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Frankfurt: Welzer kritisiert Standing Ovations für ukrainischen Friedenspreisträger


"Gesinnungsethische Überanstrengung"
Welzer kritisiert langen Applaus für ukrainischen Friedenspreisträger

Von dpa, ads

Aktualisiert am 25.10.2022Lesedauer: 3 Min.
Literaturfestival lit.Cologne SpezialVergrößern des BildesHarald Welzer, Soziologe und Publizist, auf der Bühne (Archivbild). (Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa/dpa-bilder)
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Ein ukrainischer Autor wird bei der Friedenspreis-Verleihung in Frankfurt minutenlang beklatscht. Soziologe Harald Welzer hat etwas dagegen.

Publizist Harald Welzer hat die Standing Ovations für den ukrainischen Autor Serhij Zhadan bei der Verleihung des Friedenspreises in der Frankfurter Paulskirche kritisiert. In Deutschland fühlten sich alle permanent aufgefordert, die Perspektive der angegriffenen Ukrainerinnen und Ukrainer zu übernehmen, sagte Welzer am Montagabend beim internationalen Literaturfestival lit.Cologne in Köln.

Tatsächlich sei Deutschland aber keine Kriegspartei, sondern dritte Partei mit allen Möglichkeiten, die das zum Wohle der Ukraine eröffne. "Diese permanente Verwechslung, die führt zu einem minutenlangen Applaus bei solchen Äußerungen, das ist diese gesinnungsethische Überanstrengung", so Welzer. Was war passiert?

Zhadan hatte in seiner Rede in Frankfurt kritisiert, manche europäischen Intellektuellen und Politiker würden den Ukrainern ihre Weigerung vorwerfen, sich zu ergeben. Daraus spreche ein falscher Pazifismus. Offenbar seien manche zugunsten persönlicher materieller Vorteile bereit, "ein weiteres Mal das totale, enthemmte Böse zu schlucken".

"Ehrlich gesagt, noch einen kritischen Kommentar, wo ich wahrscheinlich auch wieder schieren Ärger dafür kriege", begann Welzer in Köln seine nun tatsächlich neuerlich kritisierte Predigt.

Welzer: Deutschland soll sich nicht in "Dezivilisierungsprozess reinziehen" lassen

Zwar verstehe er bestimmte Sätze des Friedenspreisträgers in Bezug "auf den Gegner", und wolle diese aus seiner Perspektive auch nicht kritisieren – sie seien aber ein "Teil eines dezivilisierenden Prozesses, der von anderen angestoßen worden ist". Die Menschen in Deutschland bezeichnet er als "Dritte", deren "Kulturleistung doch genau darin bestehen" würde, "dass man sich in diesen Dezivilisierungsprozess nicht reinziehen lässt."

Welzer betonte dabei: "Niemand (...) würde in irgendeiner Weise irgendeinem Einzelnen, einer einzelnen Ukrainerin oder Ukrainer, jedes Wort abspenstig machen, das da geäußert wird. Weil sie Betroffene sind, weil sie Angegriffene sind, weil sie bereits im Krieg sind". Diese Position habe dann "jede Form von Legitimität" – sei aber "nicht dasselbe wie dritte Partei zu sein".

Seit dem Kriegsbeginn finde diese "Verwechslung" statt. In der Situation eines Dritten habe man ein viel größeres Handlungsspektrum zur Verfügung und könne nicht nur materielle Verteidigung mobilisieren, sondern auch Solidarität auf anderem Wege und Diplomatie zur Beendigung des Konflikts.

Harald Welzer ist Soziologe und Sozialpsychologe und für seine Positionierung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine schon öfter in die Kritik geraten. Der ehemalige ukrainische Botschafter Andrij Melnyk etwa hatte Welzers Haltung bei "Anne Will" als "moralisch verwahrlost" bezeichnet.

Kritik an Welzer: Putin "im Krieg gegen den Westen"

Auch dieses Mal stießen seine Aussagen vielen sauer auf: "Es ist klar, dass der Angriff nicht nur der Ukraine gilt", schreibt etwa ein Journalist auf Twitter. Aus den Äußerungen Putins seit mehr als einem halben Jahr wisse man, dass er sich "im Krieg gegen den Westen" sehe. "Deutschland ist kein völlig unbeteiligter Drittstaat, auch wenn Welzer es gern so hätte."

"Ich finde es unerträglich, wie empathielos Welzer ist. Dann belehrt dieser Herrenmensch noch die Opfer", schimpft ein anderer Twitter-Nutzer und wirft dem Soziologen vor, die Empathie mit den Menschen in der Ukraine zu verbieten. "Typen wie Welzer sind einfach nur noch abgehoben und in ihrer eigenen Fantasiewelt unterwegs", kritisiert eine Nutzerin.

Harald Welzer ist insbesondere mit seinen kontroversen Positionen zum Angriffskrieg gegen die Ukraine in die Öffentlichkeit getreten. So gehörte er zu den Unterschreibenden des umstrittenen offenen Briefs von Alice Schwarzer an Kanzler Olaf Scholz, in dem diese aus Sorge vor einem dritten Weltkrieg einen Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine forderten.

Er hatte zudem schon Mitte März die angebliche Begeisterung in Deutschland für die ukrainische Regierung kritisiert. Mehr dazu hier. Vor dem Ukraine-Krieg hatte er sich insbesondere mit der Nazizeit, dem Holocaust-Gedenken und Klimapolitik beschäftigt.

Verwendete Quellen
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