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"NoCovid Kiel": Demonstrierende fordern schärfere Corona-Regeln


Schärfere Maßnahmen
Neue Bewegung geht für No-Covid-Strategie auf die Straße

Von Sven Raschke

Aktualisiert am 17.04.2021Lesedauer: 4 Min.
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Maik Kristen spricht auf einer Kundgebung der "NoCovid"-Initiative in Kiel. Die Demonstrierenden fordern schärfere Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus.Vergrößern des Bildes
Maik Kristen spricht auf einer Kundgebung der "NoCovid"-Initiative in Kiel. Die Demonstrierenden fordern schärfere Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus. (Quelle: Sven Raschke/leer)

Demos gegen die Corona-Maßnahmen gibt es in Kiel schon seit einer ganzen Weile. Jetzt hat sich eine Gegenbewegung geformt: "NoCovid Kiel" macht sich für einen strengen Lockdown stark – und versammelt sich dafür auf dem Rathausplatz.

Eine Demonstration in Zusammenhang mit Corona lässt sofort an die Gegner der Maßnahmen denken. Doch auf dem Kieler Rathausplatz wird an diesem Freitagnachmittag schon rein optisch der Unterschied deutlich. Alle knapp 100 Teilnehmer tragen Maske, die Sicherheitsabstände werden konsequent eingehalten.

Darauf legen die Veranstaltenden besonderen Wert, denn sie sind nicht für weniger Beschränkungen auf der Straße, sondern für deutlich mehr und strengere Auflagen. Über den inneren Widerspruch einer solchen Versammlung sind sie sich durchaus im Klaren – und haben eine Erklärung dafür.

"NoCovid Kiel" heißt die frisch gegründete Gruppe, deren Ziele sich an der europaweiten No-Covid-Bewegung orientieren. Auf der Webseite kann man nachlesen, was Wissenschaftler aus verschiedenen Fachrichtungen fordern: Die Zahl der Infektionen soll durch einen harten Lockdown auf nahe null reduziert werden. Um anschließend Übertragungen zu verhindern, sollen anschließend auf lokaler Ebene gegebenenfalls die Mobilität der Menschen beschränkt und Tests und Quarantänemaßnahmen ausgeweitet werden. Bei neuen Fällen sollen harte Maßnahmen ergriffen werden.

Gruppe fordert Inzidenz von 10 als Richtwert für Lockerungen

"Wir sind alle fassungslos, wie wenig auf die Wissenschaft und deren Erkenntnisse gehört wird", sagt Maik Kristen, einer der Mitinitiatoren der Kieler Bewegung. "Wir wünschen uns, dass wir ohne Sorgen wieder ins Holsteinstadion, ins Theater, in ein Restaurant gehen können. Das alles ist aus unserer Sicht und der No-Covid-Strategie aber nur möglich, wenn wir eine niedrige Inzidenz haben, weil wir nur dann mit Tests absichern können, dass es wirklich keine versteckten Infektionsherde gibt."

Konkret hieße das für Kiel: Ein strenger Lockdown, bis die Inzidenz unter 10 sinkt. Erst dann ließen sich laut den Experten von "NoCovid" Ansteckungen zuverlässig nachverfolgen. "Diese Strategie ist auch im Sinne der Wirtschaftsunternehmen von klein bis groß", sagt Kristen. "Denn was durch die Strategie geschafft wird, ist ja vor allem Planbarkeit und Vorhersehbarkeit. Und das ist etwas, was beim momentanen Kurs völlig fehlt."

Als Negativbeispiel nennt Kristen die Lage der Gastronomie. Diese könne in Schleswig-Holstein zurzeit trotz Öffnung nicht vernünftig planen, weil sie nicht wisse, was eine Woche später gilt.

Tatsächlich halten viele Gastwirte in Kiel ihre Restaurants wegen ebendieser Unsicherheit weiterhin geschlossen. "Das würde sich ändern, wenn wir die Fallzahlen einmal richtig runter bringen würden", ist Maik Kristen überzeugt.

