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Sex-Arbeiterin und Mutter aus Hamburg: "Zwei Stunden kosten 800 Euro"


Sexarbeiterin im Gespräch
"Wir verkaufen uns doch alle"

  • Nina Hoffmann
InterviewVon Nina Hoffmann

Aktualisiert am 22.01.2024Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Lia Freyja erzählt anonym von ihrem Leben als Escort (Symbolbild). (Quelle: IMAGO/Ron Chapple Stock/imago-images-bilder)

Die Hamburgerin Lia Freyja arbeitet als Pädagogin und ist Mutter. Nebenbei ist die 35-Jährige im Escort-Bereich tätig. Wie sie zu diesem Job gekommen ist und wieso sie ihn gerne ausübt, verrät sie im Interview.

Sexarbeit genießt in Deutschland keinen guten Ruf. Dafür gibt es zahlreiche Gründe: So leiden etwa viele Frauen, die in dieser Branche tätig sind, nachweislich unter Missbrauch und Ausbeutung. In Deutschland waren 2022 rund 28.000 Prostituierte gemeldet. Weniger als 20 Prozent von ihnen besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Viele Frauen entscheiden sich aufgrund finanzieller Notlagen für den Beruf.

Dennoch gibt es auch Menschen, die sich selbstbestimmt und freiwillig für die Sexarbeit entscheiden. Eine von ihnen ist Pädagogin Lia Freyja (selbst gewähltes Pseudonym) aus Hamburg. Die 35-Jährige arbeitet nebenberuflich als Escort. Anonym hat sie jetzt das Buch "Mein geheimes Escort Leben" über ihren Job verfasst und wie sie ihr Leben als Mutter und Escort vereint. Im Interview erzählt sie, was sie mit dem Beruf verbindet und wie viel Geld sie damit verdient.

t-online: Frau Freyja, Sie arbeiten seit einem Jahr im Escort. Frauen, die dieser Arbeit nachgehen, wird oft vorgeworfen, sie würden ihren Körper verkaufen. Verkaufen Sie Ihren Körper?

Lia Freyja: Ehrlich gesagt glaube ich, dass wir uns alle verkaufen. Wer arbeitet, verkauft sich, seine Zeit und seinen Körper auf eine gewisse Art und Weise. Im Escort wird damit nur ehrlicher umgegangen. Ich finde deshalb, dass es ein sehr authentischer Job ist – oder zumindest sein kann. Ich habe Spaß am Sex, also wieso nicht etwas verkaufen, das mir Freude bereitet?

Wie kam es denn dazu, dass Sie sich für diesen Beruf entschieden haben?

Ich hatte schon viele Grenzerfahrungen in meinem Leben. Ich habe Verluste erlebt, die sehr heftig für mich waren. Und irgendwann habe ich nach etwas gesucht, bei dem ich mich komplett hingeben kann. Etwas, wobei ich meine Grenzen spüren kann. Aber diesmal entscheide ich, wo die Grenzen liegen und nicht mein Leben.

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Wo sind denn Ihre Grenzen beim Sex?

Wenn ein "Nein" oder ein "Ich möchte das nicht" nicht akzeptiert wird. Mir gefallen aber auch allgemein keine Dinge, die mit starken Schmerzen verbunden sind.

Es gibt viele verschiedene Arten von Sexarbeit. Ihre Branche nennt sich auch "High Class Escort". Das klingt ein wenig danach, als würden Sie mit reichen Männern gegen Geld essen gehen.

Beim Escort geht es zum Großteil um Sex. Aber dieser Begleitservice ist auch ein wichtiger Part der Treffen. Ich gehe mit den Männern in gute Restaurants, war auch schon mal im Kunstmuseum oder gemeinsam schwimmen. Am Ende geht es dann meistens in Vier- oder Fünfsternehotels. Und dann haben wir Sex.

Ist das denn sicher?

Die Agentur trifft für mich eine Vorauswahl bei den Männern. Die müssen vorher ihren Personalausweis zeigen und bei jedem Treffen weiß die Agentur über den genauen Ort des Treffens Bescheid. Ich gehe auch davon aus, dass diese Vorsichtsmaßnahmen nicht ohne Grund eingeführt wurden. Sicherlich hatten andere Frauen schon mal negative Erfahrungen mit Kunden. Bei mir war das bislang zum Glück nicht der Fall. Pro Woche trudeln bei mir so drei bis vier Anfragen rein. Dann kann ich mich selbst für oder gegen das Date entscheiden. Ich nehme etwa zwei bis drei Dates im Monat wahr.

Und wie viel Geld bekommen Sie für die Treffen?

Unterschiedlich. Zwei Stunden kosten mittlerweile rund 800 Euro. Je nachdem, wie lange die Dates dauern, erhöht sich entsprechend auch der Betrag.

Sie haben gesagt, dass Sie Freude an dem Sex haben. Was macht denn guten Sex für Sie aus?

Eine tiefe Verbindung. Klar, die Verbindung zum eigenen Partner ist eine andere als etwa zu einem Menschen, den du gerade erst kennengelernt hast. Aber in manchen Fällen entsteht Leidenschaft. Dann empfinde ich den Sex als gut. Beim Escort ist die Situation sowieso besonders intensiv, weil ich schon im Vorhinein weiß, dass ich bald Sex haben werde. Das kann die Lust steigern. Escort ist für mich deshalb gewissermaßen eine sinnliche Extremsituation.

Über den Sex und Ihr geheimes Leben haben Sie ein Buch geschrieben. Es heißt "Mein geheimes Escort Leben". Wieso halten Sie diese Seite Ihres Lebens geheim?

Zum Schutz meiner Tochter. Ich schäme mich nicht dafür oder ähnliches. Immerhin schade ich mit dieser Arbeit niemandem. Escort ist nichts Negatives. Im Gegenteil. Seine eigene Sexualität zu ergründen und auszuleben, indem man jemanden bucht, der an diesem sexuellen Erlebnis freiwillig teilhaben möchte – ich halte das für sehr wichtig. Immerhin bleibt manchen Menschen Sex auch aus unterschiedlichen Gründen verwehrt. Etwa wegen einer Behinderung. Aber viele Menschen sehen das nicht und verurteilen. Davor will ich meine Tochter schützen.

Wenn Ihre Tochter Ihnen in einigen Jahren verrät, dass sie als Escort arbeiten will, wie würden Sie reagieren?

Ich würde ihr sagen: Wenn es dir guttut und du Spaß hast, dann tue es. Aber such dir eine gute Agentur, die dir den Rücken stärkt, dich schützt und der du vertraust. Und hör immer genau in dich hinein, hör auf dein Bauchgefühl. Für viele Menschen mag das komisch klingen, dass ich nicht versuchen würde, ihr das zu verbieten. Aber für mich ist eben niemand ein schlechter Mensch, nur weil er viel Sex hat und dafür Geld verlangt. Viele junge Menschen daten über Onlinedating-Formate wie Tinder. Da nimmt man vielleicht kein Geld, hat aber dennoch viele Sexualpartner. Aber im Vergleich finde ich Escort sogar klarer und strukturierter.

Inwiefern klarer?

Ich muss nicht herausfinden, was mein Gegenüber von mir möchte. Gleich zu Beginn eines Treffens weiß ich: In wenigen Stunden werde ich mit diesem Menschen Sex haben. Wir werden einander eine schöne Zeit bereiten, dann bekomme ich dafür Geld und wir verabschieden uns und sehen uns vermutlich nie wieder. Und das in beidseitigem Einverständnis.

Frau Freyja, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
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