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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Prognose stimmt düster" Klimakrise gefährdet den Nürnberger Reichswald

Es wird wärmer – auch langfristig. Die Staatsforsten versuchen schon länger, die Folgen für den Wald abzumildern. Doch jetzt könnte es schlimmer kommen als angenommen.
Der Sommer naht. Erneut dürften Deutschland trockene und heiße Monate bevorstehen, auch wegen der Klimakrise. Das macht nicht nur vielen Menschen zu schaffen, sondern auch dem Wald um Nürnberg. Johannes Wurm ist der Leiter des Forstbetriebs Nürnberg und damit zuständig für den Reichswald: die grüne Lunge Nürnbergs – oder "die Klimaanlage der Stadt", wie er ihn nennt.
Als er nach den Auswirkungen der Klimakrise gefragt wird, zeigt er auf eine Fläche inmitten des Reichswaldes. Wurm nennt sie "Schadfläche". Hier wird schnell klar, was das Problem im Wald ist.
"Massiver Stress" für Bäume
Was auf den ersten Blick an eine Lichtung erinnert, entpuppt sich auf den zweiten Blick als Fläche, auf der bis vor einem Jahr noch Fichten standen. Jetzt sind sie weg, genauer gesagt, gefällt – Borkenkäferbefall zwang die Waldarbeiter dazu. Doch was hat das nun mit Hitze, Trockenheit und Klimakrise zu tun?
Wurm, der Forstwissenschaften studiert hat, erklärt das, mit mehreren Diagrammen und Statistiken bewaffnet, so: Die Sommer wurden zuletzt wegen des Klimawandels trockener. Viele trockene Sommer in Folge bedeuten für die Bäume "massiven Stress", weiß Wurm. Die Folge: Die Bäume sind anfälliger für Pilz- oder Insektenbefall. Einfach gesagt, sie können sich gegen Krankheiten nicht mehr so gut wehren wie ein gesunder Baum.
Waldumbau läuft seit 40 Jahren
Für Wurm und seine Kollegen bei den Staatsforsten ist das Problem nicht neu. Seit 40 Jahren läuft im Reichswald der Waldumbau. Bislang standen rund um Nürnberg hauptsächlich Nadelbäume wie Fichten. Diese sind Flachwurzler, also darauf angewiesen, dass es regelmäßig regnet. Tut es das nicht, wird das zum Problem für die Fichten. Um gegenzusteuern, pflanzen die Forstwirte seit Jahren im Reichswald Buchen, Eichen, Ahorne und andere Baumarten, die mit Hitze und Trockenheit besser umgehen können, sagt Wurm.
Also alles im Griff? Mitnichten. "Der Klimawandel nimmt viel schneller Fahrt auf als gedacht", erklärt Wurm. Bislang seien seine Kollegen beim Waldumbau von einer Erwärmung um 2 Grad bis im Jahr 2100 ausgegangen. Anhand der Temperaturen der letzten Jahre deute sich an, dass der Klimawandel noch viel gravierender ausfallen könnte.
Im schlimmsten Fall drohe Nürnberg ein Klima wie heute Istrien, eine beliebte Urlaubsregion im Norden Kroatiens, oder der Nordprovence in Frankreich. Sprich: Es müssten womöglich noch einmal ganz andere Baumarten gepflanzt werden. Das Problem für die Förster besteht darin, dass der Waldumbau eine langwierige Angelegenheit ist. Bis ein heute gepflanzter Baum groß ist, vergehen Jahre.
180.000 Bäume im Herbst gepflanzt
Und nicht jeder Baum, der heute in Istrien wachse, könne in Franken gedeihen. Ein Problem sei etwa Bodenfrost im Frühling. Laufend experimentierten sie deshalb mit neuen Baumarten aus den Nachbarländern.
"Der Klimawandel macht mir ordentlich Sorge", fasst Wurm zusammen. Die Prognose stimme düster, aber rund 50 Prozent des Nürnberger Reichswaldes sei heute schon mit klimastabileren Bäumen bepflanzt als vor Beginn des Umbaus.
Gutgetan habe dem Wald zudem der Regen, der Ende Mai und Anfang Juni gefallen ist. "Danach haben wir uns gesehnt", erklärt Wurm. Im Herbst hätten sie 180.000 neue kleine Bäume gepflanzt, die jetzt anwachsen müssen – für einen intakten Wald und damit der Reichswald weiter die "Klimaanlage Nürnbergs" bleibt.
- Reporter vor Ort