritt weiter.
Wer ist für Sie die positivste Überraschung in der Vorbereitung?
Martinovic hat eine brutale Entwicklung genommen und trifft auf einmal in Situationen, in denen er in der letzten Saison noch Pech hatte. Dieses Glück hat er sich mit einer extremen Beharrlichkeit erarbeitet. Aber auch unsere jungen Spieler haben riesige Schritte nach vorne gemacht, sorgen für eine hohe Trainingsqualität und konnten in den Testspielen reibungslos eingebaut werden ohne Qualitätsverlust. Total spannende Profile haben wir auf den Außenverteidigerpositionen gewonnen, mit Hofmann und Kostka. Bouebari hat sofort die Herzen im Sturm erobert mit seiner Energie auf dem Platz. Er bringt ein gewisses Talent zum Publikumsliebling mit, denn genau diese Spieler willst du sehen.
Wir gehen auch mit großen Erwartungen und einer sehr erfahrenen Truppe an den Start, haben in der Vorbereitung eine starke Form gezeigt.
RWE-Trainer uwe Koschinat
Am Freitag kommt zum Saisonstart mit 1860 München gleich ein Hochkaräter an die Hafenstraße – für Sie genau der richtige Auftakt?
Tausendprozentig! Du eröffnest die Saison, alle Augen sind auf dich gerichtet, ganz Deutschland schaut zu. Es treffen direkt zwei große Klubs aufeinander, das ist schon ein geiles erstes Match. Die Löwen gehen mit einer riesigen Erwartungshaltung in die Saison, sind ein extremer Gradmesser. Sie haben eine starke Rückrundenbilanz hingelegt und die Transfers sind ein eindeutiger Hinweis darauf, wo man hinmöchte. Sie werden uns zu 100 Prozent fordern. Da wissen wir direkt, wo wir stehen. Aber das gilt auch umgekehrt. Wir gehen auch mit großen Erwartungen und einer sehr erfahrenen Truppe an den Start, haben in der Vorbereitung eine starke Form gezeigt. Beide Klubs gehen mit Selbstvertrauen in dieses Spiel.
Welche Teams außer 1860 haben noch das Potenzial, oben mitzuspielen?
Rein personell ist 1860 München mit Sicherheit der Gradmesser. Topspieler und Kaderbreite sind auf einem Niveau mit den absoluten Top-Favoriten der letzten Jahre, die im Regelfall auch oben gelandet sind. Hansa Rostock, mit der Wucht und der Größe des Klubs, guten Transfers, einer starken Rückrunde, einem starken jungen Trainer, wird mit Sicherheit auch dazu zählen. Bei beiden Mannschaften herrscht aktuell viel Euphorie im Klub. Daneben habe ich keinen auf dem Schirm, von dem ich sagen würde, der fliegt als Geheimtipp völlig unter dem Radar.
Haben Sie Sorge, dass der Fokus bei RWE zumindest im Umfeld eher schon in Richtung des Pokalspiels gegen den BVB geht statt Richtung Saisonstart gegen 1860 München?
Nein, weil alle Menschen mich gerade wirklich ganz konkret auf 1860 München ansprechen. Ich glaube, das ist auch das große Gut dieser Paarung, dass bei diesem Namen und dieser Konstellation nicht die Gefahr besteht, dass die Leute nur an Dortmund denken. Unsere Fans freuen sich jetzt einfach auf eine geile Saison!
- Gespräch mit Uwe Koschinat