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WM-Stadionvertrag: Ziehen die Hannover-96-Investoren die Stadt übers Ohr?


Bericht wirft Fragen auf
Will Hannover sein WM-Stadion unter Wert verkaufen?

  • Patrick Schiller ist t-online Regio Redakteur in Hannover.
Von Patrick Schiller

Aktualisiert am 17.05.2023Lesedauer: 4 Min.
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Das ehemalige WM-Stadion von Hannover (Archivbild): Vertragsdetails und Grundbucheinträge werfen viele Fragen auf.Vergrößern des Bildes
Das ehemalige WM-Stadion von Hannover (Archivbild): Vertragsdetails und Grundbucheinträge haben Anlass zu Kritik an Hannovers Ratspolitik gegeben. (Quelle: Ulrich Stamm/imago images)

Eigentlich geht es nur um einen neuen Pachtvertrag bei Hannover 96. Doch Vertragsdetails sorgt bei Teilen der Anhänger für Protest.

Das Sommermärchen 2006 in Hannover: Tausende genießen die Weltmeisterschaft im eigenen Land – ob in Gaststätten, beim Public Viewing oder direkt im Stadion: 45.000 Menschen feiern jeweils die fünf Begegnungen im extra umgebauten Stadion am Maschsee. Spieler wie Zinédine Zidane und Alessandro Del Piero gaben sich damals die Ehre.

Doch bei der bevorstehenden EM spielt die für insgesamt 64 Millionen Euro umgebaute Arena keine Rolle – nur 18 Jahre später. Ihr Stammklub Hannover 96 quält sich durch die Niederungen der 2. Fußballbundesliga.

Und doch wollen Hannover 96 und die Stadt Hannover am 1. Juni einen neuen Erbbaurechtsvertrag abschließen. Sieben Jahre vor Auslauf des bestehenden Vertrags. Für eine Pachtgebühr von jährlich gerade einmal 27.479,14 Euro. Und das bis zum Jahr 2096. Zuvor hatte die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" (HAZ) von den Plänen berichtet. Zum Vergleich: Bei Ligakonkurrent Eintracht Braunschweig soll die Pacht zwischen den Jahren 2011 bis 2016 jährlich 430.000 Euro betragen haben. Der FC Bayern zahlt alleine für das Grundstück 525.000 Euro.

Das Problem in Hannover: Käme der aktuelle Vertrag durch, müssten die 96-Profifußballer stattdessen weiter eine Millionenmiete an die Stadiongesellschaft zahlen. Dabei verdient die Stadt an diesem Geschäft im Grunde nichts, so der Vorwurf von Kritikern – abgesehen von Kostenersparnissen bei Instandhaltung und Umbau. Stattdessen würde das Rathaus durch einen Rabatt im Erbpachtzins ein Unternehmen in der Hand von Multimillionären fördern – und hätte später keine Handhabe. Und damit bis zum Ende des Jahrhunderts kein eigenes Stadion dieser Größenordnung zur freien Verfügung.

Wer verdient am Stadion von Hannover 96?

Eigentümerin des Stadions ist die Landeshauptstadt Hannover. Die Arena-Gesellschaft von Hannover 96 darf es jedoch auf eigene Kosten betreiben, wie Klub-Insider t-online auf Nachfrage bestätigten. Den Umbau vor der Fußballweltmeisterschaft 2006 hat Hannover 96 zu zwei Dritteln selbst getragen – finanziert durch öffentliche Kreditinstitute. Das entspricht etwa 43 Millionen Euro. 23 Millionen Euro wurden von Stadt, Region und Land Niedersachsen mit öffentlichen Mitteln finanziert. Der aktuelle Vertrag für das Stadion läuft noch bis Ende März 2030. Dann muss der Klub das Stadion in einem bundesligatauglichen Zustand an die Stadt zurückgeben. Es sei denn, es gibt einen Folgevertrag.

Warum ist der Vertrag bei Hannover 96 heikel?

Betrieben wird das Stadion von der Hannover 96 Arena GmbH & Co. KG. Die vermietet das Stadion an die Profisparte von Hannover 96 und an Konzertveranstalter. 96-Boss Martin Kind führt die Geschäfte des Unternehmens, das wiederum der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG gehört. Deren Eigentümer: Ebenfalls Kind sowie Drogerieunternehmer Dirk Rossmann und Immobilienunternehmer Gregor Baum. Die 96-Profifußballsparte zahlt jährlich eine Stadionmiete von 5,1 Millionen Euro an die Arena-Gesellschaft. Die GmbH ist auch für die Instandhaltung des Stadions verantwortlich. Lesen Sie hier, wem was bei Hannover 96 gehört.

