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Karneval in Köln: Kommentar zum 11.11. – Tradition hinter Gittern


Kommentar zum 11.11. in Köln
Es ging gut – doch zu welchem Preis?

MeinungVon Laura Isabel Schameitat

12.11.2023Lesedauer: 3 Min.
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Schwer bewaffnete Polizei kontrolliert die Eingänge zum Studentenviertel in Köln (Archivbild): Davor läuft eine Frau im Feen-Kostüm. (Quelle: IMAGO/Christoph Hardt)

Am 11.11. glich Köln einer Hochsicherheitszone. Die Polizei hatte die Lage im Griff –allerdings zu einem hohen Preis: Die schönen Seiten des Karnevals werden unsichtbar.

Um acht Uhr morgens waren sie im Belgischen Viertel das erste Mal zu hören: Hubschrauber kreisten über den Dächern des beliebten Viertels in der Kölner Innenstadt. Bis in den Schlaf sollte dieses Rattern die Anwohner am 11.11. begleiten.

Tage vorher begleitete sie bereits der Anblick von zig Kilometern Absperrgitter, die bereitstanden, um am 11.11. aufgestellt zu werden. Ganz zu schweigen von privat getroffenen Sicherheitsmaßnahmen: Im sogenannten Kwartier Latäng, rund um die Feiermeile Zülpicher Straße, schützten Anwohner ihre Türen mit Planen gegen wildes Pinkeln oder gar noch unangenehmere Ausscheidungen. Kneipen entschieden sich, gar nicht erst zu öffnen, weil ihnen das Sicherheitskonzept der Stadt nicht ausreiche.

1.000 Polizisten, noch einmal 1.000 Kräfte privater Sicherheitsfirmen und rund 180 Mitarbeiter des Ordnungsamtes hielten den Feier-Mob schließlich gut im Zaum – eine Beinahe-Massenpanik wie im vergangenen Jahr blieb womöglich auch wegen eines rekordverdächtig frühen Absperrens der Zülpicher Straße aus. Die erste Bilanz der Polizei am Tag danach ist durchaus positiv, an der Synagoge blieb es zum Glück friedlich.

Wie in einem Katastrophenfilm

Dennoch: Für die, die in Köln leben, die nicht morgens mit dem Zug in eine "präparierte Feierzone" fahren und abends wieder raus, für die, die bereits Wochen vorher anfangen, mit Freunden sorgenvoll darüber zu spekulieren, ob "es wohl gut gehen wird" in diesem Jahr, und für die, die morgens wie in einem Katastrophenfilm von kreisenden Hubschraubern geweckt werden, bleibt ein fader Beigeschmack.

Es ging gut – doch zu welchem Preis? Die schönen Seiten des Karnevals rücken jedes Jahr ein Stückchen mehr in den Hintergrund. Das Verbindende, das Ausgelassene, das Liedgut, die Kreativität hinter vielen Kostümen, die überschäumende Liebe für die eigene Stadt – eingesperrt und unsichtbar hinter dem Gestänge der Absperrgitter. Und zu allem Überfluss gibt es am 11.11. noch nicht mal einen Rosenmontagszug, dessen positive Bilder um die Welt gehen und es ein wenig rausreißen.

Wo Massen zusammenkommen und viel Alkohol fließt, war es selbstredend immer schon nötig, Menschen vor sich selbst und anderen zu schützen. Auch bei Fußballderbys zwischen Köln und Gladbach sind regelmäßig mehr als 1.000 Einsatzkräfte im Einsatz. Dennoch werden die Maßnahmen selten für die breite Masse so sichtbar wie zu Karneval in Köln, wenn eine ganze Stadt schon Tage vorher langsam, aber sicher zur Hochsicherheitszone wird.

"Leev Marie" statt "Layla"

Was tun, wenn wir weitere "Aufrüstung" vermeiden wollen? Wir Kölner müssen – neben all dem sinnvollen und berechtigten Diskutieren über das beste Sicherheitskonzept – das Wesentliche nicht aus den Augen verlieren: unsere Traditionen an den Nachwuchs zu vermitteln und den Respekt davor zu lehren. Denn "met ner Pappnas jeboore, dr Dom en der Täsch", wie es in "Viva Colonia" heißt, ist eben noch lange nicht jeder, selbst wenn die Domstadt im Pass steht. Dafür braucht es ein wenig "Ausbildung".

Peter Brings hat in seiner Kolumne für t-online mal vorgeschlagen, Kölsch zum Unterrichtsfach zu machen. Keine schlechte Idee. Denn Sprache verbindet. Wer die kölschen Lieder versteht, hat ganz bestimmt schon bald mehr Lust auf Brings statt Ballermann, auf "Leev Marie" statt "Layla". Wer Karneval versteht, geht lieber in ein Brauhaus als vor ein Kiosk und trägt lieber "Rut un Wiess" als S.W.A.T-Uniform.

Wenn es nicht gleich ein ganzes Unterrichtsfach sein soll, reicht zu Beginn vielleicht auch erst mal ein obligatorischer Kita- oder Schulausflug zu einem Karnevalsverein. Und ja, natürlich ist das Problem der "Event-Touristen" aus karnevalistisch ungebildeten Teilen Deutschlands damit nicht gelöst. Aber vielleicht packen wir uns erst mal selbst an die Pappnase – dann braucht es in Zukunft hoffentlich weniger Gitter.

Verwendete Quellen
  • Eigene Gedanken der Autorin
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