Ein harter Lockdown ist aus Sicht der Kieler Bewegung unvermeidbar. "Je länger wir noch warten, desto eher brauchen wir ihn und desto länger muss er dauern", so Kristen. "Bei einer Inzidenz von über 50 noch von Lockerungen zu sprechen, halten wir für unverantwortbar. In Kiel steigen die Zahlen, und trotzdem lockern wir." Der Sieben-Tage-Inzidenz-Wert ist in der Stadt seit mehr als einem Monat stetig gestiegen, und lag nach den aktuellsten Zahlen am Donnerstag bei 74,6.

Stadt hält Lockerungen für vertretbar

Die Stadt allerdings hält an den beschlossenen Lockerungen fest. "Die Öffnungsschritte im Rahmen der vom Land initiierten Modellprojekte halten wir für vertretbar, um in einem überschaubaren Rahmen und mit strengem Hygienekonzept auszuloten, wie sportliche und kulturelle Aktivitäten unter Corona-Bedingungen möglich sind", heißt es vom Gesundheitsdezernenten Gerwin Stöcken.

"Die beteiligten Vereine und das Theater sind bereit, notwendige Anpassungen schnell vorzunehmen. Außerdem sind die Projekte so gestaltet, dass sie jederzeit abgebrochen werden können." Die Entscheidungen über strengere Lockdown-Regelungen und Inzidenzrichtwerte lägen auf Bundes- und Landesebene, so der Gesundheitsdezernent.

Zu den Bemühungen der Aktivisten sagt Stöcken: "Grundsätzlich begrüßen wir jeden Einsatz, der auf das Einhalten der Corona-Regelungen und auf gesellschaftliche Solidarität und Verantwortung aufmerksam macht."

Modellprojekte sind der falsche Weg

Zufrieden sind die Aktivisten damit nicht. "Es wäre schön, wenn Kiel sich auf sinnvolle Modellprojekte konzentrieren würde, anstatt auf Öffnungen zu setzen, die falsche Hoffnungen wecken und den falschen Fokus setzen", sagt Johanna Brüggemann, eine der Aktivistinnen auf dem Rathausplatz.

Bleibt die Frage des Widerspruchs: Eine Versammlung, die sich für strengere Kontaktbeschränkungen stark macht. Maik Kristen antwortet darauf: "Das war eine schwierige Entscheidung, aber sie war notwendig. Die vernünftige Mehrheit der Bevölkerung war sehr lange ruhig und hat darauf vertraut, dass die Entscheidungsträger die Probleme frühzeitig sehen und auch entsprechend handeln – aber das ist eben nicht so."

Weitere Demos könnten folgen

Die einstündige Demo ist nur der Auftakt der Bemühungen von "NoCovid Kiel". Zurzeit arbeitet die Gruppe daran, eine Webseite aufzubauen, auf der sie Informationen über das Infektionsgeschehen und wirkungsvolle Gegenmaßnahmen verbreiten will. Parallel zur Demo haben die Aktivisten eine Petition mit ihren Forderungen gestartet. Bis Freitagabend haben fast 200 Menschen unterschrieben.

Zusätzlich wolle man an Politik und Wirtschaftsunternehmen herantreten, um für die eigenen Ziele zu werben, so Kristen. Auch weitere Demos schließt "NoCovid Kiel" nicht aus. "Wir konzentrieren uns erst mal auf Kiel", sagt Kristen. Mittelfristig hofft er, dass sich die umliegenden Landkreise Rendsburg-Eckernförde und Plön anschließen – und man so an entscheidender Stelle, nämlich auf Landesebene, Druck machen kann.

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Demo-Teilnehmern
  • Maik Kristen, NoCovid Kiel
  • Johanna Brüggemann, NoCovid Kiel
  • Mailverkehr mit Stadt, Anwort per Mail von Gesundheitsdezernent Gerwin Stöcken
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