Der Vertrag soll noch am Freitag den Wirtschaftsausschuss passieren. Doch sollte die Stadt endgültig zustimmen, würde er bis zum Jahr 2096 gerade einmal rund zwei Millionen Euro in die klammen Kassen spülen. Wie die "HAZ" weiter berichtet, erklärte ein Stadtsprecher, dass damit die "Grundsätze der Sportförderung" umgesetzt würden – wie bei jedem anderen Breitensportverein auch. Üblich bei Unternehmen dieser Größenordnung wäre allerdings ein Erbbauzins zwischen drei und sechs Prozent. Damit müsste die Arena-Gesellschaft für Stadion und Gelände jährlich 380.480,40 Euro zahlen – einen zweistelligen Millionenbetrag insgesamt. Stattdessen werde das Millionenunternehmen wie ein Amateurverein gehandelt.

Heftige Kritik vom Steuerzahlerbund

Ähnlich sieht es der Steuerzahlerbund Niedersachsen und Bremen e.V. "Die GmbH zahlt für den internationalen Wirtschaftsfaktor Stadion monatlich so viel wie eine Familie an Kaltmiete für ihr Einfamilienhaus", sagt deren Vorsitzender Bernhard Zentgraf zu t-online. Ihn ärgert, dass die hoch verschuldete Stadt auch ein unabhängiges Wertgutachten nicht beachte. "Dieser Vereinbarung liegen keine belastbaren Berechnungen zugrunde", so Zentgraf weiter. Zudem steht auch nicht fest, für welche Verpflichtungen die Arena GmbH investieren müsste. Nur der niedrige Erbbauzins sei bis ins letzte Detail konkretisiert.

Ein Sprecher der Stadt Hannover sagte der "HAZ", der niedrige Erbbauzins sei auch auf die wirtschaftliche Situation von Hannover 96 zurückzuführen. Obwohl die Muttergesellschaft von 96 in den Jahren vor der Pandemie Überschüsse erwirtschaftet hat, war der Umsatz im ersten Corona-Jahr um 37 Prozent eingebrochen. Zudem habe sich der Klub verpflichtet, das Stadion bis 2035 klimaneutral umzubauen. Viele andere Städten, wie etwa Berlin oder Freiburg, haben den Weg dahin bereits eingeleitet, Hannover hinkt noch hinterher. Möglich, dass dies jedoch jetzt Fahrt aufnimmt. Konkretes gibt der Vertrag jedoch offenbar nicht her.

Auch Wirtschaftsdezernentin Anja Ritschel (Grüne) hält den neuen Vertrag dagegen im "Gesamtpaket" für ausgewogen: Dem niedrigen Erbbauzins stünden erhebliche "Instandhaltungs- und Investitionsverpflichtungen" von 96 gegenüber. Außerdem belaste der Stadionbetrieb den städtischen Haushalt mit dem neuen Vertrag nicht.

Millionenprofit für Investoren statt für den Sport?

Zu viel Macht für Kind und Co. und zu wenig für die öffentliche Hand, finden auch mittlerweile über 1.000 Unterstützer einer Online-Petition. Sie fordern, dass der Erbpachtvertrag mit einer Gesellschaft abgeschlossen wird, deren Gewinne direkt dem Profifußball von Hannover 96 zugutekommen – und nicht dessen Investoren. Nur so könne sichergestellt werden, dass der Fördergedanke der Landeshauptstadt auch in den nächsten mehr als 60 Jahren garantiert ist. Andernfalls hinge es vom guten Willen zukünftiger Investoren ab, ob der Profifußball in Hannover von Gewinnen aus der Stadionvermietung profitiert.

Verwendete Quellen
  • haz.de: "Die Bayern zahlen 20-mal so viel: Der bemerkenswerte Stadion-Pachtvertrag von 96"
  • openpetition.de/petition/online/stadiongewinne-muessen-direkt-in-den-profifussball-fliessen: Petition der Anhänger von Hannover 96
  • haz.de: ""Schlecht verhandelt": Widerstand gegen Stadionvertrag der Stadt mit Hannover 96"
  • Telefonat mit Bernhard Zentgraf vom Steuerzahlerbund Niedersachsen und Bremen e.V.
  • Eigene Recherche
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